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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §37;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer, Dr. Graf und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des R in W, vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 2. April 1993, Zl. IV-549.976-FrB/93, betreffend Versagung eines Sichtvermerkes, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.630,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien (der belangten Behörde) vom 2. April 1993 wurde dem Antrag des Beschwerdeführers, eines ägyptischen Staatsangehörigen, vom 22. September 1992 auf Erteilung eines befristeten Sichtvermerkes gemäß § 7 Abs. 1 und Abs. 3 FrG keine Folge gegeben.
In der Begründung wurde nach Wiedergabe der anzuwendenden Gesetzesvorschriften ausgeführt, daß der Beschwerdeführer den Erhebungen zufolge am 1. Dezember 1992 an seiner angegebenen Wohnadresse abgemeldet worden sei und er es unterlassen habe, einen allfälligen Wohnsitzwechsel bekanntzugeben. Aus diesem Grunde habe der Beschwerdeführer derzeit im Bundesgebiet keinen Wohnsitz, sein Aufenthalt sei unbekannt. Wie aus den fremdenpolizeilichen Unterlagen ersichtlich sei, bestünden keinerlei familiäre Bindungen zu Österreich. Es könne daher nicht im öffentlichen Interesse gelegen sein, einer Person, die polizeilich nicht gemeldet sei und einen allfälligen Wohnsitzwechsel der Behörde nicht bekanntgebe, einen Sichtvermerk zu erteilen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Gemäß § 7 Abs. 1 erster Satz FrG kann ein Sichtvermerk einem Fremden auf Antrag erteilt werden, sofern ein gültiges Reisedokument vorliegt und kein Versagungsgrund gemäß § 10 gegeben ist.
Nach § 7 Abs. 3 FrG hat die Behörde bei der Ausübung des in Abs. 1 eingeräumten Ermessens vom Grund des beabsichtigten Aufenthaltes des Sichtvermerkswerbers ausgehend einerseits auf seine persönlichen Verhältnisse, insbesondere seine familiären Bindungen, seine finanzielle Situation und die Dauer seines bisherigen Aufenthaltes, andererseits auf öffentliche Interessen, insbesondere die sicherheitspolizeilichen und wirtschaftlichen Belange, die Lage des Arbeitsmarktes und die Volksgesundheit Bedacht zu nehmen.
Der Beschwerdeführer bekämpft die Feststellung im angefochtenen Bescheid, wonach keine familiären Bindungen des Beschwerdeführers in Österreich bestünden, als aktenwidrig.
Eine aktenwidrige Sachverhaltsannahme muß der belangten Behörde in einem wesentlichen Punkt (§ 42 Abs. 2 Z. 3 lit. a VwGG) unterlaufen sein. Eine solche liegt vor, wenn die in den Verwaltungsakten aufliegenden Unterlagen eindeutig und offenkundig den Feststellungen im angefochtenen Bescheid widersprechen.
Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall gegeben. Zu den persönlichen Verhältnissen, auf die bei der gemäß § 7 Abs. 3 FrG gebotenen Interessenabwägung Bedacht zu nehmen ist, zählen insbesondere die familiären Bindungen des Beschwerdeführers. Eine auf dieser Gesetzesstelle beruhende Entscheidung hat somit - einerlei ob positive oder negative - Feststellungen hiezu zu enthalten.
Der dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegende Antrag enthält Angaben zu allen unter dem Gesichtspunkt der persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigenden Umstände. Darüber hinaus liegt eine vom Standesamt Wien-Brigittenau ausgestellte Heiratsurkunde in Fotokopie bei. Weiters wurde der belangten Behörde bereits vor Antragstellung durch einen Erhebungsbericht des Bezirkspolizeikommissariates Hietzing vom 18. Mai 1992 bekannt, daß der Beschwerdeführer seit 22. Februar 1992 mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet und mit ihr an einer näher genannten Anschrift wohnhaft ist.
Die belangte Behörde hat somit zu den familiären Bindungen des Beschwerdeführers aktenwidrige Feststellungen getroffen und zu den übrigen im Rahmen der persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigenden Momente trotz entsprechender Behauptungen und Belege im Antrag keine Feststellungen getroffen. Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. a und b VwGG aufzuheben.
Die Kostentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Das Stempelgebührenaufwand betreffende Mehrbegehren war abzuweisen, weil der angefochtene Bescheid nur in einer Ausfertigung (oder Abschrift) vorzulegen war.
Schlagworte
Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung VerfahrensmangelEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1993180378.X00Im RIS seit
11.07.2001Zuletzt aktualisiert am
31.10.2009