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L5 KulturrechtNorm
B-VG Art139 Abs1 / IndividualantragLeitsatz
Zurückweisung einer Beschwerde gegen einen dem Berufungsbegehren im Ergebnis Rechnung tragenden Bescheid betreffend landwirtschaftliche Intensivnutzung von Grundstücken; keine normative Wirkung einer im angefochtenen Bescheid enthaltenen "Anmerkung" mit Hinweisen auf die neue Rechtslage; Zurückweisung des Individualantrags auf Aufhebung von Teilen der Verordnung über die Erhaltung von Streuewiesen im Rheintal und im Walgau mangels Legitimation; Zumutbarkeit der Erwirkung einer AusnahmebewilligungSpruch
I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
1.1. Die Beschwerdeführerin stellte an die Bezirkshauptmannschaft Feldkirch den Antrag, ihr eine Ausnahmebewilligung für die "Intensivnutzung" mehrerer Grundstücke zu erteilen, die in ihrem Eigentum stehen. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch vom 12. April 1990, Z II-2357/89, wurde dieser Antrag hinsichtlich zweier Grundstücke abgewiesen. Die Bezirkshauptmannschaft qualifizierte die Grundstücke als "Flachmoore" im Sinn des §5 des Gesetzes über den Schutz und die Pflege der Vorarlberger Landschaft, LGBl. 1/1982 (LSchG), und versagte die für eine intensive landwirtschaftliche Nutzung erforderliche Bewilligung gemäß §4 Abs2 iVm §5 LSchG. Für andere Grundstücke wurde die Bewilligung erteilt.
Die Beschwerdeführerin berief gegen den abweisenden Teil des Bescheides. Mit Bescheid vom 19. Dezember 1990, Z IVe-223/172, gab die Vorarlberger Landesregierung der Berufung gemäß §66 Abs4 AVG Folge, hob den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch in seinem abweisenden Teil auf und stellte das Verfahren nach dem LSchG ein. Sie begründete dies damit, daß es sich bei den Grundstücken, auf die sich der Antrag bezog, um Riede handle, daß der Schutz des §5 LSchG aber nur "Flachmooren mit Ausnahme der Riede" zukomme, sodaß eine Bewilligung nach dem LSchG gar nicht erforderlich sei. In einer "Anmerkung", die optisch von der Begründung des Bescheides abgehoben ist, führte die Berufungsbehörde aus, seit 23. November 1990 sei die Verordnung über die Erhaltung von Streuewiesen im Rheintal und im Walgau, LGBl. 40/1990 (in der Folge: StreuewiesenV), in Kraft. Diese Verordnung erfasse laut ihrer Anlage auch jene Grundstücke, für welche die Bewilligung nach dem LSchG versagt worden war. Sodann heißt es in der "Anmerkung": "Dies bedeutet, daß gemäß §2 Abs3 dieser Verordnung diese Grundparzellen in herkömmlicher Weise zu pflegen und als Streuewiesen zu nutzen sind. Für eine intensive landwirtschaftliche Nutzung wäre eine Ausnahmebewilligung nach §3 dieser Verordnung erforderlich."
1.2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf ein Verfahren vor einem unabhängigen und unparteiischen Gericht (Art6 EMRK) geltend gemacht wird. Die Beschwerdeführerin behauptet weiters, durch Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung, nämlich der StreuewiesenV, in ihren Rechten verletzt zu sein. "Vorsichtshalber" stellt sie den (Individual-)Antrag "auf Aufhebung der StreuewiesenV . . . , soweit diese die beiden verfahrensgegenständlichen Grundstücke der Beschwerdeführerin betrifft".
2. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:
2.1. Zur Beschwerde:
2.1.1. Die Beschwerdeführerin beantragte in ihrer Berufung, "den Erstbescheid dahingehend abzuändern, daß dem Antrag (: auf Bewilligung der Intensivnutzung) vollinhaltlich stattgegeben" werde. Mit dem angefochtenen Berufungsbescheid wurde diesem Antrag zwar nicht formell, aber der Sache nach entsprochen, weil sich aus der Begründung ergibt, daß die angestrebte Intensivnutzung gar keiner Bewilligung nach dem LSchG bedarf. Ein Bescheid, der dem Berufungsbegehren im Ergebnis voll Rechnung trägt, greift aber nicht in subjektive Rechte ein (VfSlg. 9686/1983, 9863/1983, 10.015/1984, 10.087/1984, 10.776/1986).
Die Beschwerdeführerin meint jedoch, in der "Anmerkung" des angefochtenen Bescheides werde normativ ausgesprochen, daß diese Grundstücke in herkömmlicher Weise zu pflegen und als Streuewiese zu nützen seien. Damit will sie offenbar dartun, daß der Bescheid insoweit ein Feststellungsbescheid sei und ihre Rechte verletze. Sie weist weiters darauf hin, daß die StreuewiesenV die "Rechtsnachfolgerin des 'Flachmoortatbestandes'" in §5 LSchG sei, und meint, daß die Berufung daher nach dieser Verordnung inhaltlich zu behandeln gewesen wäre.
2.1.2. Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden. Die StreuewiesenV wurde auf Grund der §§4, 8 Abs2, §9 Abs2, §§11 und 12 Abs2 des Naturschutzgesetzes, LGBl. 36/1969, erlassen. In §1 dieser Verordnung werden die geschützten Grundstücke durch Verweis auf eine zeichnerische Darstellung des Amtes der Vorarlberger Landesregierung und auf das Grundstücksverzeichnis der Anlage aufgezählt. Sie sind als Streuewiesen zu erhalten. §2 der Verordnung nennt im einzelnen die Verbote, Schutz- und Pflegemaßnahmen, §3 ermöglicht eine Ausnahmebewilligung. §4 befristet die Geltungsdauer der Verordnung. In der Anlage (inzwischen novelliert durch die Verordnung LGBl. 6/1991) zur StreuewiesenV werden auch jene beiden Grundstücke angeführt, die Gegenstand des Berufungsverfahrens waren.
Ob diese Grundstücke unter die StreuewiesenV fallen, ob sie in herkömmlicher Weise zu pflegen und als Streuewiesen zu nutzen sind und ob für eine intensive landwirtschaftliche Nutzung eine Ausnahmebewilligung erforderlich ist, richtet sich nach der StreuewiesenV. Die von der Beschwerdeführerin herausgestellte "Anmerkung" zum Bescheid, die den schon erwähnten Inhalt hat, entfaltet keine normative Wirkung; sie ist als bloßer - belehrender - Hinweis auf die neue Rechtslage aufzufassen und soll einem unwissentlichen Verstoß gegen diese Normen vorbeugen. Das ergibt sich schon aus der optischen Gestaltung des Bescheides, der in Spruch, Begründung, Anmerkung, Rechtsmittelbelehrung und Hinweis gegliedert ist, sowie aus dem Sinngehalt des Wortes "Anmerkung". Die Berufungsbehörde wollte, indem sie diesen Teil des Bescheides so bezeichnete, offenbar gerade klarstellen, daß er keine normative Wirkung habe.
2.1.3. Die Beschwerde war daher wegen Mangels der Legitimation zurückzuweisen.
2.2. Zum Individualantrag:
2.2.1. Gemäß Art139 Abs1 letzter Satz B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen auch auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Gesetzwidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern die Verordnung ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist. Dazu nahm der Gerichtshof seit seinen Beschlüssen VfSlg. 8009/1977 (der zur vergleichbaren Rechtslage nach Art140 B-VG erging) und 8058/1977 in ständiger Rechtsprechung den Standpunkt ein, die Antragslegitimation nach Art139 Abs1 B-VG setze voraus, daß durch die bekämpfte Bestimmung die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt werden, der durch Art139 Abs1 B-VG dem einzelnen eingeräumte Rechtsbehelf sei dazu bestimmt, Rechtsschutz gegen rechtswidrige Verordnungen nur insoweit zu gewähren, als ein anderer zumutbarer Weg hiefür nicht zur Verfügung steht (zB VfSlg. 10.511/1985 zu Art140 B-VG, 11.726/1988).
2.2.2. Gemäß §3 Abs1 der StreuewiesenV können von den Verboten des §2 auf Antrag oder von Amts wegen Ausnahmen bewilligt werden. Der Antragstellerin bleibt es unbenommen, bei der zuständigen Behörde eine solche Ausnahmebewilligung zu beantragen (vgl. zur Rechtslage bei Art140 B-VG VfSlg. 8009/1977). Damit steht ihr ein anderer zumutbarer Weg zur Geltendmachung der von ihr behaupteten Gesetzwidrigkeit (und zwar letzten Endes in einer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof) zur Verfügung.
Der (Individual-)Antrag war daher mangels Legitimation der Antragstellerin zurückzuweisen, ohne daß geprüft werden mußte, ob die übrigen Prozeßvoraussetzungen gegeben sind.
2.3. Diese Beschlüsse konnten gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG 1953 ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gefaßt werden.
Schlagworte
VfGH / Legitimation, Naturschutz, Landschaftsschutz, Eingriffe verbotene (Naturschutz), Bescheidbegriff, VfGH / IndividualantragEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1991:B184.1991Dokumentnummer
JFT_10089070_91B00184_2_00