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L37153 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
AVG §8;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Hauer und die Hofräte Dr. Degischer, Dr. Giendl, Dr. Kail und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gritsch, über die Beschwerde des L in O, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 11. August 1993, Zl. R/1-V-92009/02, betreffend eine Bauangelegenheit (mitbeteiligte Parteien: 1) H in O,
2) Marktgemeinde Leobendorf, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem am 8. November 1990 bei der mitbeteiligten Marktgemeinde eingelangten Schriftsatz (ohne Datum) ersuchte der Beschwerdeführer "den Herrn Bürgermeister ..., daß er für die Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes betreffend die Einfriedung" der Erstmitbeteiligten "auf dem ihr gehörigen Grundstück nn1, an der Grenze zum Grundstück nn2 der Gemeinde Leobendorf, ... sorgt".
Da der Bürgermeister der mitbeteiligten Marktgemeinde diese Eingabe des Beschwerdeführers in der Folge nicht zum Anlaß einer bescheidmäßigen Erledigung nahm, stellte der Beschwerdeführer mit dem am 20. Juni 1991 bei der mitbeteiligten Marktgemeinde eingelangten Schriftsatz vom 19. Juni 1991 einen Antrag auf Übergang der Entscheidungspflicht, worauf der Erstmitbeteiligten als Grundeigentümerin mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 23. Dezember 1991 der baupolizeiliche Auftrag "zum Abbruch der errichteten Einfriedung zum Grundstück nn2 - B-Gasse" erteilt worden ist. In der Begründung dieses Bescheides wurde ausgeführt, es sei "im Zuge eines Devolutionsantrages und nach vorliegenden Unterlagen" festgestellt worden, daß für das Bauvorhaben keine baubehördliche Bewilligung vorliege und eine nachträgliche Antragstellung erst nach Vorliegen eines Grundabteilungsplanes nach den Bestimmungen der Bauordnung für Niederösterreich "bewilligt" werden könnte.
Ferner erließ der Gemeinderat der mitbeteiligten Marktgemeinde einen weiteren, ebenfalls mit 23. Dezember 1991 datierten Bescheid, dessen Spruch nachstehenden Wortlaut hat:
"Auf Grund des Devolutionsantrages ... v. 19. 06. 1991 ... hat der Gemeinderat als Baubehörde I. Instanz in seiner Sitzung
v. 03. 10. 1991 dem Antrag des Einschreiters zugestimmt, wonach Frau H ob des Grundstückes nn1 zur Stellung eines Ansuchens um Baubewilligung zu veranlassen ist und im Rahmen des Verfahrens über dieses Ansuchen, insbesonders die Bestimmungen über die Verpflichtung des Grundeigentümers zur Grundabtretung, um die erforderlichen Straßenbreiten gem. rechtskräftigem Flächenwidmungsplan zu erreichen. Im besonderen sind der § 13 Abs. 1 d. NÖ BauO oder ein baupolizeilicher Auftrag zur Abtretung der konsenslosen Einfriedung zu erteilen."
Der erstgenannte Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Marktgemeinde wurde mit Bescheid der NÖ Landesregierung vom 10. März 1992 auf Grund der Vorstellung der Erstmitbeteiligten aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeinderat zurückverwiesen.
In der Begründung ihres Bescheides führte die Aufsichtsbehörde abschließend aus, daß der Gemeinderat im fortgesetzten Verfahren zu prüfen haben werde, ob der Beschwerdeführer durch die straßenseitige Einfriedung des seitlichen Nachbargrundstückes in seinen subjektiv-öffentlichen Rechten im Sinne des § 118 Abs. 8 und 9 der NÖ Bauordnung 1976 verletzt werde, ob für die bestehende Einfriedung eine Baubewilligung erteilt worden sei oder eine solche im Sinne der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu vermuten sei, und ob verneinendenfalls eine nachträgliche Baubewilligung im Falle einer Antragstellung erteilt werden könnte.
Der zweite erwähnte Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Marktgemeinde wurde auf Grund der Vorstellung der Erstmitbeteiligten mit einem weiteren Bescheid der NÖ Landesregierung, ebenfalls datiert mit 10. März 1992, gleichfalls aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeinderat zurückverwiesen.
Im Zusammenhang mit dem vorliegenden Antrag des Beschwerdeführers vertrat die Aufsichtsbehörde in der Begründung dieses Bescheides die Auffassung, daß hinsichtlich dieses Antrages nur folgende Entscheidungsmöglichkeiten in bezug auf die Einfriedung des Grundstückes der Erstmitbeteiligten in der derzeit bestehenden Form und Lage denkbar seien: a) Zurückweisung des Antrages des Beschwerdeführers mangels Parteistellung im Sinne des § 118 Abs. 8 und 9 der NÖ Bauordnung 1976; b) Abweisung des Antrages mangels Verletzung von subjektiv-öffentlichen Anrainerrechten im Sinne dieser Bestimmung durch die in Rede stehende Einfriedung; c) Erlassung eines Demolierungsauftrages für die gegenständliche Einfriedung auf Grund des Antrages des Beschwerdeführers bei Zutreffen der Voraussetzungen des § 113 Abs. 2 Z. 3 lit. a der NÖ Bauordnung 1976 und Verletzung von subjektiv-öffentlichen Anrainerrechten des Beschwerdeführers im Sinne des § 118 Abs. 8 und 9 leg. cit. durch diese Einfriedung.
Auf Grund dieser aufsichtsbehördlichen Entscheidungen, welche nach der Aktenlage bei keinem der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts bekämpft worden sind, erging sodann der Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 23. Juli 1992, dessen Spruch zufolge "der Gemeinderat ... in seiner Sitzung vom 30. 06. 1992 den Beschluß gefaßt hat", den "Antrag" des Beschwerdeführers "nunmehr zurückzuweisen". Der Gemeinderat begründete diese Entscheidung im wesentlichen damit, daß durch die in Rede stehende straßenseitige Einfriedung "der Anrainer des seitlichen Nachbargrundstückes" nicht in seinen subjektiv-öffentlichen Rechten im Sinne des § 118 Abs. 8 und 9 der NÖ Bauordnung 1976 verletzt werde.
Die gegen diesen Bescheid eingebrachte Vorstellung des Beschwerdeführers wurde mit Bescheid der NÖ Landesregierung vom 11. August 1993 gemäß § 61 Abs. 4 der NÖ Gemeindeordnung 1973 als unbegründet abgewiesen.
Auch die Aufsichtsbehörde vertrat entsprechend der Begründung ihres Bescheides die Auffassung, daß sich der Beschwerdeführer als Eigentümer eines seitlich anrainenden Grundstückes nicht auf das aus § 118 Abs. 9 Z. 4 der NÖ Bauordnung 1976 ableitbare subjektiv-öffentliche Recht auf Einhaltung der Bestimmungen über die Abstände der Fluchtlinien zur Erzielung einer ausreichenden Belichtung berufen könne. Selbst durch den konsenslosen Bestand einer Einfriedung an der Bachgasse könnte ein subjektiv-öffentliches Recht des seitlichen Anrainers nicht verletzt werden.
Über die gegen diesen Bescheid eingebrachte Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Wie der Gerichtshof zuletzt in seinem Erkenntnis vom 16. November 1993, Zl. 92/05/0303, unter Berufung auf seine ständige Vorjudikatur ausgeführt hat, steht dem Anrainer auf die Erlassung eines baupolizeilichen Auftrages nach § 113 der NÖ Bauordnung 1976 ein Rechtsanspruch zu, wenn seine subjektiv-öffentlichen Rechte berührt werden.
Auf Grund des in der Sachverhaltsdarstellung erwähnten, am 8. November 1990 bei der Baubehörde erster Instanz eingelangten Antrages des Beschwerdeführers wäre daher nach Maßgabe des § 113 Abs. 2 Z. 3 der NÖ Bauordnung 1976 unter der Voraussetzung ein Beseitigungsauftrag zu erlassen gewesen, daß die vom Beschwerdeführer beanstandete Einfriedung auf dem Grundstück der Erstmitbeteiligten seine im § 118 Abs. 9 leg. cit. umschriebenen subjektiv-öffentlichen Nachbarrechte berührt.
Gemäß dieser Bestimmung der Bauordnung werden subjektiv-öffentliche Rechte der Anrainer durch jene Vorschriften begründet, welche nicht nur den öffentlichen Interessen dienen, sondern im Hinblick auf die räumliche Nähe auch dem Anrainer. Hiezu gehören insbesondere die Bestimmungen über 1. den Brandschutz; 2. den Schutz vor anderen Gefahren, die sich auf die Anrainergrundstücke ausdehnen können; 3. die sanitären Rücksichten wegen ihres Einflusses auf die Umgebung;
4. die Bebauungsweise, die Bebauungshöhe und die Abstände der Fluchtlinien zur Erzielung einer ausreichenden Belichtung.
Dem Beschwerdeführer ist durchaus zuzustimmen, daß die subjektiv-öffentlichen Anrainerrechte "so weit gehen, als die schädlichen Einflüsse, die von einem Bauwerk ausgehen, wirken", doch kann die wiedergegebene baurechtliche Bestimmung nicht so verstanden werden, daß jeder Nachteil, der für einen Anrainer durch eine bestimmte bauliche Anlage entsteht, von diesem zum Anlaß eines von der Baubehörde meritorisch zu erledigenden Antrages auf Erlassung eines baupolizeilichen Auftrages gemacht werden darf. "Schädliche Einflüsse" können daher im Geltungsbereich des § 118 Abs. 9 leg. cit. nur solche sein, die sich im Zusammenhang mit den in den Z. 1. bis 4. dieser Gesetzesstelle genannten Belangen ergeben können. Unter dem Gesichtspunkt der Z. 4. dieser Gesetzesstelle berührt die auf der Liegenschaft der Erstmitbeteiligten befindliche Einfriedung schon deshalb keine Anrainerrechte des Beschwerdeführers, weil sich zwischen der Liegenschaft des Beschwerdeführers und jener der Erstmitbeteiligten eine Verkehrsfläche befindet. Im übrigen kann, wie die in den Verwaltungsakten erliegenden Lichtbilder einwandfrei erkennen lassen, wegen der an der nächstgelegenen Grenze der Liegenschaft des Beschwerdeführers befindlichen, annähernd gleichhohen Einfriedungsmauer die Belichtung dieser Liegenschaft des Beschwerdeführers nicht beeinträchtigt werden. Der Beschwerdeführer kann daher schon aus diesem Grunde mit seinem Hinweis auf die hg. Erkenntnisse vom 6. März 1957, Slg. Nr. 4298/A, vom 5. September 1966, Slg. Nr. 6977/A, und vom 30. September 1986, Zl. 84/05/0223 (BauSlg. Nr. 765), für seinen Standpunkt nichts gewinnen, weil diesen Entscheidungen ein in dieser Hinsicht anderer Sachverhalt zugrunde gelegen war.
Ob die Einfriedung der Erstmitbeteiligten auf einer Verkehrsfläche und sohin widmungswidrig errichtet worden ist, kann im gegebenen Zusammenhang dahingestellt bleiben, weil der Anrainer nicht schlechthin ein subjektiv-öffentliches Recht auf die Einhaltung einzelner Widmungskategorien eines Flächenwidmungsplanes besitzt, sondern aus einer bestimmten Widmungskategorie nur dann derartige Rechte ableiten kann, wenn diese einen Immissionsschutz gewährleistet (vgl. dazu Hauer, Der Nachbar im Baurecht, 3. Auflage, S. 186). Davon kann aber im Falle einer Widmung als Verkehrsfläche im Sinne des § 18 des NÖ Raumordnungsgesetzes nicht die Rede sein.
Aus dem Wortlaut des § 118 Abs. 9 der NÖ Bauordnung 1976 läßt sich ungeachtet der demonstrativen Umschreibung der die Anrainerrechte begründenden Bestimmungen kein Anhaltspunkt dafür gewinnen, daß der vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Umstand, wonach die verkehrsmäßige Erschließung seiner Liegenschaft ohne die Entfernung der Einfriedung der Erstmitbeteiligten zumindest wesentlich erschwert ist, im Sinne dieser Vorschrift seine subjektiv-öffentlichen Rechte berührt und daher einen Rechtsanspruch auf Erlassung eines baupolizeilichen Entfernungsauftrages bezüglich dieser Einfriedung zu begründen vermag. Daß diese Erwägungen des Beschwerdeführers nicht Gegenstand subjektiv-öffentlicher Nachbarrechte sein können, geht im übrigen u.a. auch aus dem in der Begründung des angefochtenen Bescheides zitierten hg. Erkenntnis vom 21. September 1982, Zlen. 82/05/0072, 0073 (wiedergegeben in Hauer-Zaussinger, NÖ Bauordnung, 4. Auflage, S. 145, ENr. 7), hervor, wonach ein Vorbringen, die Verbindung des Bauplatzes mit dem öffentlichen Verkehrsnetz entspreche nicht dem Gesetz, weil der Weg zu schmal sei, kein subjektiv-öffentliches Nachbarrecht zu begründen vermöge.
Die Frage einer "weitgehenden Entwertung" der Liegenschaft des Beschwerdeführers ist im vorliegenden Zusammenhang rechtlich unerheblich, weil § 118 Abs. 9 der NÖ Bauordnung 1976 auf die Verletzung subjektiv-ÖFFENTLICHER Rechte des Anrainers, also nicht auf die allfällige Verletzung von dessen Privatrechten abstellt.
Zusammenfassend ist daher davon auszugehen, daß der Gemeinderat der mitbeteiligten Marktgemeinde den Antrag des Beschwerdeführers auf Erlassung eines Abtragungsauftrages zu Recht zurückgewiesen hat, weshalb die belangte Behörde durch die Abweisung der Vorstellung des Beschwerdeführers seine Rechte nicht verletzt hat. Die sohin unbegründete Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Es soll allerdings nicht unerwähnt bleiben, daß die Zurückweisung des in Rede stehenden Antrages des Beschwerdeführers nichts daran zu ändern vermag, daß die Baubehörde von Amts wegen gemäß § 113 Abs. 2 der NÖ Bauordnung 1976 die Entfernung der in Rede stehenden Einfriedung anzuordnen HAT, wenn die Voraussetzungen der Z. 3 dieser Gesetzesstelle gegeben sind, weshalb ungeachtet der vorliegenden Entscheidung in Fortsetzung des den Gegenstand des aufsichtsbehördlichen Bescheides vom 10. März 1992, mit welchem der Entfernungsauftrag des Gemeinderates vom 23. Dezember 1991 aufgehoben worden ist, bildenden Verfahrens allenfalls neuerlich ein entsprechender Entfernungsauftrag zu erlassen sein wird.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
Schlagworte
Baurecht Baubefehl Polizeibefehl baupolizeilicher AuftragEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1993050222.X00Im RIS seit
11.07.2001Zuletzt aktualisiert am
07.08.2009