TE Vwgh Erkenntnis 1994/1/28 92/17/0273

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 28.01.1994
beobachten
merken

Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §58 Abs2;
AVG §60;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Wetzel und Dr. Gruber als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Mag. Raunig, über die Beschwerde des Dr. D, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 28. August 1992, Zl. MD-VfR - D 11/92/Str, betreffend Übertretung des Wiener Parkometergesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.460,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Wiener Landesregierung vom 28. August 1992 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe am 6. Juli 1990 um 13.20 Uhr in Wien 1, Hegelgasse 5, ein dem Kennzeichen nach näher bestimmtes mehrspuriges Kraftfahrzeug in einer gebührenpflichtigen Kurzparkzone abgestellt gehabt, ohne die Parkometerabgabe durch einen ordnungsgemäß entwerteten Parkschein entrichtet zu haben, da der Parkschein gefehlt habe. Er habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 1 Abs. 3 des Parkometergesetzes, LGBl. für Wien Nr. 57/1974 in der geltenden Fassung, begangen und es wurde gemäß § 4 Abs. 1 leg. cit. über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe von S 300,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 7 Stunden) verhängt.

In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde im wesentlichen aus, aus einer Anzeige eines Kontrollorganes des Magistrates vom 6. Juli 1990 gehe hervor, daß der an diesem Tag um 13.20 Uhr vor dem Haus Wien 1, Hegelgasse 5, in einer Kurzparkzone abgestellte Pkw nicht mit einem richtig entwerteten Parkschein gekennzeichnet gewesen sei. Das Kontrollorgan des Magistrates, welches am 6. Juli 1990 um 13.20 Uhr die Organstrafverfügung ausgestellt habe, habe auch als Zeuge vernommen, seine in der Organstrafverfügung gemachten Angaben aufrecht erhalten und einen Irrtum ausgeschlossen. Danach habe das Kontrollorgan keinen hinsichtlich der Abstellzeit gültig entwerteten Parkschein im Fahrzeug des Beschwerdeführers vorgefunden und es sei der Pkw am 6. Juli 1990 um 13.20 Uhr abgestellt gewesen. Dies habe die Zeugin in ihrer Aussage am 3. Juli 1992 bekräftigt. Die gegenständliche Kurzparkzone sei, wie sich aus dem Verordnungsakt ergebe, gesetzmäßig verordnet und durch die Straßenverkehrszeichen gemäß § 52 Z. 13d StVO 1960 (nach den Kreuzungsbereichen Himmelpfortgasse/Schellinggasse, Johannesgasse/Parkring und Hegelgasse/Schwarzenbergstraße) und durch die Straßenverkehrszeichen gemäß § 52 Z. 13e StVO 1960 (an den Ecken Weihburggasse/Hegelgasse, Himmelpfortgasse/Hegelgasse, Johannesgasse/Schellinggasse und Fichtegasse/Parkring) kundgemacht. Der Beschwerdeführer habe sohin bei der Zufahrt an den jeweils an beiden Straßenseiten angebrachten Verkehrszeichen, die den Beginn der Kurzparkzone anzeigten, vorbeifahren müssen. Nach Passieren dieser Verkehrszeichen habe der Beschwerdeführer um zum Abstellort zu gelangen, an keinem korrespondierenden Straßenverkehrszeichen, das das Ende der Kurzparkzone angezeigt hätte, vorbeifahren können, weshalb er nicht mit Recht habe annehmen dürfen, er habe die Kurzparkzone verlassen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich nach seinem gesamten Vorbringen in dem Recht verletzt, bei der gegebenen Sach- und Rechtslage der ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretung nicht schuldig erkannt und nicht dafür bestraft zu werden.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

In der Beschwerde wird zunächst vorgebracht, das Strafverfahren sei "nichtig", weil ein Auskunftsbegehren im Grunde des § 1a Parkometergesetz erst nach Einleitung des Strafverfahrens gestellt worden sei. Ein Beschuldigter dürfe unter Androhung der Einleitung eines Strafverfahrens wegen Übertretung des § 1a Parkometergesetz nicht verhalten werden, Angaben zu machen, welche ihm zum Nachteil gereichten.

Diese Rechtsmeinung - hinsichtlich der "Nichtigkeit" des Strafverfahrens - findet im Gesetz keine Deckung. Wenn aber geltend gemacht wird, ein in einem Verwaltungsstrafverfahren Beschuldigter dürfe unter Androhung der Einleitung eines Strafverfahrens wegen Übertretung des § 1a Parkometergesetz nicht verhalten werden, Angaben zu machen, welche ihm zum Nachteil gereichten, so werden damit Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der Regelung des § 1a Parkometergesetz vorgebracht (vgl. dazu auch VfSlg. 10.505). Das Beschwerdeverfahren betrifft aber nicht den Umfang der Verpflichtung des Lenkers nach § 1a Parkometergesetz. Die belangte Behörde hatte bei Erlassung des angefochtenen Bescheides § 1a Parkometergesetz nicht anzuwenden. Auch der Verwaltungsgerichtshof hat diese Bestimmung bei Beurteilung der an ihn gerichteten Beschwerde nicht anzuwenden. § 1a Parkometergesetz ist daher für die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes nicht präjudiziell. Schon aus diesem Grund (vgl. aber auch die Verfassungsbestimmung des Art. II der Novelle zum FAG 1985, BGBl. Nr. 384/1986), sieht sich der Verwaltungsgerichtshof nicht veranlaßt, an den Verfassungsgerichtshof einen Antrag auf Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit des § 1a Parkometergesetz zu stellen.

Im Recht ist der Beschwerdeführer aber, wenn er (im Ergebnis) rügt, die belangte Behörde könne sich auf kein ausreichendes Ermittlungsergebnis für ihre Annahme der Tatzeit mit 13.20 Uhr stützen.

In der Begründung des angefochtenen Bescheides wird dazu (lediglich) ausgeführt, die Zeugin habe in ihrer Aussage am 3. Juli 1992 bekräftigt, daß der Pkw am 6. Juli 1990 um

13.20 Uhr abgestellt gewesen sei. Nähere Begründungsdarlegungen, warum die belangte Behörde die Tatzeit mit 13.20 Uhr als erwiesen angenommen hat, fehlen.

Die Mangelhaftigkeit der Begründung eines vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheides ist wesentlich, wenn durch sie die Partei des Verwaltungsverfahrens über die von der belangten Behörde angestellten Erwägungen nicht unterrichtet und dadurch an der Verfolgung ihres Rechtsanspruches behindert worden und auch die Prüfung des angefochtenen Bescheides auf die Rechtmäßigkeit seines Inhaltes unmöglich ist (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 22. September 1980, Slg. N.F. Nr. 10.232/A).

Worauf der Beschwerdeführer zutreffend hinweist, wurde vom

Kontrollorgan bei seiner Vernehmung als Zeuge am 16. Oktober 1991 zur Niederschrift gegeben, "das am 6.7.1990 um

10.20 Uhr abgestellte Kfz" beanstandet zu haben. Demgegenüber gab das Kontrollorgan in seiner ergänzenden Vernehmung als Zeuge am 3. Juli 1992 an: "Ergänzend zu meiner Aussage vom 16.10.1991 kann ich nur angeben, daß das Fahrzeug um 13.20 Uhr beanstandet wurde. Der Irrtum kam durch einen Schreibfehler des Beamten zustande."

Mit dieser Divergenz in der Zeitangabe sowie insbesondere mit der dafür VOM ZEUGEN gegebenen Erklärung setzt sich die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides nicht auseinander.

In diesem Zusammenhang fällt auch auf, daß im angefochtenen Bescheid ausgeführt wird, das Kontrollorgan habe am 6. Juli 1990 um 13.20 Uhr die Organstrafverfügung ausgestellt. Wie die belangte Behörde zu dieser Annahme gelangte, ist aus der Aktenlage nicht ersichtlich und steht insoweit im Widerspruch mit dem Schreiben der Magistratsdirektion der Stadt Wien, Verfassungs- und Rechtsmittelbüro, vom 7. April 1992, wonach in der Anzeige vom 6. Juli 1990 die Uhrzeit der Übertretung nicht deutlich erkennbar sei. Eine dahingehende Klarstellung des Sachverhaltes - etwa durch zeugenschaftliche Einvernahme des Kontrollorganes unter Vorhalt der für die Behörde bestimmten Durchschrift der Organstrafverfügung - erfolgte nach der Aktenlage nicht.

Derart ist der Verwaltungsgerichtshof an der Prüfung des angefochtenen Bescheides auf die Rechtmäßigkeit seines Inhaltes im Rahmen des geltend gemachten Beschwerdepunktes gehindert. Der angefochtene Bescheid war daher schon aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft nicht erforderlichen Stempelgebührenmehraufwand sowie den - im Hinblick auf die gesetzliche Kostenpauschalierung nicht zuzuerkennenden - für Umsatzsteuer geltend gemachten Betrag.

Schlagworte

Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher Verfahrensmangel

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1992170273.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten