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32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;Norm
AbgEO §78;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Fellner und Dr. Hargassner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Rätin Dr. Büsser, über die Beschwerde des P in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Beschwerdeentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 28. Juni 1990, Zl. GA 10 - 787/89, betreffend Einleitung eines Finanzstrafverfahrens, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Schreiben vom 6. Oktober 1989 teilte das Finanzamt als Finanzstrafbehörde erster Instanz dem Beschwerdeführer mit, daß gegen ihn das Finanzstrafverfahren eingeleitet werde, weil der Verdacht bestehe, daß er fahrlässig unter Verletzung der abgabenrechtlichen Offenlegungs- und Wahrheitspflicht durch Abgabe unrichtiger Steuererklärungen für das Jahr 1986 Abgaben in näher bezeichnetem Umfang verkürzt und damit ein Finanzvergehen nach § 34 Abs. 1 FinStrG begangen habe.
Die vom Beschwerdeführer gegen diese Mitteilung erhobene Administrativbeschwerde wies das Finanzamt als unzulässig mit der Begründung zurück, daß die Einleitung des Finanzstrafverfahrens wegen des Verdachtes der fahrlässigen Abgabenverkürzung nicht Gegenstand eines bescheidmäßigen Abspruches sei.
Die gegen diesen Bescheid erhobene Administrativbeschwerde wies die belangte Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid als unbegründet ab. Die vor der Novellierung des Kreditwesengesetzes durch das Bundesgesetz vom 27. Juni 1986, BGBl. Nr. 325, zur Rechtsnatur der Einleitungsverfügung ergangene Rechtsprechung beider Höchstgerichte, führte die belangte Behörde begründend aus, behalte für die Einleitung eines Finanzstrafverfahrens wegen des Verdachtes einer fahrlässigen Abgabenverkürzung auch im zeitlichen Geltungsbereich des novellierten Kreditwesengesetzes weiterhin ihre Gültigkeit, weil die im § 23 Abs. 2 Z. 1 des Kreditwesengesetzes in seiner novellierten Fassung angeordnete Durchbrechung des Bankgeheimnisses im Zusammenhang mit eingeleiteten Strafverfahren nicht für Strafverfahren wegen bloß fahrlässiger Abgabenverkürzung gelte.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher jedoch mit seinem Beschluß vom 10. Juni 1991, B 988/90, deren Behandlung ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat. Vor diesem Gerichtshof begehrt der Beschwerdeführer die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder jener infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in welcher sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach der von den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens übereinstimmend dargestellten Entwicklung der höchstgerichtlichen Judikatur zur Verständigung des Verdächtigen von der Einleitung des Strafverfahrens nach § 83 Abs. 2 FinStrG wurde dieser Verständigung vor dem Inkrafttreten der Novelle zum Kreditwesengesetz vom 27. Juni 1986, BGBl. Nr. 325, sowohl vom Verfassungsgerichtshof (vgl. dessen Beschluß vom 7. Juni 1985, Slg. Nr. 10.421) als auch vom Verwaltungsgerichtshof (vgl. den hg. Beschluß vom 30. Jänner 1985, 84/13/0261, und das hg. Erkenntnis vom 20. Jänner 1988, 87/13/0126) Bescheidcharakter nicht zuerkannt, während im zeitlichen Geltungsbereich der Kreditwesengesetz-Novelle 1986 dem Verwaltungsakt der Einleitung des Finanzstrafverfahrens wegen vorsätzlicher Finanzvergehen normativer Charakter mit der Anforderung zugemessen wird, daß die Einleitung eines solchen Verfahrens mit gesondert anfechtbarem Bescheid zu ergehen hat (vgl. den Beschluß des Verfassungsgerichtshofes vom 9. Juni 1988, B 92/88, den hg. Beschluß vom 5. April 1989, 88/13/0021, sowie die hg. Erkenntnisse vom 23. Mai 1990, 89/13/0237, und vom 14. Februar 1991, 90/16/0210).
Streit besteht zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens über die Frage, ob die in der letztzitierten Judikatur eingenommene Betrachtungsweise der Rechtsnatur der Einleitungsverfügung auch für die Einleitung eines Finanzstrafverfahrens wegen des Verdachtes eines bloß fahrlässig begangenen Finanzvergehens Platz zu greifen habe, wie dies der Beschwerdeführer mit dem von ihm zum Ausdruck gebrachten Verständnis der geänderten höchstgerichtlichen Judikatur fordert, oder ob es für die Einleitung eines Strafverfahrens wegen fahrlässiger Finanzvergehen bei der in der Judikatur vor der Kreditwesengesetz-Novelle 1986 entwickelten Anschauung zu bleiben habe, wie die belangte Behörde meint, die in der dargestellten Judikaturentwicklung nicht einen Anschauungswandel der Höchstgerichte, sondern nur deren Reaktion auf die durch die Kreditwesengesetz-Novelle geänderte Rechtslage erblickt, welche sich auf fahrlässig begangene Finanzvergehen aber nicht erstreckt habe. Der Verwaltungsgerichtshof tritt der von der belangten Behörde vertretenen Auffassung bei.
Wie dem zitierten Beschluß des Verfassungsgerichtshofes vom 9. Juni 1988, B 92/88, und den der darin zum Ausdruck gebrachten Auffassung folgenden, oben zitierten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes unmißverständlich zu entnehmen ist, erwuchs das Verständnis der Höchstgerichte vom normativen Charakter der Einleitungsverfügung eines Finanzstrafverfahrens allein aus dem Umstand, daß mit der Kreditwesengesetz-Novelle 1986 in den bis dahin geltenden Gesetzestext des § 23 Abs. 2 Z. 1 des Kreditwesengesetzes, wonach die Verpflichtung zur Wahrung des Bankgeheimnisses nicht bestehe im Zusammenhang mit gerichtlichen Strafverfahren gegenüber den Strafgerichten und mit Strafverfahren wegen vorsätzlicher Finanzvergehen, ausgenommen Finanzordnungswidrigkeiten, gegenüber den Finanzstrafbehörden, jeweils das Wort "eingeleiteten" eingefügt worden war. Daß das Kreditwesengesetz in seiner, in dieser Weise geänderten Fassung die Durchbrechung des Bankgeheimnisses nunmehr an den Formalakt der Einleitung der im § 23 Abs. 2 Z. 1 dieses Gesetzes genannten Verfahren geknüpft hatte, erforderte es, diesem Formalakt der Verfahrenseinleitung konsequenterweise dann auch normative Bedeutung zuzumessen. Fahrlässige Finanzvergehen sind von der Wirkung des § 23 Abs. 2 Z. 1 Kreditwesengesetz aber nicht erfaßt. Hinsichtlich solcher Delikte ist im Einklang mit der zur Rechtslage vor der Kreditwesengesetz-Novelle 1986 ergangenen Judikatur weiterhin davon auszugehen, daß die hinsichtlich ihrer erfolgende Einleitung des Finanzstrafverfahrens rechtliche Interessen des bis dahin bloß Verdächtigen nicht in einer Weise berühren kann, welche geeignet wäre, diese Einleitung zu einem individuellen normativen Verwaltungsakt zu machen.
Es trägt der Beschwerdeführer auch nichts vor, was den Verwaltungsgerichtshof zu einem Abgehen von dieser Judikatur veranlassen könnte. Aus dem Hinweis auf die Bestimmung des § 172 Abs. 2 FinStrG ist für den Rechtsstandpunkt des Beschwerdeführers nichts zu gewinnen. Nach dieser Bestimmung darf ein Sicherstellungsauftrag erst nach Einleitung des Finanzstrafverfahrens erlassen werden. Für einen solchen Sicherstellungsauftrag haben nach dem zweiten Satz des ersten Absatzes des zitierten Paragraphen aber, soweit das Finanzstrafgesetz nicht anderes bestimmt, die Bundesabgabenordnung und die Abgabenexekutionsordnung sinngemäß zu gelten. Dies bedeutet im gegebenen Zusammenhang, daß ein solcher Sicherstellungsauftrag als Bescheid zu erlassen ist, der mit dem Rechtsmittel der Beschwerde angefochten werden kann (vgl. Fellner, Kommentar zum Finanzstrafgesetz, Rz 12 zu §§ 171 - 174 FinStrG). Anders als die Bestimmung des § 23 Abs. 2 Z. 1 Kreditwesengesetz in ihrer novellierten Fassung knüpft die Norm des § 172 Abs. 2 FinStrG an die Einleitung eines Strafverfahrens damit nicht unmittelbar die Rechtssphäre des nunmehr Beschuldigten berührende, von diesem nicht gesondert anfechtbare Wirkungen, sondern setzt den Umstand der Einleitung eines Strafverfahrens lediglich zur Bedingung des Erlassens eines vom Beschuldigten ohnehin gesondert anfechtbaren Sicherstellungsauftrages. Mit gutem Grund somit hat die Judikatur der Höchstgerichte zur Rechtslage vor dem Inkrafttreten der Kreditwesengesetz-Novelle 1986 in der Bestimmung des § 172 Abs. 2 FinStrG keinen rechtlichen Grund dafür erblickt, der Einleitung des Finanzstrafverfahrens normative Wirkung zuzusinnen.
Der Verwaltungsgerichtshof gelangt somit zu der auch von Sommergruber-Reeger (Das Finanzstrafgesetz nach dem Stand vom 1.1.1990, 482) vertretenen Auffassung, daß einer Einleitung eines Finanzstrafverfahrens wegen Finanzvergehen, die zufolge des § 23 Abs. 2 Z. 1 Kreditwesengesetz - nunmehr § 38 Abs. 2 Z. 1 Bankwesengesetz - nicht geeignet sein können, das Bankgeheimnis zu durchbrechen, auch weiterhin keine normative Wirkung zukommt. Die von Arnold (Zur Anfechtbarkeit der Einleitung des verwaltungsbehördlichen Finanzstrafverfahrens, WBl. 1989, 211) vertretene gegenteilige Anschauung erschöpft sich in einer Forderung, für deren Berechtigung der genannte Autor den Nachweis schuldig bleibt.
Es ist der belangten Behörde in der von ihr bestätigten Zurückweisung der vom Beschwerdeführer gegen die Einleitung des Finanzstrafverfahrens wegen des Verdachtes der fahrlässigen Abgabenhinterziehung erhobenen Administrativbeschwerde aus den Gründen des angefochtenen Bescheides ein Rechtsirrtum demnach nicht unterlaufen. Soweit der Beschwerdeführer sich in seinen Beschwerdeausführungen gegen die Einleitung des Strafverfahrens wendet, verfehlt er den Anfechtungsgegenstand. Dieser bestand nicht in der Frage der Berechtigung, sondern in jener der Zulässigkeit seiner Administrativbeschwerde.
Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1991130203.X00Im RIS seit
19.09.2001