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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1991 §1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Kremla, Dr. Händschke und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Mayer, über die Beschwerde der H in S, mit mj. M, und mj. D, die Minderjährigen vertreten durch ihre Mutter, diese vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in O, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 11. August 1992, Zl. 4.338.127/1-III/13/92, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Burgenland vom 18. Mai 1992 (zugestellt am 21. Mai 1992) ab und sprach aus, daß Österreich der Beschwerdeführerin kein Asyl gewähre.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige der "früheren SFRJ", die mit ihren Kindern am 14. April 1992 in das Bundesgebiet eingereist ist, hat anläßlich ihrer Erstbefragung am 25. April 1992 bei der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich angegeben, sie sei bosnische Staatsangehörige, sei dort geboren und habe ihre Jugend dort verbracht. Sie gehöre keiner politischen Organisation an und sei vor Ausbruch des Krieges keinerlei Verfolgungshandlungen ausgesetzt gewesen. Nach ihrer Rückkehr aus der BRD, wo sie als Gastarbeiterin gearbeitet habe, habe sie bis Oktober 1991 mit ihren Kindern in Kroatien gelebt. Als dann das Kriegsgeschehen auch auf die Gegend übergegriffen habe, in der sich ihr Haus befunden habe, hätten sie Kroatien verlassen und seien nach Bosnien zu den Eltern der Beschwerdeführerin gezogen. Seit April 1992 sei nun auch dieses Gebiet von den Serben angegriffen und beschossen worden, sodaß sie auch dort mit ihren Kindern nicht mehr in Sicherheit habe leben können. Sie habe daher beschlossen, Bosnien zu verlassen und nach Österreich zu flüchten. In der gegen den erstinstanzlichen Bescheid erhobenen Berufung führte die Beschwerdeführerin weiters aus, daß ihr Haus besetzt, wahrscheinlich gesprengt worden sei. Der einzige Grund dafür sei, daß sie Moslems seien, also "Rassenhaß". Von ihrem Mann, der in Jugoslawien zurückgeblieben sei, fehle jede Spur.
Die belangte Behörde hat das Vorliegen von Gründen im Sinne des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 schon allein deshalb verneint, weil sich das Vorbringen der Beschwerdeführerin lediglich auf allgemeine Umstände in ihrem Heimatland bezogen habe. Der Umstand, daß die Beschwerdeführerin von den bürgerkriegsähnlichen Ereignissen in ihrem Heimatland betroffen gewesen sei und ihr die Möglichkeiten für eine gesicherte Lebensführung gefehlt hätten, könne nicht als Verfolgung im Sinne der angeführten Gesetzesstelle angesehen werden, sondern sei eher mit einer Naturkatastrophe vergleichbar.
Aus den Verwaltungsakten geht - im Sinne des Beschwerdevorbringens - hervor, daß die Beschwerdeführerin mit ihren Kindern vor ihrer Ausreise in Bosnien gelebt hat. Sie bezeichnet sich selbst als "bosnische Staatsangehörige", und auch die belangte Behörde sieht offensichtlich - auch wenn sie sich damit nicht näher befaßt hat - Bosnien-Herzegowina (seit März 1992 ein unabhängiger und als solcher von Österreich am 7. April 1992 anerkannter Staat) als Heimatland der Beschwerdeführerin im Sinne des Art. 1 Abschn. A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention an. Die Auffassung der belangten Behörde, den Behauptungen der Beschwerdeführerin könne nicht entnommen werden, daß sie konkrete Verfolgung in ihrem Heimatland zu befürchten habe, kann nicht geteilt werden. Die Annahme einer derartigen Befürchtung setzt nämlich nicht voraus, daß die Beschwerdeführerin vor ihrer Ausreise eine individuell gegen sie gerichtete Verfolgung erlitten hätte oder ihr zumindest eine solche bereits konkret angedroht worden wäre. Auch dann, wenn die Verhältnisse im Heimatland der Beschwerdeführerin dergestalt wären, daß davon gesprochen werden müßte, daß systematisch eine Gruppenverfolgung der Moslems, denen die Beschwerdeführerin angehört, aus Gründen ihrer Nationalität (und, davon offenbar nicht zu trennen, auch ihrer Religion) erfolgt, wäre eine derartige Befürchtung gerechtfertigt, weil die Beschwerdeführerin dadurch der Gefahr ausgesetzt wäre, davon unmittelbar betroffen zu sein (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. Mai 1993, Zl. 92/01/0982). Das Vorbringen der Beschwerdeführerin enthielt einen deutlichen Hinweis darauf, daß für die Beschwerdeführerin eine daraus resultierende Verfolgungsgefahr von erheblicher Intensität bestanden habe. Hiebei war nicht allein die Tatsache von Bedeutung, daß es im Heimatland der Beschwerdeführerin zu kriegerischen Handlungen gekommen ist, worin noch kein Grund gelegen wäre, darin gegen sie selbst konkret gerichtete Verfolgungshandlungen zu erblicken (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Dezember 1989,
Zlen. 89/01/0283-0286); vielmehr hatten (nach dem Vorbringen der Beschwerdeführerin) diese (bereits in Gang befindlichen) Aktivitäten gegen die Gesamtheit der dort lebenden Moslems gerichtete Maßnahmen zum Ziel, die nicht bloß in Beeinträchtigungen allgemeiner Natur, die von allen hingenommen werden müßten, bestanden. Dabei wäre es der Beschwerdeführerin (auf dem Boden ihres Vorbringens im Zusammenhalt mit den allgemein bekannten Ereignissen in ihrem Heimatland) auch nicht zumutbar gewesen, sich den auch von ihr persönlich zu erwartenden Repressionshandlungen nicht rechtzeitig durch ihre Flucht zu entziehen. Inwieweit diese, der Beschwerdeführerin nach ihrem Vorbringen von "den Serben" drohende Verfolgung staatlichen Stellen ihres Heimatlandes zuzurechnen wäre, ist davon abhängig, ob der betreffende Staat in der Lage ist, diese Verfolgung hintanzuhalten (vgl. unter anderem das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 10. März 1993, Zl. 92/01/1090). Hätte daher die staatliche Autorität zufolge der Besetzung offenbar durch die "serbische Armee" ihre Wirksamkeit in dem davon betroffenen Gebiet verloren, so wären die dort gesetzten Verfolgungshandlungen in asylrechtlicher Hinsicht staatlichen Maßnahmen gleichzuhalten, wobei sich aus dem Vorbringen der Beschwerdeführerin auch nicht ergibt, daß eine inländische Fluchtalternative bestanden habe (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 26. Jänner 1994, Zl. 93/01/0034 und Zl. 93/01/0291).
Da somit die belangte Behörde die Rechtslage verkannt hat, war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1992010890.X00Im RIS seit
21.12.2000