TE Vfgh Beschluss 1991/9/30 B756/91

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Veröffentlicht am 30.09.1991
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Index

10 Verfassungsrecht
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 (B-VG)

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Beurkundung
AVG §62 Abs2

Leitsatz

Zustandekommen eines mündlichen Bescheides nur bei dessen Beurkundung

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Antrag, die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten, wird abgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. 1. Der (in Landskron wohnhafte) Beschwerdeführer beantragte am 15. November 1990 bei der Bezirkshauptmannschaft (BH) Villach die Ausstellung eines Waffenpasses. Diese Behörde trat den Antrag der Bundespolizeidirektion (BPD) Villach ab; dies offenbar im Hinblick darauf, daß Landskron aufgrund des Kärntner Gemeindestruktur-Verbesserungsgesetzes, LGBl. 63/1972, seit 1. Jänner 1973 zum Gebiet der Stadtgemeinde Villach gehört.

Der Beschwerdeführer bestand aber auf einer Entscheidung durch die BH Villach.

Am 6. Dezember 1990 richtete er ein Schreiben an die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Kärnten (SD Kärnten); darin legte er den Sachverhalt dar und fährt dann fort:

"Nunmehr habe ich neuerlich schriftlich den Antrag gestellt, den Akt der Bezirkshauptmannschaft Villach zur Entscheidung rückzumitteln, da ich weiterhin die bescheidmäßige Erledigung der Unzuständigkeit begehre.

Da die Bezirkshauptmannschaft Villach offensichtlich nicht bereit ist, über meinen Antrag zu entscheiden, stelle ich gemäß §73 AVG 1950 den Antrag, daß die sachlich in betrachtkommende Oberbehörde zum Gegenstandsfall ihre Entscheidung trifft, ob und warum mir von der Bezirkshauptmannschaft Villach kein Waffenpaß, welcher mich zum Führen von drei Faustfeuerwaffen berechtigt, ausgestellt werden kann."

Am 27. Mai 1991 sprach der Beschwerdeführer bei der SD Kärnten vor.

Aus diesem Anlaß wurde mit ihm folgendes Protokoll verfaßt:

"Niederschrift

aufgenommen am 27.5.1991 mit Herrn Mag. N S" - richtig S - "(Nat. im Akt), welcher aus eigenem bei der ho. Sicherheitsdirektion erscheint und zu seiner Eingabe vom 4.12.1990 an die Bezirkshauptmannschaft Villach und dem gestellten Devolutionsantrag an die ho. Sicherheitsdirektion angibt:

'Im Beisein des AR S und des Gefertigten wurde mit mir betreffend des Devolutionsantrages, Antrag an die Bezirkshauptmannschaft Villach, um Ausstellung eines Waffenpasses, Frage der örtlich und sachlichen Zuständigkeit ausführlich gesprochen.

In Erledigung der Eingabe vom 4.12.1990 wird festgestellt, daß im konkreten Fall örtlich und sachlich zuständig die Bundespolizeidirektion Villach ist.

Einen allfälligen neuen Antrag auf Ausstellung eines Waffenpasses werde ich somit direkt bei der Bundespolizeidirektion Villach einbringen. Voraussetzung für die örtliche Zuständigkeit der Bundespolizeidirektion Villach ist der Wohnsitz. Zum Zeitpunkt des Einbringens des Erstansuchens war der Wohnsitz gleichfalls im Bereich der Bundespolizeidirektion Villach. Die im Akt Wa-1010-2/90 aufscheinende Abgabennachricht vom 28.11.1990 habe ich nie erhalten.

Ich betrachte den Vorgang als erledigt (auch der Antrag auf Devolutionsentscheidung ist hinfällig) und bezeuge gleichzeitig den Erhalt einer Durchschrift der aufgenommenen Niederschrift."

2. Gegen diese Erledigung der SD Kärnten wendet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung näher bezeichneter verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte und inhaltlich auch die Verletzung in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes (nämlich des §51 des Kärntner Gemeindestruktur-VerbesserungsG - der Sache nach wird die Einleitung eines entsprechenden amtswegigen Gesetzesprüfungsverfahrens angeregt) behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung der angefochtenen Erledigung, hilfsweise die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beantragt wird.

Der Beschwerdeführer meint, die bekämpfte Niederschrift enthalte die bescheidmäßige Feststellung, daß zur Entscheidung über seinen Antrag auf Ausstellung eines Waffenpasses die BPD Villach (und nicht die BH Villach) zuständig sei.

II. Die Beschwerde ist unzulässig:

1. Voraussetzung einer Beschwerdeführung nach Art144 Abs1 B-VG ist das Vorliegen eines Bescheides.

Gemäß §62 Abs1 AVG können Bescheide sowohl schriftlich als auch mündlich erlassen werden.

Eine schriftliche Ausfertigung erging hier nicht; dies bedarf keiner weiteren Begründung.

Der Beschwerdeführer steht aber offenbar auf dem Standpunkt, daß ein mündlicher Bescheid erlassen wurde. Damit ist er nicht im Recht:

Dem §62 Abs2 AVG zufolge ist bei einem mündlichen Bescheid einerseits der Inhalt, andererseits die Tatsache der Verkündung (ausdrücklich) zu beurkunden. Nur dann, wenn eine derartige Beurkundung erfolgte, kommt ein Bescheid zustande; unterbleibt eine solche Beurkundung, so wird ein - allenfalls - intendierter Bescheid nicht existent (s. etwa Ringhofer, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze, Bd. I, Manz, Wien 1987, Anm. 4 und 6 zu §62 AVG; vgl. VfSlg. 5270/1966).

In der oben zitierten Niederschrift vom 27. Mai 1991 sind die erwähnten Angaben nicht enthalten. Allein schon daraus ergibt sich, daß ein Bescheid nicht erlassen wurde. Es braucht daher nicht näher untersucht zu werden, ob die SD Kärnten intendierte, über die Zuständigkeitsfrage dem Beschwerdeführer gegenüber rechtsfeststellend abzusprechen (vgl. die ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes - zB VfSlg. 11420/1987 - zur Frage, unter welchen Voraussetzungen einer Erledigung, die nicht die äußere Form eines Bescheides aufweist, aufgrund ihres Inhaltes dennoch Bescheidcharakter zukommt). Dies wäre schon deshalb eher zu verneinen, weil der SD Kärnten zumindest beim gegebenen Verfahrensstand für eine solche bescheidmäßige Feststellung die Zuständigkeit gefehlt hätte.

Die Beschwerde war sohin als unzulässig zurückzuweisen.

2. Der Antrag, die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten, war abzuweisen, weil eine solche Abtretung nur im - hier nicht gegebenen - Fall einer abweisenden Sachentscheidung oder Ablehnung der Behandlung einer Beschwerde durch den Verfassungsgerichtshof in Betracht kommt.

3. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lita VerfGG ohne weiteres Verfahren und ohne vorangegangene Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden, weil die Nichtzuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes offenbar ist.

Schlagworte

Bescheidbegriff, Beurkundung (eines mündlichen Bescheides), Bescheid mündlicher

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1991:B756.1991

Dokumentnummer

JFT_10089070_91B00756_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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