TE Vwgh Erkenntnis 1994/2/16 93/03/0110

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Veröffentlicht am 16.02.1994
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §45 Abs2;
AVG §45 Abs3;
AVG §66 Abs4;
VwGG §41 Abs1 impl;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Baumgartner und die Hofräte DDr. Jakusch und Dr. Zorn als Richter im Beisein der Schriftführerin Mag. Eigelsberger, über die Beschwerde des J in G, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 23. März 1993, Zl. 11-75 Le 23-92, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Steiermark Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung - hinsichtlich des Kalenderjahres der Tatzeit berichtigt gemäß § 63 Abs. 4 AVG mit Bescheid vom 21. Juni 1993, Zl. 11-75 Le 23-92 - wurde der Beschwerdeführer einer Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs. 1 lit. a iVm § 5 Abs. 1 StVO schuldig erkannt und bestraft, weil er am 16. Oktober 1990 um 16.25 Uhr einen dem Kennzeichen nach bestimmten PKW auf der L 305 (Mareiner Straße) im Ortsgebiet Hohenegg in Richtung St. Marein bei Graz in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt habe.

Die Berufungsbehörde ging in der Begründung ihres Bescheides davon aus, ca. 12 Minuten (lt. erstinstanzlichem Bescheid 5 Minuten) nachdem der Beschwerdeführer am 16. Oktober 1990 mit dem PKW aus Graz kommend in seinem Wochenendhaus eingelangt war, habe sich dort um 16.30 Uhr ein Gendarmeriebeamter (Meldungsleger) eingefunden und ihn zur Untersuchung des Alkoholgehaltes der Atemluft aufgefordert. Die Alkomatmessung (um 17.24 Uhr) habe einen Alkoholgehalt von 0,75 mg/l ergeben. Die Verantwortung des Beschwerdeführers, auf der Fahrt zum Wochenendhaus habe ihn ein plötzliches "Bauchstechen" überrascht, sodaß er während des Lenkens die "große Notdurft" verrichten habe müssen, nach seinem Einlangen im Haus habe er sodann in Ermangelung anderer Medikamente ein paar Schluck aus einer Schnapsflasche und zwei Flaschen Bier getrunken, hielt die belangte Behörde für nicht glaubwürdig. Es sei völlig unwahrscheinlich, daß der Beschwerdeführer im Zeitraum von einigen Minuten seine Kleider gewechselt und Schnaps und zwei Flaschen Bier getrunken habe, um beim Eintreffen des Meldungslegers wiederum vor dem Haus zu stehen. Es entspreche auch nicht den Erfahrungen des täglichen Lebens, daß Schnaps und Bier in derartigen Mengen zur Bekämpfung von Übelkeit getrunken würden. Die Zeugen Z. und Ing. F. hätten zwar ausgesagt, daß der Beschwerdeführer bis zum gemeinsamen Verlassen eines Gastronomiebetriebes in Graz um 15.30 Uhr lediglich ein Krügerl Bier und ein Glas Sturm oder eine Weißweinmischung getrunken habe, nach diesem Zeitpunkt hätten ihn aber die Zeugen, im übrigen Mitarbeiter des Beschwerdeführers, nicht mehr beobachtet. Die belangte Behörde nehme daher als erwiesen an, daß sich der Beschwerdeführer im Tatzeitpunkt in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer wirft der belangten Behörde Ermessensmißbrauch bzw. -überschreitung und unzureichende Begründung der Ermessensentscheidung vor. Da er dies dahingehend ausführt, daß zur Begründung der Tatsache, ob und in welchem Ausmaß Alkohol konsumiert worden sei, keine ausreichenden Feststellungen bzw. nur Scheinbegründungen vorlägen, die Aussage der Zeugen Z. und Ing. F. nicht richtig gewürdigt worden seien und die Angaben des Beschwerdeführers über den zeitlichen Ablauf nicht widerlegt worden seien, rügt er in Wahrheit die Beweiswürdigung der belangten Behörde, zumal der angefochtene Bescheid - abgesehen von der weder in der Berufung noch in der Beschwerde bekämpften Strafbemessung - keine Ermessensentscheidung enthält.

Dem Verwaltungsgerichtshof steht die Kontrolle der Beweiswürdigung nur insoweit zu, ob der Sachverhalt genügend erhoben ist und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind, also den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut entsprechen, nicht aber ob der Akt der Beweiswürdigung in dem Sinne richtig ist, daß z. B. eine den Beschwerdeführer belastende und nicht dessen Verantwortung entsprechende Sachverhaltsannahme den Tatsachen entspricht (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, 85/02/0053). Die vom Beschwerdeführer angebotenen Zeugen Z. und Ing. F. konnten keine Angaben über das Verhalten des Beschwerdeführers nach dem gemeinsamen Verlassen des Lokals in Graz um 15.30 Uhr machen. Die belangte Behörde verweist zur Entkräftung der Verantwortung des Beschwerdeführers darauf, daß es völlig unwahrscheinlich sei, daß der Beschwerdeführer innerhalb weniger Minuten nach dem Eintreffen im Wochenendhaus seine Kleider wechsle, Schnaps und zwei Flaschen Bier trinke und sich sodann wiederum vor dem Haus befinde, und daß überdies nach der allgemeinen Lebenserfahrung zur Bekämpfung von Übelkeit nicht größere Mengen von Alkohol, insbesondere Bier, getrunken würden. Der Verwaltungsgerichtshof hegt keine Bedenken gegen die Schlüssigkeit dieser Beweiswürdigung. Der belangten Behörde kann daher nicht entgegengetreten werden, wenn sie im Hinblick auf das Ergebnis der Untersuchung mit einem Gerät im Sinne des § 5 Abs. 2 a lit. b StVO, dem zufolge der Alkoholgehalt der Atemluft des Beschwerdeführers ca. eine Stunde nach dem Lenken des Fahrzeuges mindestens 0,75 mg/l betragen hat, davon ausgegangen ist, daß der Beschwerdeführer die ihm angelastete Übertretung begangen hat.

Das Vorbringen des Beschwerdeführers, die belangte Behörde hätte den Meldungsleger über die näheren Umstände bei dessen Eintreffen beim Wochenendhaus des Beschwerdeführers ergänzend befragen müssen, läßt nicht erkennen, in welcher Weise die ergänzende Einvernahme für die hier entscheidende Frage einer zur Tatzeit gegebenen Alkoholbeeinträchtigung des Beschwerdeführers relevant sein könnte, und vermag daher keinen Verfahrensfehler aufzuzeigen.

Aktenwidrig ist die Behauptung des Beschwerdeführers, es sei ihm vor Ergehen des erstinstanzlichen Bescheides keine Möglichkeit der Stellungnahme zur Zeugenaussage des Ing. P.

- dieser hatte gegenüber dem Meldungsleger die Anzeige erstattet - gewährt worden. Die belangte Behörde verweist in ihrer Gegenschrift zu Recht darauf, daß die letzte Vernehmung dieses Zeugen am 15. Oktober 1991 erfolgte und am 21. November 1991 dem Vertreter des Beschwerdeführers der gesamte Akteninhalt zur Kenntnis gebracht wurde. Unter Hinweis auf diese Akteneinsicht brachte der Vertreter in der Folge eine mit 2. Dezember 1991 datierte Stellungnahme ein, welche im erstinstanzlichen Bescheid vom 19. März 1992 Berücksichtigung gefunden hat. Im übrigen sei darauf verwiesen, daß nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Berufungsverfahren eine allfällige Verletzung des Parteiengehörs während des Verfahrens erster Instanz als saniert gilt, wenn im erstinstanzlichen Bescheid die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens dargelegt sind (vgl. hg. Erkenntnis vom 25. Jänner 1979, 2189/77).

Schließlich versagt auch der vom Beschwerdeführer erhobene Vorwurf, die belangte Behörde habe gegen den Grundsatz "in dubio pro reo" verstoßen. Dieser Grundsatz bedeutet keine Regel der Beweiswürdigung. Als solche würde er im Widerspruch zu der gemäß § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren heranzuziehenden Bestimmung des § 45 Abs. 2 AVG stehen, welcher die freie Beweiswürdigung normiert. Der genannte Grundsatz stellt vielmehr lediglich eine Regel für jene Fälle dar, in denen im Wege des Beweisverfahrens und anschließender freier Würdigung der Beweise nicht mit Sicherheit die Überzeugung von der Richtigkeit des Tatvorwurfes erzeugt werden konnte. Nur wenn nach Durchführung aller Beweise trotz eingehender Beweiswürdigung Zweifel an der Erfüllung des Straftatbestandes verbleiben, kommt dieser Grundsatz zur Anwendung (vgl. hg. Erkenntnis vom 22. März 1985, 85/18/0198). Im gegenständlichen Fall konnte die belangte Behörde in freier Beweiswürdigung annehmen, daß der Beschwerdeführer in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand ein Fahrzeug gelenkt hat.

Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die § 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

freie BeweiswürdigungParteiengehör AllgemeinHeilung von Verfahrensmängeln der Vorinstanz im BerufungsverfahrenSachverhalt Beweiswürdigung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1993030110.X00

Im RIS seit

27.11.2000

Zuletzt aktualisiert am

17.05.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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