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24/01 Strafgesetzbuch;Norm
FrG 1993 §15 Abs3 Z2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer, Dr. Graf und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde der G in W, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 5. Oktober 1993, Zl. SD 510/93, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.510,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 5. Oktober 1993 wurde gegen die Beschwerdeführerin, eine türkische Staatsangehörige, gemäß § 18 Abs. 1 des Fremdengesetzes-FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen.
Begründend führte die belangte Behörde im wesentlichen folgendes aus: Nach Ablauf der Gültigkeitsdauer des ihr zunächst erteilten Sichtvermerkes mit April 1991 sei die im Juli 1990 in das Bundesgebiet eingereiste Beschwerdeführerin nicht in die Türkei zurückgekehrt, sondern weiter in Österreich geblieben. Erst im März 1992 sei ihr wieder (nach einem wesentlich verspätet gestellten Antrag) ein Sichtvermerk (bis August 1992) erteilt worden; schließlich im August 1992 ein weiterer mit einer einjährigen Gültigkeitsdauer. Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 5. März 1993 sei die Beschwerdeführerin wegen vorsätzlicher schwerer Körperverletzung (§§ 83, 84 Abs. 2 Z. 4 StGB) zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten bedingt unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren rechtskräftig verurteilt worden. Die belangte Behörde sei der Ansicht, daß bei einem solchen Verhalten, auch wenn im Hinblick auf das Strafausmaß die Voraussetzungen des § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG nicht gegeben seien, der weitere Aufenthalt der Beschwerdeführerin die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährde bzw. den im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten öffentlichen Interessen (hier: öffentliche Ruhe und Ordnung bzw. Verteidigung der Ordnung, Verhinderung von strafbaren Handlungen, Schutz der Rechte anderer) zuwiderlaufe.
Es könne kein Zweifel bestehen, daß das Aufenthaltsverbot einen Eingriff in das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin darstelle, doch sei dieser Eingriff aufgrund der oben angeführten Umstände dringend geboten. Die Dauer des (erlaubten) Aufenthaltes der Beschwerdeführerin in Österreich (Juli 1990 bis April 1991 und März 1992 bis August 1993) - auch ihr Ehegatte sei erst im Jahr 1989 nach Österreich gekommen - sei noch nicht so lang und ihre Integration sei noch nicht so weit fortgeschritten, daß die Auswirkungen auf die Lebenssituation der Beschwerdeführerin und ihrer Familie - die Kinder seien in dieser Zeit hier in die Schule gegangen - schwerer wögen als die nachteiligen Folgen einer Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aus diesen Gründen kostenpflichtig aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1.1. Es begegnet keinen rechtlichen Bedenken, ein Aufenthaltsverbot ausschließlich auf § 18 Abs. 1 FrG (gegebenenfalls unter Bedachtnahme auf § 19 und § 20 Abs. 1 leg. cit.) zu stützen, wenn triftige Gründe vorliegen, die zwar nicht die Voraussetzungen der in § 18 Abs. 2 leg. cit. angeführten Fälle aufweisen, wohl aber in ihrer Gesamtheit die im § 18 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme rechtfertigen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 28. Oktober 1993, Zl. 93/18/0290, mwN.).
1.2. Die belangte Behörde sah das nach § 18 Abs. 1 FrG bedeutsame Gesamt(fehl)verhalten der Beschwerdeführerin durch den ihrer rechtskräftigen gerichtlichen Verurteilung zugrunde liegenden tätlichen Angriff auf einen Kontrollor der Wiener Verkehrsbetriebe (und dessen daraus resultierende Verletzung) sowie durch ihren ca. einjährigen unrechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet als verwirklicht an. Dieser Beurteilung vermag der Gerichtshof nicht beizupflichten. Das besagte verpönte Verhalten der Beschwerdeführerin reicht nicht aus, um davon sprechen zu können, es stelle in seiner Gesamtheit eine Gefährdung der im § 18 Abs. 1 FrG genannten öffentlichen Interessen dar, zumal von der belangten Behörde zu berücksichtigen war, daß der Beschwerdeführerin anschließend an ihren unbefugten Aufenthalt wieder ein Sichtvermerk erteilt worden ist.
2. Dadurch, daß die belangte Behörde irrigerweise die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme für gerechtfertigt hielt, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
3. Von der in der Beschwerde beantragten mündlichen Verhandlung konnte im Hinblick auf § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.
4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Die Abweisung des Mehrbegehrens beruht darauf, daß zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung Stempelgebühren lediglich in der Höhe von S 390,-- (Eingabegebühr S 360,--, Beilagegebühr S 30,--) zu entrichten waren.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1993180567.X00Im RIS seit
20.11.2000