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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
ABGB §1332;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger und Dr. Sauberer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über den Antrag des Z in W, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in N, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Erhebung einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt vom 26. April 1993, Zl. 11-F, betreffend Versagung eines Sichtvermerkes, den Beschluß gefaßt:
Spruch
Dem Antrag wird NICHT stattgegeben.
Begründung
I.
Mit Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. November 1993 war der Antragsteller gemäß § 34 Abs. 2 VwGG aufgefordert worden, die vom Verfassungsgerichtshof zur Entscheidung abgetretene Beschwerde (Beschluß vom 27. September 1993, B 1090/93) in mehreren Punkten innerhalb von zwei Wochen ab Zustellung der Verfügung zu ergänzen; ferner war darauf hingewiesen worden, daß der ergänzende Schriftsatz in dreifacher Ausfertigung sowie die vom Verfassungsgerichtshof abgetretene, u.e. zurückgestellte Beschwerde einschließlich der angeschlossen gewesenen gesetzlich vorgeschriebenen Beilage (d.i. des angefochtenen Bescheides) wieder vorzulegen sei. Die Versäumung der Frist gelte als Zurückziehung der Beschwerde.
Der Antragsteller kam diesem Mängelbehebungsauftrag insofern nicht nach, als er es verabsäumte, den zurückgestellten angefochtenen Bescheid wieder vorzulegen.
Hierauf wurde das Verfahren über die genannte Beschwerde mit hg. Beschluß vom 15. Dezember 1993, Zl. 93/18/0555, infolge nur teilweiser Erfüllung des Verbesserungsauftrages gemäß § 33 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 2 VwGG eingestellt. Der Einstellungsbeschluß wurde dem Antragsteller (z.H. seines Rechtsvertreters) am 18. Jänner 1994 zugestellt.
Mit am 24. Jänner 1994 unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof eingebrachtem Schriftsatz vom 21. Jänner 1994 begehrte der Antragsteller - unter gleichzeitiger Nachholung der versäumten Prozeßhandlung - die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist.
II.
Wenn eine Partei durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, so ist gemäß § 46 Abs. 1 VwGG dieser Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich dabei nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes trifft das Verschulden des Parteienvertreters die von diesem vertretene Partei. Der Begriff des minderen Grades des Versehens wird als leichte Fahrlässigkeit im Sinne des § 1332 ABGB verstanden. Der Wiedereinsetzungswerber bzw. sein Vertreter darf also nicht auffallend sorglos gehandelt, somit die im Verkehr mit Gerichten und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer acht gelassen haben (vgl. dazu etwa den Beschluß vom 2. Juli 1990, Zl. 90/19/0285, mwN).
Auf dem Boden dieser Rechtslage ist das Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag nicht geeignet, einen tauglichen Wiedereinsetzungsgrund darzutun. Dem behaupteten Versehen des in der Kanzlei des Rechtsvertreters des Antragstellers tätigen Rechtsanwaltsanwärters Mag. S. dergestalt, daß es dieser unterlassen habe, der Kanzleiangestellten aufzutragen, "den beigeschlossenen Bescheid jedenfalls nochmals beizulegen", kam vorliegend keine Relevanz zu, wenn es der Rechtsvertreter des Antragstellers (RA Dr. B.) verabsäumte, die Wiedervorlage des angefochtenen Bescheides zu kontrollieren. Letzteres trifft zu. Mit der Behauptung, RA Dr. B. habe den Beschwerdeergänzungsschriftsatz anläßlich der Unterfertigung überprüft, das Fehlen des angefochtenen Bescheides sei ihm jedoch infolge des Versehens des Rechtsanwaltsanwärters sowie der Tatsache, daß im Rubrum des ergänzenden Schriftsatzes "kein Bezug auf Beilagen genommen wurde", nicht aufgefallen, übersieht der Antragsteller, daß es zu Lasten des Unterfertigers geht, wenn dieser ein Schriftstück unterschreibt, ohne sich von der vollständigen Erfüllung des Mängelbehebungsauftrages zu überzeugen. Dafür, daß dem Rechtsanwalt das Fehlen der besagten Beilage nicht auffiel, war nicht das behauptete Versehen des Rechtsanwaltsanwärters und die mangelnde Bezugnahme auf Beilagen im Ergänzungsschriftsatz ursächlich. Vielmehr wurde dem Auftrag des Verwaltungsgerichtshofes, auch den bekämpften Bescheid wiedervorzulegen, vom RA offensichtlich nicht die gebührende Beachtung geschenkt, hätte er doch andernfalls die Unvollständigkeit der Mängelbehebung erkennen müssen. Das Außerachtlassen der im gegebenen Fall erforderlichen und zumutbaren Sorgfalt bei der Kontrolle der Beschwerdeergänzung auf ihre Vollständigkeit ist - unter Zugrundelegung der oben dargestellten hg. Judikatur - als ein den Grad minderen Versehens überschreitendes Verschulden des Rechtsvertreters des Antragstellers und damit des Antragstellers selbst zu werten.
Da somit eine wesentliche Voraussetzung des § 46 Abs. 1 VwGG nicht erfüllt ist, war dem vorliegenden Wiedereinsetzungsantrag der Erfolg zu versagen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1994180038.X00Im RIS seit
20.11.2000