TE Vwgh Erkenntnis 1994/2/15 93/05/0270

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Veröffentlicht am 15.02.1994
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Index

L37154 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Oberösterreich;
L81704 Baulärm Umgebungslärm Oberösterreich;
L82004 Bauordnung Oberösterreich;
L82304 Abwasser Kanalisation Oberösterreich;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/10 Grundrechte;
19/05 Menschenrechte;
22/01 Jurisdiktionsnorm;

Norm

BauO OÖ 1976 §13 Abs7;
BauO OÖ 1976 §18 Abs6;
BauO OÖ 1976 §18 Abs8 litc;
B-VG Art83 Abs2;
B-VG Art94;
JN §1;
MRK Art6 Abs1;
MRKZP 01te Art1;
StGG Art5;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Hauer und die Hofräte Dr. Degischer, Dr. Giendl, Dr. Kail und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gritsch, über die Beschwerde des J in L, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 29. Mai 1992, Zl. BauR-020189/1-1992 Ru/Vi, betreffend Entschädigung gemäß § 18 Abs. 6 der O.ö. Bauordnung 1976, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Das Land Oberösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.330,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Magistrates der Landeshauptstadt Linz als Bezirksverwaltungsbehörde vom 5. Juli 1991 wurde der Antrag des Beschwerdeführers "vom 6. 9. 1990 in der Fassung vom 10. 12. 1990 auf Leistung einer Entschädigung für die anläßlich der Erteilung der Bauplatzbewilligung für das Grundstück Nr. 908/11, KG X, mit Bescheid des Magistrates Linz, Baurechtsamt, vom 16. 11. 1973, GZ 601/Gr, vorgeschriebene Abtretung der Grundstücke Nr. 908/12 und 900/1 dieses Grundbuches in das öffentliche Gut der Stadt Linz in der Höhe von S 482.650,--" unter Berufung u.a. auf § 18 Abs. 6 der O.ö. Bauordnung 1976 als unzulässig zurückgewiesen.

Entsprechend der Begründung dieses Bescheides habe das Ermittlungsverfahren ergeben, daß der Bauplatz Grundstück Nr. 908/11 in der Zwischenzeit in die Grundstücke Nr. 908/11, 908/18 und 908/19 geteilt worden, der Beschwerdeführer aber nicht mehr Eigentümer dieser Grundstücke sei. Im vorliegenden Fall komme daher nicht mehr ihm, sondern seinen Rechtsnachfolgern Parteistellung zu, was sowohl die damals als auch heute anzuwendenden gesetzlichen Bestimmungen, wonach Anlaßfall für eine Grundabtretung jeweils die Erteilung der Bauplatzbewilligung für ein bestimmtes Grundstück sei, verdeutlichten. Dies bedeute also, daß aus dem Grundstück, um es als Bauplatz bewilligen zu können, nach Maßgabe der Straßenfluchtlinie des geltenden Bebauungsplanes Grundflächen abzutreten seien. Folgerichtig könnten sich die im Zuge einer Änderung des Bebauungsplanes ergebenden Verfahren nur an den jeweiligen Eigentümer des Bauplatzes richten.

Mit Bescheid der O.ö. Landesregierung vom 29. Mai 1992 wurde die dagegen gerichtete Berufung des Beschwerdeführers als unbegründet abgewiesen. Auch die Berufungsbehörde vertrat zusammenfassend die Auffassung, daß dem Beschwerdeführer im Verfahren nach § 18 Abs. 6 der O.ö. Bauordnung 1976 keine Parteistellung zukomme.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof.

Im Zuge der Beratung über diese Beschwerde entstanden Bedenken, ob über die in Rede stehende im Lichte des Art. 6 Abs. 1 MRK zu Recht die belangte O.ö. Landesregierung in zweiter und damit letzter Instanz entschieden hat. Der Verwaltungsgerichtshof stellte daher an den Verfassungsgerichtshof mit Beschluß vom 10. November 1992, Zl. A 44/92-1, gemäß Art. 140 Abs. 1 B-VG den Antrag, § 18 Abs. 6 der O.ö. Bauordnung, LGBl. Nr. 35/1976 in der Fassung LGBl. Nr. 82/1983, in eventu § 66 Abs. 2 leg. cit. als verfassungswidrig aufzuheben.

Dieser Antrag wurde mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 13. Oktober 1993, Zl. G 235/92-7, abgewiesen, wobei der Gerichtshof zusammenfassend die Auffassung vertrat, daß "die vom Verwaltungsgerichtshof kritisierte Verfassungswidrigkeit - sollte sie bestehen - nicht in den angefochtenen Bestimmungen ihren Sitz hat, sich insbesondere nicht aus diesen Vorschriften implizit ergibt und die bekämpften Gesetzesstellen als solche ...

verfassungsrechtlich unbedenklich sind". Im übrigen verwies der Verfassungsgerichtshof abschließend auf "die zu ähnlichen Vorschriften in verfassungskonformer Interpretation ergangene Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (s. die Beschlüsse vom 19. März 1990, Zl. 89/10/0181, und vom 23. Oktober 1991, Zl. 91/06/0170, s. hier auch § 18 Abs. 8 in Verbindung mit § 13 Abs. 7 O.ö. BauO)...".

Der Verwaltungsgerichtshof hat - gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG unter Abstandnahme von der beantragten mündlichen Verhandlung - erwogen:

Die im Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen der O.ö. Bauordnung 1976 in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 82/1983 haben nachstehenden Wortlaut:

"§ 18

.....

(6) Mußten für eine im Bebauungsplan ausgewiesene öffentliche Verkehrsfläche bei zunächst einseitiger Bebaubarkeit Grundflächen über die Achse der Verkehrsfläche hinaus abgetreten werden und werden die an eine solche Verkehrsfläche angrenzenden Grundstücke infolge einer Änderung des Bebauungsplanes beidseitig bebaubar, so hat die Gemeinde dem früheren Grundeigentümer bzw. dessen Rechtsnachfolger für jene Grundflächen, die über die Achse der Verkehrsfläche hinaus ohne Entschädigung abgetreten werden mußten, Entschädigung zu leisten. Die Entschädigung hat den Verkehrswert der Grundflächen zur Zeit des Wirksamwerdens des geänderten Bebauungsplanes zu umfassen und wird mit Wirksamwerden des geänderten Bebauungsplanes fällig.

.....

(8) Die Baubehörde hat

.....

c) eine gemäß Abs. 5 oder 6 gebührende Entschädigung auf Antrag des früheren Grundeigentümers bzw. dessen Rechtsnachfolgers mit Bescheid festzusetzen. Die Abs. 5 bis 7 des § 13 und die Abs. 1 bis 6 des § 17 gelten sinngemäß.

§ 13

.....

(7) Gegen die Festsetzung der Höhe des Entschädigungsbetrages und gegen die Entscheidung, in welcher Höhe eine Naturalleistung auf die Entschädigung anzurechnen ist (§ 17 Abs. 7), ist ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig. Jede Partei kann jedoch binnen sechs Monaten nach dem Eintritt der Rechtskraft des Enteignungsbescheides die Festsetzung der Höhe des Entschädigungsbetrages, im Fall der Festsetzung einer Naturalentschädigung auch die Entscheidung, in welcher Höhe die Naturalleistung auf die Entschädigung anzurechnen ist, im Verfahren außer Streitsachen bei jenem Bezirksgericht begehren, in dessen Sprengel sich der Gegenstand der Enteignung befindet. Der Enteignungsbescheid tritt hinsichtlich des Ausspruches über die Höhe des Entschädigungsbetrages bzw. hinsichtlich des Ausspruches, in welcher Höhe die Naturalleistung auf die Entschädigung anzurechnen ist, mit Anrufung des Gerichtes außer Kraft. Der Antrag an das Gericht kann nur mit Zustimmung des Antragsgegners zurückgezogen werden; in diesem Fall gilt, sofern keine andere Vereinbarung getroffen wurde, die im Enteignungsbescheid festgesetzte Höhe des Entschädigungsbetrages bzw. Höhe der Anrechnung der Naturalleistung auf die Entschädigung als vereinbart.

....."

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem zu der dem § 13 Abs. 7 der O.ö. Bauordnung 1976 ähnlichen Regelung des § 20 Abs. 4 des Salzburger Raumordnungsgesetzes 1977, LGBl. Nr. 26 in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 87/1982, ergangenen Beschluß vom 23. Oktober 1991, Zl. 91/06/0170, unter Berufung auf seine Vorjudikatur ausgeführt hat, ist in Fragen der Bemessung der Entschädigung gemäß § 20 Abs. 4 ROG 1977 der Rechtsschutz den ordentlichen Gerichten übertragen, sodaß in der Frage der Bemessung der Entschädigung die Anrufung des ordentlichen Gerichtes gegen die Entscheidung der Verwaltungsbehörde (im Rahmen der sogenannten "sukzessiven Kompetenz") unabhängig davon zulässig ist, ob über eine Entschädigung "dem Grunde nach" (im Sinne von abweislich) oder "der Höhe nach" (also zumindest einen Teil des Anspruches zuerkennend) abgesprochen worden ist. Die von der Behörde erster Instanz ausgesprochene Zurückweisung des Entschädigungsbegehrens des Beschwerdeführers läuft im Ergebnis darauf hinaus, daß ihm eine Entschädigung verweigert worden ist, weshalb auf Grund der zufolge § 18 Abs. 8 der

O.ö. Bauordnung 1976 sinngemäß anzuwendenden Vorschrift des § 13 Abs. 7 leg. cit. davon auszugehen ist, daß auch im Beschwerdefall gegen die Entscheidung der Verwaltungsbehörde das ordentliche Gericht angerufen werden kann. Da jedoch gegen die (erstinstanzliche) Entscheidung zufolge § 13 Abs. 7 leg. cit. "ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig ist", wäre die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Magistrates der Landeshauptstadt Linz als Bezirksverwaltungsbehörde vom 5. Juli 1991 gemäß § 66 Abs. 4 AVG als unzulässig ZURÜCKzuweisen gewesen, weshalb die belangte Behörde nicht dafür zuständig war, das Rechtsmittel des Beschwerdeführers als unbegründet ABzuweisen. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1993050270.X00

Im RIS seit

11.07.2001

Zuletzt aktualisiert am

07.08.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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