Index
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);Norm
ABGB §1151 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss sowie die Hofräte Dr. Fellner und Dr. Hargassner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Rätin Dr. Büsser, über die Beschwerde des G in W, vertreten durch den zur Verfahrenshilfe bestellten Dr. M, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland als Finanzstrafbehörde zweiter Instanz, Berufungssenat I, vom 12. März 1992,
GA 10-274/6/92, BS I - 54/91, betreffend Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Aus den dem Verwaltungsgerichtshof von der belangten Behörde vorgelegten Akten ist ersichtlich, daß der Beschwerdeführer im Jahre 1983 S 235.295,54 und im Jahre 1985 S 69.640,-- für gegenüber der F. GmbH, einem Taxiunternehmen, geleistete Arbeiten erhalten hatte. Eine Anzeige dieser Tätigkeit durch den Beschwerdeführer beim zuständigen Finanzamt war offenkundig nicht erfolgt.
Mit einer Strafverfügung vom 1. Dezember 1989 wurde der Beschwerdeführer im Zusammenhang mit diesen Einnahmen seitens der F. GmbH der Hinterziehung von Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuer 1983 und 1985 im Gesamtbetrag von S 140.228,-- schuldig erkannt.
Im Einspruch gegen diese Strafverfügung machte der Beschwerdeführer im wesentlichen geltend, daß er die in Rede stehenden Einnahmen als Arbeitnehmer erzielt hatte.
Bei seiner Vernehmung als Beschuldigter gab der Beschwerdeführer am 11. Jänner 1990 gegenüber der Finanzstrafbehörde erster Instanz an, er habe eine Funkanlage installiert und gewartet. Seine Tätigkeit habe weiters in der Vornahme von technischen Kontrollen an den in den Taxifahrzeugen installierten Funkgeräten bestanden. Außerdem habe er sogenannte Zeitkontrollen durchgeführt, bei denen überprüft worden sei, ob jener Taxilenker, der im einzelnen den Zuschlag für eine bestimmte Fahrt bekommen habe, auch tatsächlich innerhalb der vorgegebenen Zeit am angegebenen Standort gewesen sei. Dies erkläre die unregelmäßige Arbeitszeit. Die vorgegebene Arbeitszeit sei zwischen 9.00 und 15.00 Uhr, manchmal von 20.00 bis 22.00 Uhr gewesen. Für Tätigkeiten außerhalb dieses Zeitraumes habe er ein "Piepserl" mit sich geführt. Die Arbeitszeit des Beschwerdeführers sei mit einer Stechuhr überprüft worden. Die Abrechnung sei zunächst stundenweise erfolgt. Teilweise sei auch nach Leistung, nämlich nach der Anzahl der Kontrollen abgerechnet worden. Die Abrechnung sei so vorgenommen worden, daß der Beschwerdeführer dem Arbeitgeber eine "Honorarnote" über die geleisteten Zeitkontrollen, technischen Kontrollen und sonstigen Zeiten vorgelegt und monatlich einen entsprechenden Betrag erhalten habe. Ein einziges Mal habe er einen Geldbetrag mit der Bezeichnung "Urlaubsgeld" erhalten. Die "Honorarnoten" habe er auf Wunsch des Vertreters der GmbH gelegt. Es sei später ausdrücklich gewünscht worden, daß er eine Mehrwertsteuer ausweise. Der Beschwerdeführer wisse nicht, ob er beim Sozialversicherungsträger angemeldet worden sei. Er habe der GmbH keine Lohnsteuerkarte vorgelegt. Für die Zeit seines Urlaubs habe er keine Vertretung bestimmen können. Seine Arbeit sei dann von sogenannten "Funkdiensten", also Taxifahrern mit Sonderstellung, von der Post oder einem Techniker durchgeführt worden. Es sei dem Beschwerdeführer vorgeschrieben gewesen, zu welchen Zeiten er "in der Firma" anwesend sein mußte.
Helmut P., seinerzeit Angestellter der F. GmbH, gab als Zeuge an, Aufgabe des Beschwerdeführers sei es gewesen, die funktechnische Anlage sowie die Telefonanlage zu warten. Es sei üblich gewesen, daß nach Bekanntgabe der Adresse eines Kunden sich diejenigen Taxifahrer bei der Zentrale gemeldet hätten, die in der Lage gewesen seien, die angegebene Adresse innerhalb von drei Minuten zu erreichen. Üblicherweise habe der Fahrer den Zuschlag erhalten, der sich am schnellsten gemeldet habe. Durch Manipulationen an den Funkgeräten in den Fahrzeugen sei es möglich gewesen, den Zuschlag zu erschwindeln. Der Beschwerdeführer habe auch die in den Fahrzeugen eingebauten Funkgeräte kontrolliert. Der Beschwerdeführer hätte keine feste Arbeitszeit gehabt. Er sei gekommen, wann er gewollt habe oder wann es notwendig gewesen sei. Er habe über einen Pager verfügt, mit dem er gerufen habe werden können. Er sei bei allen Störungen gekommen. Gewöhnlich seien mit dem Beschwerdeführer Termine vereinbart worden, an denen er seine Tätigkeit auszuüben gehabt habe. Im Falle der Abwesenheit des Beschwerdeführers seien die Kontrollen nur in eingeschränktem Ausmaß durchgeführt worden. Der Beschwerdeführer sei nicht befugt gewesen, persönlich seine Vertretung zu veranlassen. Es sei stets das Unternehmen gewesen, das die nötigen Fachkräfte besorgt habe. Das Erbringen der Leistung während einer bestimmten Anzahl von Stunden sei nicht vereinbart gewesen. Insbesondere habe es keine Mindeststundenanzahl gegeben. Zuerst - bis Ende 1984 - sei stundenweise abgerechnet worden. Später sei nur die Wartung der zentralen Funkanlage auf Stundenbasis abgerechnet worden. Für die Kontrolle an den Fahrzeuggeräten sei ein bestimmter Betrag vereinbart gewesen. Üblicherweise habe der Beschwerdeführer Honorarnoten mit Umsatzsteuerausweis gelegt. Es habe keine Kündigungsfrist gegeben.
Bei der in der Folge vor dem Spruchsenat durchgeführten mündlichen Verhandlung gab der Beschwerdeführer an, er habe immer angenommen, bei der F. GmbH angestellt zu sein. Er sei der Meinung gewesen, daß für ihn Lohnsteuer bezahlt werde.
Mit Erkenntnis der Finanzstrafbehörde erster Instanz wurde der Beschwerdeführer der Abgabenhinterziehung (Hinterziehung von Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuer 1983 und 1985) schuldig erkannt und über ihn eine Geldstrafe von S 60.000,-- verhängt. Hinsichtlich der Annahme einer selbständigen gewerblichen Tätigkeit stützte sich die Finanzstrafbehörde darauf, daß der Beschwerdeführer über seine Leistungen Rechnung gelegt und ausdrücklich Umsatzsteuer ausgewiesen habe und daß er keine Lohnabrechnung erhalten habe, bei der ein Lohnsteuerabzug ausgewiesen gewesen sei.
Gegen das Erkenntnis wurde vom Beschwerdeführer Berufung erhoben. In der vom Berufungssenat als Finanzstrafbehörde zweiter Instanz durchgeführten mündlichen Verhandlung brachte der Beschwerdeführer ergänzend vor, auch das Werkzeug sei von seinem Auftraggeber beigestellt worden.
Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde die Berufung hinsichtlich des Schuldausspruches als unbegründet abgewiesen, die Strafe jedoch auf S 45.000,-- herabgesetzt. In der Begründung wurde von der belangten Behörde im wesentlichen die Auffassung vertreten, der Beschwerdeführer habe durch die Einrichtung und Wartung einer Funk- und Telefonanlage eine Leistung erbracht, wie sie typischerweise auch von einem anderen selbständigen Unternehmer hätte erbracht werden können. Auch die Kontrollen, zu denen der Beschuldigte herangezogen worden sei, hätten von einem selbständig Berufstätigen vorgenommen werden können. Daß der Beschuldigte stets zu bestimmten Zeiten "in der Firma" anwesend sein habe müssen, habe vom Berufungssenat nicht geglaubt werden können. Auch bei Wertung der Beziehungen des Beschwerdeführers als Arbeitsverhältnis wäre dieser strafrechtlich nicht günstiger gestellt. Ein solches Verhalten wäre als Beitragstäterschaft im Sinne der dritten Alternative des § 11 FinStrG zur Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 1 lit. b FinStrG zu werten.
Gegen diesen Bescheid werden dessen inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Dem Beschwerdeführer wird von der belangten Behörde die Hinterziehung von Einkommen-, Umsatz- und Gewerbesteuer für die Jahre 1983 und 1985 zur Last gelegt. Der Beschwerdeführer bestreitet insbesondere, daß die von ihm gegenüber der F. GmbH ausgeübte Tätigkeit eine selbständige Tätigkeit gewesen ist.
Nach Lehre und Rechtsprechung sind bei Abgrenzungsfragen zwischen selbständiger und nicht selbständiger Tätigkeit wesentliche Merkmale einerseits das Vorliegen eines Unternehmerwagnisses, anderseits das Vorliegen einer Weisungsgebundenheit, dh. die Verpflichtung einer natürlichen Person - als Dienstnehmer -, bei ihrer Tätigkeit die Weisungen eines anderen - des Dienstgebers - zu befolgen. Zu beachten ist allerdings hinsichtlich des Merkmales der Weisungsgebundenheit, daß nicht schon jede Unterordnung unter den Willen eines anderen die Arbeitnehmereigenschaft einer natürlichen Person zur Folge haben muß; denn auch der Unternehmer, der einen Werkvertrag erfüllt, wird sich in aller Regel bezüglich seiner Tätigkeit zur Einhaltung bestimmter Weisungen seines Auftraggebers verpflichten müssen, ohne hiedurch allerdings seine Selbständigkeit zu verlieren (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. Jänner 1991, 89/13/0194, mit weiteren Hinweisen).
Wenn ein Auftragnehmer sich bei seiner Arbeitsleistung - anders als im Falle des Beschwerdeführers - vertreten lassen kann und das Bestimmungsrecht darüber nicht dem Auftraggeber zusteht, sondern im Belieben des Auftragnehmers liegt, ist grundsätzlich kein Dienstverhältnis, sondern in der Regel ein Werkvertragsverhältnis gegeben (vgl. neuerlich das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. Jänner 1991, 89/13/0194, mit weiteren Hinweisen).
Mit keinem dieser für die Beurteilung der Selbständigkeit einer Tätigkeit in erster Linie maßgeblichen Kriterien hat sich die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid auseinandergesetzt. Gerade im Beschwerdefall, dem eine im überwiegenden Ausmaß im Außendienst geleistete Tätigkeit zugrunde liegt, wäre es geboten gewesen, die Tätigkeit des Beschwerdeführers anhand dieser Kriterien zu beurteilen. Demgegenüber hat sich die belangte Behörde darauf gestützt, der Beschwerdeführer habe mit der F. GmbH eine Vereinbarung geschlossen, wonach seine Leistungen als selbständige Tätigkeit "gewertet" würden, daß der Beschwerdeführer keine Lohnsteuerkarte vorgelegt, daß er "Honorarnoten" (mit Mehrwertsteuerausweis) gelegt habe und daß die Tätigkeit des Beschwerdeführers auch von einem selbständigen Unternehmer hätte erbracht werden können. Diese Begründung der belangten Behörde erscheint zunächst deswegen nicht schlüssig, weil eine "Vereinbarung" über die "Wertung" der Tätigkeit nicht maßgeblich ist; vielmehr kommt es darauf an, in welcher Weise die Abwicklung tatsächlich erfolgt ist. Die übrigen Umstände sind zwar bei einem wie hier vorliegenden Fall für die vorzunehmende Abgrenzung nicht ohne Bedeutung, können aber bei der erforderlichen Gesamtbetrachtung des Sachverhaltes zu den wesentlichen Abgrenzungskriterien des Unternehmerwagnisses und der Weisungs(un)gebundenheit nur hinzutreten. Die Begründung des angefochtenen Bescheides erweist sich damit aber als unzureichend. Bei Vermeidung des darin gelegenen Verfahrensmangels hätte die belangte Behörde zu einem anders lautenden Bescheid gelangen können.
Aus verfahrensökonomischen Gründen wird darauf hingewiesen, daß das Vorliegen eines Unternehmerwagnisses insbesondere dann anzunehmen ist, wenn der Erfolg der Tätigkeit und daher auch die Höhe der erzielten Einnahmen weitgehend von der persönlichen Tüchtigkeit, vom Fleiß, von der Ausdauer und der persönlichen Geschicklichkeit abhängig sind und die mit der Tätigkeit verbundenen Aufwendungen nicht vom Auftraggeber ersetzt, sondern vom Auftragnehmer aus eigenem getragen werden müssen (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. Dezember 1989, 88/13/0209). Insbesondere über die Übernahme der mit der Außendiensttätigkeit des Beschwerdeführers verbundenen Aufwendungen, aber auch der mit der Installierung und Wartung der Funkanlage verbundenen Kosten wurden der Aktenlage nach von den Finanzstrafbehörden keine Feststellungen getroffen.
Aus der Sicht des Merkmals der Weisungsgebundenheit spricht der Umstand, daß dem Beschwerdeführer mittels eines Rückrufgerätes konkrete Aufträge erteilt wurden, für eine Eingliederung in das Unternehmen des Auftraggebers.
Schließlich ist die von der belangten Behörde vertretene Aufassung, der Beschwerdeführer wäre bei Annahme eines Dienstverhältnisses "strafrechtlich nicht entscheidend günstiger gestellt", nicht zu teilen: Abgesehen davon, daß die belangte Behörde bei dieser Argumentation den Schuldspruch wegen Hinterziehung von Gewerbesteuer außer acht läßt, stellt sich das Finanzvergehen des Beitrages zur Abgabenhinterziehung im Sinne der §§ 11, 33 Abs. 2 lit. b FinStrG hinsichtlich Tathandlung, verkürzten Abgaben, Zeitpunkt der Abgabenverkürzung und Begehungsform als völlig andere strafbare Handlung im Verhältnis zu der dem Beschwerdeführer von der belangten Behörde zu der zur Last gelegten Tat dar. Die Rechtsmittelbehörde ist aber keineswegs berechtigt, die von der Erstbehörde als erwiesen angenommene Tat auszuwechseln, da sie diesfalls eine ihr nicht zustehende Befugnis in Anspruch nehmen würde (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. März 1987, 85/17/0065).
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1992130149.X00Im RIS seit
20.11.2000