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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
AsylG 1991 §1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Kremla, Dr. Händschke und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Mayer, über die Beschwerde der M in R, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 20. April 1993, Zl. 4.309.767/5-III/13/91, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 505,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 21. Februar 1991 wurde festgestellt, daß bei der Beschwerdeführerin - einer rumänischen Staatsangehörigen, die am 13. Februar 1991 in das Bundesgebiet eingereist ist und am 18. Februar 1991 den Asylantrag gestellt hat - die Voraussetzungen des Art. 1 Abschnitt A der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls vom 31. Jänner 1967, BGBl. Nr. 78/1974, nicht zuträfen. Die dagegen erhobene Berufung der Beschwerdeführerin wurde mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 20. April 1993 gemäß § 66 Abs. 4 AVG abgewiesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Nach der Begründung des angefochtenen Bescheides habe die Beschwerdeführerin bei ihrer niederschriftlichen Vernehmung am 20. Februar 1991 im wesentlichen angegeben, daß ihr Gatte im März 1990 spurlos verschwunden sei und seither zwei- bis dreimal im Monat Polizeibeamte in ihrer Wohnung erschienen seien, um ihn zu suchen. Bei einem dieser Besuche im April 1990 habe ihr ein Polizist kochend heißen Brei über die Hand geschüttet. Sie sei auch mehrfach bedroht und aufgefordert worden, sich scheiden zu lassen. Außerdem habe sie alle zwei Wochen bei der Polizei in Bukarest vorsprechen müssen, um über die Abgängigkeit ihres Gatten Auskunft zu geben. Sie sei ständig von der Polizei überwacht worden. Ab März 1990 habe sie versteckt bei ihrer Mutter gelebt. Im November 1990 habe sie ihren Arbeitsplatz verloren, weil sie mit ihrem kranken Kind einen Arzt habe aufsuchen wollen. Da sie sich nicht länger habe verstecken wollen, sei sie ausgereist. In ihrer Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid habe die Beschwerdeführerin vorgebracht, daß sie ihre Heimat aus politischen und religiösen Gründen verlassen habe und nicht mehr dorthin zurück könne. Bei einer am 6. Dezember 1991 durchgeführten ergänzenden Befragung habe die Beschwerdeführerin weiters ausgeführt, daß ihr Gatte im Sommer 1989 nach Österreich gereist sei und sich dort als Asylwerber aufgehalten habe. Aus Besorgnis um sie und ihre Kinder sei er zur Zeit der Revolution heimgekehrt. Im März 1990 habe er beabsichtigt, wieder nach Österreich auszureisen. Seit damals habe sie nichts mehr von ihm gehört. Sie könne sich sein Verschwinden nicht erklären und habe in Bukarest eine Abgängigkeitsanzeige erstattet. Von 1989 bis März 1990 habe sie ca. vier- bis fünfmal auf die Polizeidienststelle kommen müssen. Sie habe sich bei ihren Eltern versteckt, weil sie immer wieder von Polizisten aufgesucht worden sei, die Hausdurchsuchungen durchgeführt hätten und dabei brutal und rücksichtslos vorgegangen seien. Nach ihrer Entlassung von ihrer Arbeitsstelle im November 1990 habe sie sich aus Angst vor der Polizei bei ihren Eltern versteckt. Durch Befragung ihres vierjährigen Sohnes habe aber die Polizei ihren Aufenthalt herausgefunden. Der Vorfall, bei dem sie durch einen Polizisten mißhandelt worden sei, habe sich im September 1989 ereignet. Als sie keine Angaben über den Aufenthalt ihres Gatten gemacht habe, habe ihr einer der Polizisten einen Stoß versetzt, während sie kochenden Grießbrei für ihre Kinder zubereitet habe; dabei habe sie schwere Verletzungen am rechten Arm erlitten.
Die belangte Behörde ist zur Auffassung gelangt, daß das durchgeführte Ermittlungsverfahren, "insbesondere auch Ihre niederschriftliche Einvernahme", nicht ergeben habe, daß die Beschwerdeführerin Flüchtling im Sinne des "Asylgesetzes" (vollständig: 1991) sei. Dafür war zunächst ausschlaggebend, daß die belangte Behörde im Rahmen ihrer Beweiswürdigung auf Grund der von ihr aufgezeigten widersprüchlichen Angaben der Beschwerdeführerin während des Asylverfahrens diese insgesamt als unglaubwürdig angesehen hat. In diesem Zusammenhang stellt sich zwar die (von den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens unerörtert gebliebene) Frage, ob es der belangten Behörde auf Grund der Bestimmung des § 20 Abs. 1 Asylgesetz 1991, wonach sie ihrer Entscheidung das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens erster Instanz zugrunde zu legen hat, verwehrt war, in ihre Beweiswürdigung auch die Angaben der Beschwerdeführerin im Berufungsverfahren miteinzubeziehen, oder ob einer der Fälle des § 20 Abs. 2 leg. cit., insbesondere der, daß das Ermittlungsverfahren offenkundig mangelhaft war, vorlag und ob bzw. inwieweit sie demnach auch diese Angaben mitberücksichtigen durfte (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. November 1993,
Zlen. 93/01/0234, 0499). Auf die Beweiswürdigung der belangten Behörde war aber nicht einzugehen, weil ein ihr dabei allenfalls unterlaufener Verfahrensmangel nicht wesentlich wäre, hätte sie doch auch sonst nicht zu einem anderen, für die Beschwerdeführerin günstigeren Bescheid kommen können, weshalb auch die Beschwerdeausführungen, mit denen diese Beweiswürdigung bekämpft wird, nicht geeignet sind, der Beschwerde zum Erfolg zu verhelfen.
Der belangten Behörde ist nämlich - entsprechend der Begründung des angefochtenen Bescheides, die sie "überdies" gegeben hat - darin beizupflichten, daß aus den von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Umständen, deren Darstellung im Verwaltungsverfahren im wesentlichen lediglich in zeitlicher Hinsicht voneinander abweichen, nicht abgeleitet werden kann, daß sich die Beschwerdeführerin aus wohlbegründeter Furcht, aus einem der im § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 (übereinstimmend mit Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) taxativ angeführten Gründe verfolgt zu werden, außerhalb ihres Heimatlandes befindet. Die von der Beschwerdeführerin geschilderten Schwierigkeiten mit der Polizei (einschließlich ihrer in der Niederschrift vom 20. Februar 1991 objektivierten Verbrennung der rechten Hand) waren ausschließlich darauf zurückzuführen, daß der Aufenthaltsort ihres Gatten in Erfahrung gebracht werden sollte, wobei jeglicher Hinweis darauf fehlte, daß ihr Gatte aus einem der genannten Gründe sein Heimatland verlassen habe oder deshalb "spurlos verschwunden" sei und sich eine auf ihn zielende Verfolgung auch auf die Beschwerdeführerin selbst erstreckt habe. Die belangte Behörde war daher - entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin - auch nicht verpflichtet, in dieser Richtung irgendwelche Ermittlungen anzustellen (vgl. unter anderem das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. November 1992, Zlen. 92/01/0800-0803). Sie hat keineswegs die Meinung vertreten, "daß die dauernde polizeiliche "Drangsaliererei" der rumänischen Polizei ohnehin nur gegen ihren Gatten gerichtet gewesen sei", sondern vielmehr die Aktivitäten, von denen die Beschwerdeführerin betroffen war, nicht als asylrechtlich relevante "Verfolgungsakte" qualifiziert. Der Rüge der Beschwerdeführerin, "die belangte Behörde scheint nicht gestört zu haben, daß dies alles nach Sippenhaftung aussieht", ist entgegenzuhalten, daß es sich, selbst wenn darin eine konkrete Behauptung erblickt werden könnte, hiebei um eine solche handeln würde, die gegen das Neuerungsverbot des § 41 Abs. 1 VwGG verstößt und demnach unbeachtlich ist. Dem von der Beschwerdeführerin gleichfalls beanstandeten Begründungsteil im angefochtenen Bescheid, wonach die von ihr behaupteten Übergriffe im Zuge der Befragungen Verfehlungen einzelner Beamter darstellten, die nicht dem Staat zuzurechnen seien, und die darüber hinaus in keinem zeitlichen Konnex zu ihrer Ausreise stünden, kommt bei diesem Ergebnis keine Bedeutung mehr zu. Die auf ihrer privaten Situation beruhende Schlußfolgerung der Beschwerdeführerin, "wenn eine solche Frau ihr Heimatland verläßt, dann muß ihr gravierendes Unheil zugestoßen sein, dann hat sie nach aller menschlichen Erfahrung gravierende Probleme, wohlbegründete Angst im Sinne der Konvention", ist jedenfalls, was letzteres anlangt, nicht nachvollziehbar, weil es nicht zwangsläufig bedeutet, daß die Ursache der Probleme, mit denen die Beschwerdeführerin in ihrem Heimatland konfrontiert gewesen sei, in einem der rechtlich maßgeblichen Asylgründe gelegen gewesen wäre. Daß dies hinsichtlich des Verlustes ihres Arbeitsplatzes der Fall gewesen sei, geht aus ihren Angaben ebensowenig hervor, sondern hat die Beschwerdeführerin hiefür am 20. Februar 1991 ausdrücklich einen anderen (von ihr später nicht geänderten) Grund genannt, woraus sich ergibt, daß für ihren Standpunkt - abgesehen von der weiteren Frage, ob damit ihre Lebensgrundlage massiv bedroht gewesen wäre - auch dann nichts zu gewinnen wäre, wenn sie damit im Recht wäre, daß diese Maßnahme ihrem Heimatland zuzurechnen sei.
Die Beschwerdeführerin regt zusätzlich an, "die Entscheidungsbefugnis der belangten Behörde als unsachlich beim Verfassungsgerichtshof anzufechten", womit sie offensichtlich die Bestimmung des § 10 Abs. 1 Z. 2 Asylgesetz 1991, wonach der Bundesminister für Inneres Asylbehörde 2. Instanz ist, im Auge hat. Dabei knüpft sie an die ihrer Auffassung nach völlig unzureichende Begründung des angefochtenen Bescheides an, wobei ihre Vorstellung dahin geht, daß der Verwaltungsgerichtshof, sollte er diesbezüglich "zum selben Ergebnis kommen wie der Beschwerdevertreter", "sich der Wurzel dieses Problems zuwenden wolle, nämlich der Entscheidungsbefugnis der belangten Behörde". Das von ihr aufgeworfene Problem der einem Rechtsstaat angemessenen Bescheidbegründung berührt aber nicht die Frage nach der Sachlichkeit einer Regelung der Behördenzuständigkeit. Wenn die Beschwerdeführerin in der Folge die Überlegungen ins Spiel bringt, "daß ein so sensibles Thema wie das Asylrecht in der Berufungsinstanz öffentlich und mündlich vor unabhängigen Entscheidungsinstanzen behandelt gehört", so bringt sie damit selbst nicht zum Ausdruck, daß es sich bei derartigen Angelegenheiten um "civil rights" im Sinne des Art. 6 MRK handle und aus diesem Grunde darüber ein den Erfordernissen dieser Bestimmung gerecht werdendes Tribunal zu entscheiden habe (siehe im übrigen dazu die vom Verwaltungsgerichtshof im Ergebnis geteilten, grundsätzlichen Ausführungen des Verfassungsgerichtshofes im Erkenntnis vom 14. Oktober 1987, B 267/86, sowie die in Frowein-Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention EMRK-Kommentar, Seite 125, unter der Nr. 77 zitierte Entscheidung der Europäischen Kommission für Menschenrechte vom 8. März 1983, B Nr. 9678/82). Im Hinblick darauf, daß der Verwaltungsgerichtshof auch die abschließend geäußerte Ansicht der Beschwerdeführerin, daß "in Verfahren, die Menschenrechte nach Art. 2 und 3 der Konvention betreffen, ein Instanzenweg über die belangte Behörde nicht den Anforderungen der Menschenrechtskonvention entspricht", nicht zu teilen vermag, sieht er sich zu einer entsprechenden Antragstellung an den Verfassungsgerichtshof nicht veranlaßt.
Da sich somit die Beschwerde als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1993010488.X00Im RIS seit
20.11.2000