TE Vfgh Beschluss 1991/9/30 B356/91

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Veröffentlicht am 30.09.1991
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Index

10 Verfassungsrecht
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 (B-VG)

Norm

B-VG-Nov 1988 BGBl 685 ArtI Z38
B-VG Art144 Abs1 / Allg
B-VG Art144 Abs1 / Gerichtsakt
B-VG Art144 Abs1 / Befehls- und Zwangsausübung unmittelb

Leitsatz

Zurückweisung einer Beschwerde gegen Akte von Richtern und Staatsanwälten sowie gegen die Behandlung des Beschwerdeführers in einer Strafvollzugsanstalt wegen Unzuständigkeit des VfGH

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

1. J C C brachte beim Verfassungsgerichtshof eine nicht von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt unterfertigte, als "Verfassungsklage" bezeichnete, der Sache nach auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde ein. Darin warf er Richtern und Staatsanwälten, die in einem Strafverfahren (zu den Z19 Vr 1998/89 und 16 Vr 2477/90 des Landesgerichtes für Strafsachen Graz) gegen ihn tätig geworden waren, verschiedene, näher bezeichnete Rechtswidrigkeiten vor. Weiters wandte er sich gegen seine Behandlung in der Strafvollzugsanstalt Graz (behauptete(s) körperliche Mißhandlung, Verletzung, Anhaltung in einer kahlen Kellerzelle, absolutes Sprechverbot). Er stellte den Antrag, eine umfassende Untersuchung durchzuführen.

2.1. Zu den Vorwürfen gegen Richter und Staatsanwälte:

Weder Art144 B-VG noch eine andere Vorschrift räumt dem Verfassungsgerichtshof die Befugnis ein, Akte der Gerichtsbarkeit - wie die hier in Beschwerde gezogenen richterlichen Verfahrensschritte - zu überprüfen. Ebensowenig sind staatsanwaltschaftliche Amtshandlungen (Parteierklärungen), soweit sie sich als Teilakte eines gerichtlichen Strafverfahrens darstellen, "Bescheide" im Sinn des Art144 B-VG (s. VfSlg. 10.559/1985, VfGH 25.9.1990 B1010/90, vgl. auch VfSlg. 11.113/1986).

Die Beschwerde war daher in diesem Umfang als unzulässig zurückzuweisen, ohne daß geprüft werden mußte, ob alle Prozeßvoraussetzungen vorliegen.

2.2. Zur Behandlung in der Strafvollzugsanstalt Graz:

2.2.1. Auch soweit die Beschwerde gegen die Behandlung in der Strafvollzugsanstalt gerichtet ist, erweist sie sich - unabhängig davon, ob die einschreitenden Organe dieser Anstalt im richterlichen Auftrag oder aus Eigenmacht handelten - als unzulässig, wie nachfolgende Überlegungen zeigen:

2.2.1.1. Gemäß Art144 Abs1 Satz 2 B-VG idF vor dem Bundesverfassungsgesetz vom 29. November 1988 (Bundes-Verfassungsgesetz-Novelle 1988), BGBl. 685, erkannte der Verfassungsgerichtshof über Beschwerden gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gegen eine bestimmte Person. Darunter fielen Verwaltungsakte, die bis zum Inkrafttreten der B-VG-Nov. 1975, BGBl. 302, nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes als sogenannte faktische Amtshandlungen (mit individuell-normativem Inhalt) bekämpfbar waren (VfSlg. 7829/1976, 8145/1977, 8146/1977, 9614/1983, 9770/1983, 9922/1984; VfGH 25.9.1990 B945/90 uam.).

Doch räumt weder Art144 B-VG idF der Novelle BGBl. 685/1988 noch eine andere Rechtsvorschrift dem Verfassungsgerichtshof die Befugnis ein, über Beschwerden gegen derartige Verwaltungsakte zu erkennen: ArtI Z38 der B-VG-Nov. 1988, BGBl. 685, durch den Art144 Abs1 B-VG geändert wurde, trat gemäß ArtX Abs1 Z1 mit 1. Jänner 1991 in Kraft. Seit diesem Zeitpunkt fehlt es dem Verfassungsgerichtshof - von damals bereits anhängig gewesenen Rechtssachen abgesehen - an der Zuständigkeit zur Entscheidung über Beschwerden gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (sa. Art129 a B-VG; VfGH 10.6.1991 B281/91; 10.6.1991 B446/91; vgl. auch VfGH 28.2.1991 B78/91). Dies abgesehen davon, daß der Beschwerdeführer den ihm gegen Maßnahmen des Strafvollzugspersonals jedenfalls offenstehenden administrativen Instanzenzug nach dem StVG nicht ausgeschöpft hatte.

2.2.1.2. Sollte nun die bekämpfte Behandlung auf gerichtliche Beschlüsse zurückzuführen sein, so wäre die - in diesem Fall einen Akt der Gerichtsbarkeit rügende - Beschwerde wegen Unzuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes (s. Punkt 2.1.) als unzulässig zurückzuweisen.

Ergingen jedoch derartige gerichtliche Verfügungen nicht, so richtete sich die Beschwerde gegen Akte unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt. Sie wäre also in diesem Fall gleichermaßen wegen Unzuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes (s. Punkt 2.2.1.1.) als unzulässig zurückzuweisen.

2.2.2. Auch die Beschwerde gegen die Behandlung in der Strafvollzugsanstalt Graz mußte daher als unzulässig zurückgewiesen werden, gleichfalls ohne daß untersucht werden müßte, ob alle Prozeßvoraussetzungen erfüllt sind.

2.3. Dieser Beschluß konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lita VerfGG 1953 ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gefaßt werden.

Schlagworte

VfGH / Zuständigkeit, Bescheidbegriff, Gerichtsakt, Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt, Strafvollzug

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1991:B356.1991

Dokumentnummer

JFT_10089070_91B00356_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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