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L34009 Abgabenordnung Wien;Norm
BAO §273 Abs1 litb;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Puck und Dr. Höfinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Eigelsberger, in der Beschwerdesache der L-Gesellschaft mbH in Wien, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in X, gegen die Abgabenberufungskommission der Bundeshauptstadt Wien wegen Verletzung der Entscheidungspflicht in Angelegenheit der Vorschreibung einer Pfändungsgebühr in einer Vergnügungssteuersache, den Beschluß gefaßt:
Spruch
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die beschwerdeführende Partei hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1.1. Der vorliegenden Säumnisbeschwerde ist die Ablichtung einer Berufung der beschwerdeführenden Partei vom 11. Juni 1990 angeschlossen, mit der der Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 6 - Rechnungsamt vom 10. Mai 1990, Zl. S 086586 über Pfändungsgebühren betreffend Vergnügungssteuer 2/90 bekämpft wird. Die Berufung ist an den "Magistrat der Stadt Wien,
Magistratsabteilung 6 - Rechnungsamt, Erhebungs- und Vollstreckungsdienst" adressiert.
1.2. In der Säumnisbeschwerde wird geltend gemacht, die Abgabenberufungskommission der Bundeshauptstadt Wien habe über diese Berufung bis zum Tag der Einbringung der Säumnisbeschwerde nicht entschieden.
1.3. Im Zuge des Vorverfahrens übermittelte der Verwaltungsgerichtshof der belangten Behörde auf deren Ersuchen eine Ausfertigung der oben genannten Berufung.
Mit Bescheid vom 21. Oktober 1993 wies der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 4, die Berufung der beschwerdeführenden Partei vom 11. Juni 1990 gegen den Bescheid der Magistratsabteilung 6 vom 10. Mai 1990 über die Vorschreibung einer Pfändungsgebühr von S 25,-- aus Anlaß einer Vollstreckung für einen Rückstand an Vergnügungssteuer von S 460,-- für Februar 1990 gemäß § 208 Abs. 1 lit. b WAO zurück. Nach der Begründung dieses Bescheides habe die Abgabenbehörde erster Instanz gemäß § 208 Abs. 1 lit. b WAO eine Berufung, die gegen einen von ihr erlassenen Bescheid eingebracht worden sei, durch Bescheid zurückzuweisen, wenn die Berufung nicht fristgerecht eingebracht worden sei. Der seinerzeitige Eingang der Berufung sei beim Magistrat nicht feststellbar. Dies sei der beschwerdeführenden Partei vorgehalten und ihr Gelegenheit geboten worden, innerhalb einer Woche den Nachweis dafür zu erbringen, daß die Berufung beim Magistrat eingelangt sei. Ein solcher Nachweis sei nicht erbracht worden. Es sei daher davon auszugehen, daß die Berufung seinerzeit im Jahr 1990 nicht eingebracht worden sei. Sie sei erst jetzt im Jahr 1993 bei der Behörde eingelangt, weil beim Verwaltungsgerichtshof eine Kopie beschafft worden sei. Die Berufung sei daher als verspätet zurückzuweisen gewesen.
1.4. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift.
Mit einem weiteren Schreiben vom 7. Dezember 1993 teilte die belangte Behörde mit, daß der Zurückweisungsbescheid vom 21. Oktober 1993 in Rechtskraft erwachsen sei.
2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 1 lit. a VwGG gebildeten Dreiersenat erwogen:
2.1. § 27 VwGG bestimmt:
"Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht (Säumnisbeschwerde) nach Art. 132 B-VG kann erst erhoben werden, wenn die oberste Behörde, die im Verwaltungsverfahren, sei es im Instanzenzug, sei es im Weg eines Antrages auf Übergang der Entscheidungspflicht, bzw. der unabhängige Verwaltungssenat, der nach Erschöpfung des Instanzenzuges, sei es durch Berufung oder im Weg eines Antrages auf Übergang der Entscheidungspflicht, angerufen werden konnte, von einer Partei angerufen worden ist und nicht binnen sechs Monaten in der Sache entschieden hat. Die Frist läuft von dem Tag, an dem der Antrag auf Sachentscheidung bei der Stelle eingelangt ist, bei der er einzubringen war."
Nach § 33 VwGG - diese Bestimmung ist auch auf Säumnisbeschwerden anzuwenden, und zwar dann, wenn der nachgeholte Bescheid nicht im Sinne des § 36 Abs. 2 VwGG innerhalb der Nachholungsfrist erlassen wird - ist dann, wenn in irgendeiner Lage des Verfahrens offenbar wird, daß der Beschwerdeführer klaglos gestellt wurde, nach dessen Einvernahme die Beschwerde in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluß als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen.
2.2. Die beschwerdeführende Partei behauptet die Verletzung der Pflicht der belangten Behörde zur Entscheidung über die Berufung vom 11. Juni 1990.
Vor Prüfung der Frage, ob die beschwerdeführende Partei im vorliegenden Verfahren über ihre am 2. Juli 1993 zur Post gegebene Säumnisbeschwerde durch den die Berufung zurückzuweisenden Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 21. Oktober 1993 klaglos gestellt wurde oder ob dadurch sonst Gegenstandslosigkeit des Säumnisbeschwerdeverfahrens eingetreten ist, ist zunächst die Zulässigkeit der Beschwerde zu untersuchen. Die Einstellung des Verfahrens wegen Klaglosstellung setzt nämlich die Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtshofbeschwerde voraus (vgl. den hg. Beschluß vom 18. Dezember 1992, Zl. 92/17/0222, unter Bezugnahme auf den hg. Beschluß eines verstärkten Senates vom 22. September 1981, Slg. NF Nr. 10.547/A = ZfVB 1982/5/1809, betreffend den diesbezüglich gleichartigen Fall einer Bescheidbeschwerde).
2.3. Eine der Voraussetzungen des § 27 VwGG ist, daß die oberste Behörde, die durch Berufung "angerufen werden konnte, von einer Partei angerufen worden ist" und nicht binnen sechs Monaten in der Sache entschieden hat. Ob nun in dem für die Beurteilung der Prozeßvoraussetzungen maßgeblichen Einbringungszeitpunkt der Säumnisbeschwerde die behauptete Berufung anhängig war, ist Gegenstand des Abspruches des Zurückweisungsbescheides des Magistrates vom 21. Oktober 1993. Dieser besagt nämlich, daß die "Berufung ... vom 11. Juni 1990" gemäß § 208 Abs. 1 lit. b WAO, das ist wegen Verspätung, zurückgewiesen wird. Wurde diese Berufung, die bei der belangten Behörde im Wege des Verwaltungsgerichtshofes (Ablichtung der Beilage der vorliegenden Säumnisbeschwerde) am 28. September 1993 eingelangt war, als verspätet zurückgewiesen, dann wird damit zugleich normativ ausgesprochen, daß die Eingabe bis zu diesem Zeitpunkt der Behörde eben nicht vorgelegen war und ihre Entscheidungspflicht nicht ausgelöst hat. Dies ergibt sich auch unzweifelhaft aus der oben wiedergegebenen Begründung des Zurückweisungsbescheides. Die gemäß § 27 VwGG entscheidende Frage, ob die belangte Behörde von der Partei (mehr als sechs Monate vor dem Einbringungszeitpunkt der Säumnisbeschwerde) angerufen worden ist, ist somit, solange dieser (rechtskräftige) Bescheid dem Rechtsbestand angehört, auch für den Verwaltungsgerichtshof bindend entschieden.
2.4. Aus diesen Erwägungen erweist sich die Säumnisbeschwerde mangels einer im Einbringungszeitpunkt anhängigen Berufung (naturgemäß ist in einem solchen Fall auch die Wartefrist nicht verstrichen) wegen des Fehlens der Berechtigung zu ihrer Erhebung als unzulässig.
Die Beschwerde war infolgedessen gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung durch Beschluß zurückzuweisen.
2.5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 sowie 51 VwGG in Verbindung mit Art. I Z. 4 und 5 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.
2.6. Von der Durchführung der beantragten öffentlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 1 VwGG abgesehen werden.
2.7. Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 und 7 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
Schlagworte
Binnen 6 Monaten Säumnisbeschwerde Verletzung der Entscheidungspflicht Diverses Zurückweisung - EinstellungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1993170206.X00Im RIS seit
11.07.2001