Index
10 VerfassungsrechtNorm
B-VG Art144 Abs1 / AnhaltungLeitsatz
Keine auf Einschränkung der Bewegungsfreiheit gerichtete Amtshandlung durch Festhalten des Bf zur Personsdurchsuchung hinsichtlich einer Waffe; keine Verletzung in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten durch Verhalten des Bf, sich mit gespreizten Beinen an die Wand zu stellen, sowie anschließende Durchsuchung nach einer WaffeSpruch
1. Der Beschwerdeführer ist dadurch, daß er am 19. Mai 1990 vor der Wohnungstür Nr. 5 in 1190 Wien, Solingergasse 1, von Organen der Bundespolizeidirektion Wien dazu verhalten wurde, sich mit gespreizten Beinen an die Wand zu stellen sowie dadurch, daß er sodann von einem der Beamten nach einer Waffe durchsucht wurde, weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.
2. Die Beschwerde wird abgewiesen.
3. Der Beschwerdeführer ist schuldig, dem Bund (zu Handen der Finanzprokuratur) die mit S 50.000,-- festgesetzten Kosten des Verfahrens binnen 14 Tagen bei sonstigem Zwang zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. In der Beschwerde wird ausgeführt, daß sich der Beschwerdeführer am Morgen des 19. Mai 1990 zur Wohnung seiner geschiedenen Ehefrau begeben habe, um von dort seine eheliche Tochter zwecks Ausübung des ihm im Rahmen eines gerichtlichen Vergleichs zugestandenen Besuchsrechtes abzuholen. Der Beschwerdeführer behauptet, er habe bei diesem Vorhaben weder Gewalt angewendet noch ungestümes Verhalten an den Tag gelegt, trotzdem seien um etwa 9.30 Uhr mehrere Sicherheitswachebeamte erschienen, seien in Richtung des im Stiegenhaus vor der Wohnung seiner geschiedenen Ehefrau wartenden Beschwerdeführers gestürmt und hätten auf diesen eine entsicherte Handfeuerwaffe angehalten. In der Folge hätten die Beamten angeordnet, der Beschwerdeführer solle sich mit gespreizten Beinen an die Wand stellen, hätten ihn in dieser Position nach Waffen durchsucht und erst nach der Feststellung, daß er keine Waffen bei sich trug, von ihm abgelassen.
Der Beschwerdeführer hätte versucht, von den amtshandelnden Organen die Gründe für diese Behandlung zu erfahren, er habe von den Beamten jedoch keine Antwort erhalten.
In dem Vorgehen der Organe der Bundespolizeidirektion Wien erblickt der Beschwerdeführer einen Verstoß gegen die verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf persönliche Freiheit und auf Freizügigkeit der Person und beantragt, der Verfassungsgerichtshof möge erkennen, daß der Beschwerdeführer durch diese Handlungen der Organe der Bundespolizeidirektion Wien in den genannten Rechten verletzt worden sei.
2. Die - durch die Finanzprokuratur vertretene - Bundespolizeidirektion Wien legte als belangte Behörde den Administrativakt vor und stellte in der Gegenschrift den Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
3. Zur Klärung des Sachverhaltes wurden im Rechtshilfeweg die einschreitenden Beamten der Bundespolizeidirektion Wien, die geschiedene Ehegattin des Beschwerdeführers, eine Hausbewohnerin sowie eine Bekannte der geschiedenen Gattin des Beschwerdeführers, die ebenfalls beim inkriminierten Vorfall anwesend war, als Zeugen einvernommen.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:
1. Der Verfassungsgerichtshof hat auf Grund des Beschwerdevorbringens, der Gegenschrift sowie der im Rechtshilfeweg erfolgten Zeugeneinvernahmen folgenden Sachverhalt als erwiesen angenommen:
Der Beschwerdeführer begab sich am 19. Mai 1990 um etwa
9.30 Uhr zur Wohnung seiner geschiedenen Ehefrau, um von dort sein eheliches Kind zwecks Ausübung des Besuchsrechtes abzuholen.
Da die geschiedene Frau des Beschwerdeführers befürchtete, ihre Tochter wolle mit dem Beschwerdeführer nicht mitgehen und es werde daher zu Problemen kommen, ließ sie den Beschwerdeführer in das - mit einer Gegensprechanlage versehene - Wohnhaus nicht ein; der Beschwerdeführer betrat dennoch das Haus, nachdem ihm - offensichtlich von einer anderen Person - geöffnet worden war.
Anschließend begab sich der Beschwerdeführer zur Tür der Wohnung seiner geschiedenen Frau, die ihm wiederum nicht öffnete. Der Beschwerdeführer trommelte unter beträchtlicher Lärmentwicklung gegen die Wohnungstür und rief gleichzeitig, daß er sein Besuchsrecht ausüben wolle. Da die geschiedene Frau Angst hatte, daß der Beschwerdeführer gewaltsam in die Wohnung eindringen wolle (und könne), verständigte sie zunächst eine Bekannte - die in weiterer Folge auch am Ort des Vorfalles eintraf - und über deren Rat die Polizei durch Betätigung des Notrufs.
Eine weitere Hausbewohnerin, die den Vorfall wahrgenommen hatte, verständigte ebenfalls die Polizei und begab sich anschließend ins Stiegenhaus und zwar in die Nähe des Beschwerdeführers, sodaß sie diesen beobachten konnte. Dabei gewann die Hausbewohnerin den Eindruck, daß sich in der Tasche des Beschwerdeführers etwas befinde, das für sie wie eine Waffe aussah.
Aufgrund des getätigten Notrufs wurde der Streifenwagen "Siegfried 2" von der Funkstelle der Bundespolizeidirektion Wien zur Wohnung der geschiedenen Gattin des Beschwerdeführers mit dem Hinweis beordert, daß dort ein Mann soeben die Wohnungstüre eintrete. Zur Unterstützung des Streifenwagens "Siegfried 2" fuhr auch der Streifenwagen "Siegfried 3" zur genannten Adresse; beide Einsatzfahrzeuge trafen dort um 9.43 Uhr ein.
Von der bereits oben genannten Hausbewohnerin, die Zeugin des Vorfalles war, wurden die einschreitenden Beamten darauf aufmerksam gemacht, daß der Beschwerdeführer vermutlich eine Waffe bei sich trage.
Daraufhin begaben sich zwei der einschreitenden Beamten mit gezogenen Handfeuerwaffen in Richtung des Beschwerdeführers, der sich zu diesem Zeitpunkt bereits ruhig verhielt und nicht mehr gegen die Wohnungstüre trommelte, während ein dritter Beamter den Beschwerdeführer durch Abklopfen dahingehend untersuchte, ob er tatsächlich eine Waffe bei sich trage. Zu diesem Zweck wurde der Beschwerdeführer verhalten, sich mit gespreizten Beinen gegen die Wand zu stellen.
Nachdem sich die einschreitenden Beamten davon überzeugt hatten, daß der Beschwerdeführer unbewaffnet war, ließen sie von ihm ab und steckten ihre Waffen ein.
Nachdem durch Befragung der geschiedenen Gattin des Beschwerdeführers geklärt worden war, daß Grund für die Auseinandersetzung die Frage des Besuchsrechtes des Beschwerdeführers gewesen war, forderten die Beamten den Beschwerdeführer auf, sich zu legitimieren und mahnten ihn letztlich ab, weil er keinen Führerschein bei sich trug, obwohl er mit einem Personenkraftwagen unterwegs war, womit die gesamte Amtshandlung abgeschlossen war.
2. Diese Feststellungen stützen sich in den hier wesentlichen Punkten (Treten des Beschwerdeführers gegen die Tür, Hinweis auf seine Bewaffnung) auf die übereinstimmenden Aussagen der vernommenen Zeugen.
3. Der Verfassungsgerichtshof beurteilt diesen Sachverhalt rechtlich wie folgt:
a) Das Verhalten der einschreitenden Beamten stellt eine in Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt erfolgte Amtshandlung dar und ist (der inkriminierte Vorfall ereignete sich im Mai 1990) gemäß Art144 Abs1 B-VG idF vor der Novelle BGBl. 685/1988 unmittelbar beim Verfassungsgerichtshof bekämpfbar.
b) Der Beschwerdeführer wertet das Verhalten der Beamten als "Festhaltung und Personendurchsuchung", für die jedoch seines Erachtens "überhaupt keine Veranlassung" gegeben gewesen sei.
Aus dem Ablauf des Vorfalles, insbesondere unter Berücksichtigung der Ereignisse, die dem Einschreiten der Beamten vorangingen, ergibt sich zunächst, daß das Festhalten des Beschwerdeführers nicht erfolgt ist, um seine Freiheit einzuschränken, sondern lediglich eine sekundäre Folge des Suchens nach einer Waffe war (dazu die Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zu nicht primär auf die Einschränkung der Bewegungsfreiheit gerichteten Amtshandlungen (zB VfSlg. 7298/1974 S 214f., 8815/1980 S 359f., 9384/1982 S 314, 9983/1984 S 255 und 10378/1985 S 256)).
Im übrigen findet die bekämpfte Amtshandlung in der Verfassungsvorschrift des ArtII §4 Abs2 V-ÜG 1929 ihre Deckung (vgl. hiezu VfSlg. 3447/1958 sowie 8928/1980). Hiebei konnten die Beamten auf Grund der Mitteilung einer Zeugin des Vorfalles vertretbarerweise davon ausgehen, daß der Beschwerdeführer eine Waffe mit sich führte.
Hinzuzufügen ist, daß die Prüfung der einfachgesetzlichen Rechtmäßigkeit der bekämpften - nach dem Gesagten keine Verhaftung darstellenden - Amtshandlung nicht in die Kompetenz des Verfassungsgerichtshofes fällt, sondern dem Verwaltungsgerichtshof obliegt (Art129 und 130 Abs1 litb B-VG) und darum in diesem Beschwerdeverfahren unerörtert bleiben muß (siehe dazu VfSlg. 9983/1984 S 256).
4. Der Beschwerdeführer ist durch die inkriminierte Amtshandlung somit weder im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit noch in dem durch Art4 StGG geschützten Recht oder in einem anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt worden. Ebensowenig ist hervorgekommen, daß der Beschwerdeführer wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden wäre.
Die Beschwerde war daher abzuweisen.
III. Der Kostenzuspruch gründet sich auf §88 VerfGG.
IV. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung getroffen werden.
Schlagworte
Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt, PersonsdurchsuchungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1991:B794.1990Dokumentnummer
JFT_10089070_90B00794_00