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90 Straßenverkehrsrecht, KraftfahrrechtNorm
B-VG Art139 Abs1 / IndividualantragLeitsatz
Zurückweisung eines Individualantrags auf Aufhebung einer Verordnung betreffs Einrichtung einer Fußgängerzone; Zumutbarkeit der Erwirkung einer Ausnahmebewilligung; kein Eingriff in die Rechtssphäre der Antragstellerin durch das Verbot des Zufahrens von Kunden und LieferantenSpruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
I. Die antragstellende Gesellschaft betreibt nach ihrer Darstellung unter der Anschrift Kammerhofgasse 6, 4810 Gmunden, ein Verkaufsgeschäft.
Das Geschäftslokal grenze - wie sich aus den Ausführungen der antragstellenden Gesellschaft weiter ergibt - nur zu einem geringen Teil an die Kammerhofgasse, bei welcher es sich um eine stark frequentierte Straße durch das Stadtgebiet von Gmunden handle, auf der im Bereich der Liegenschaft der antragstellenden Gesellschaft aber jegliches Halten und Parken verboten sei. Die Zufahrt durch die Kunden und die Lieferanten sei daher ausschließlich "vom Rathausplatz kommend und zwar über die Schleißgasse bzw. den Museumsplatz, da in diesem Bereich eine große Anzahl von Abstellplätzen (Parkplätzen) für Kraftfahrzeuge vorhanden waren", erfolgt. Ein Haupteingang zum Geschäftslokal befinde sich außerdem in der Schleißgasse, ein Lieferanteneingang und ein weiterer Haupteingang, insbesondere zur Fahrradabteilung und Sportwaffenabteilung, sei vom Museumsplatz her gegeben.
Mit Verordnung des Gemeinderates der Stadtgemeinde Gmunden vom 15. April 1991, Z Pol-144-11/1991/Dr.Ka/3, (in Kraft getreten durch Aufstellung der entsprechenden Verkehrszeichen Anfang Juli 1991) sei nun im Stadtzentrum eine Fußgängerzone eingerichtet worden.
Die Verordnung lautet wie folgt:
"§1
Gemäß §76a) StVO. 1960 wird der Bereich ab Sparkassengasse bis Schleißgasse einschließlich des Schubert-, Rathaus- und Museumsplatzes als Fußgängerzone mit dem Zusatz 'ausgenommen Ladetätigkeiten von 6.00 Uhr - 10.00 Uhr und Berechtigte' erklärt und sind die Hinweiszeichen gemäß §53 Ziffer 9 a) und 9 b) mit den entsprechenden Zusatztafeln anzubringen.
§2
Als Berechtigte im Sinne des §1 sind anzusehen:
a) Personen- und Kombinationskraftwagen des Taxi- und Mietwagengewerbes;
b) Fahrzeuge von Hochzeitsgästen anläßlich einer Trauung im Standesamt Gmunden und zwar bis zu 5 Kraftfahrzeugen pro Trauung mit Berechtigungskarte;
c) Fahrzeuge von Übernachtungsgästen des Hotel Schwan (maximal 8 Kraftfahrzeuge von 19.00 Uhr bis 10.00 Uhr entlang des dafür vorgesehenen Bereiches an der Seeseite des Hotelgebäudes mit Berechtigungskarte);
d) Fahrzeuge von ordnungsgemäß gemeldeten Bewohnern des Hauses Kammerhofgasse 6 zur Durchführung einer Ladetätigkeit mit Berechtigungskarte;
e) Fahrzeuge des Gesundheits- und Sicherheitsdienstes;
§3
..."
2. Gestützt auf Art139 B-VG wird der Antrag gestellt, "die in einem inneren untrennbaren Zusammenhang stehenden §§1 und 2 der Verordnung des Gemeinderates der Stadtgemeinde Gmunden vom 15.4.1991, Zl.: Pol-144-11/1991/Dr.Ka/3, zur Gänze wegen Gesetzwidrigkeit" aufzuheben.
Die antragstellende Gesellschaft begründet ihre Antragslegitimation damit, daß durch die angefochtene Verordnung der antragstellenden Gesellschaft und ihren Kunden, mit Ausnahme einer Ladetätigkeit von 6.00 Uhr bis 10.00 Uhr, jegliche Möglichkeit genommen sei, zum Geschäft zuzufahren.
Durch die angefochtene Verordnung seien der antragstellender Gesellschaft massive Beschränkungen auferlegt und für den Fall des Zuwiderhandelns müßte mit der Verhängung von Verwaltungsstrafen gerechnet werden, wodurch sie in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt sei.
II. Der Antrag ist unzulässig.
1. Gemäß Art139 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen auch auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Gesetzwidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern die Verordnung ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung und ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist.
Anfechtungsberechtigt ist also nur der Normadressat, in dessen Rechtssphäre in einer nach Art und Ausmaß im Gesetz eindeutig bestimmten Weise nicht bloß potentiell, sondern aktuell eingegriffen wird und dem ein anderer zumutbarer Weg zur Geltendmachung der Rechtswidrigkeit nicht zur Verfügung steht; dabei ist von jenen Wirkungen der Norm auszugehen, durch die sich der Antragsteller beschwert erachtet (vgl. VfSlg. 8060/1977, 8670/1979, 9277/1981).
2. Gemäß §76a Abs1 StVO 1960 ist in einer Fußgängerzone jeglicher Fahrzeugverkehr verboten, sofern sich aus den folgenden Bestimmungen nichts anderes ergibt; die Bestimmungen des §45 StVO 1960 über Ausnahmen in Einzelfällen bleiben ausdrücklich unberührt.
Der Verfassungsgerichtshof hält die Möglichkeit der Erwirkung einer Ausnahmebewilligung iSd §45 StVO 1960 für einen zumutbaren Weg zur Geltendmachung der behaupteten Rechtswidrigkeiten (VfSlg. 9277/1981).
Ob die Voraussetzungen für die Erteilung einer Ausnahmebewilligung vom Fahrverbot in der Fußgängerzone gegeben sind, muß in einem (auf Antrag des Betroffenen eingeleiteten) Verwaltungsverfahren geklärt werden. Sind die Voraussetzungen gegeben, so hat die Behörde durch Erteilung der beantragten Bewilligung die sonst für jedermann eintretende Verkehrsbeschränkung für den Antragsteller aufzuheben. Damit steht diesem ein Mittel zur Verfügung, die Wirkungen der Verordnung von sich abzuwenden oder aber - wenn dieser Weg aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen erfolglos bleiben sollte - in einer Beschwerde gegen den die Ausnahme versagenden (letztinstanzlichen) Bescheid die Frage der Gesetzmäßigkeit des Verbotes an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen. Diesen Weg hält der Gerichtshof für zumutbar (vgl. VfSlg. 8553/1979, 10302/1984).
Soweit hingegen die antragstellende Gesellschaft durch das in der angefochtenen Verordnung ausgesprochene Verbot des Zufahrens von Kunden und Lieferanten einen Eingriff in ihre Rechtssphäre behauptet, fehlt es daran von vornherein. Wie der Verfassungsgerichtshof in ähnlich gelagerten Fällen (vgl. z.B. 8009/1977, 8060/1977, 8670/1979) bereits dargelegt hat, handelt es sich bei solchen wirtschaftlichen Auswirkungen von Verkehrsvorschriften nur um faktische Reflexwirkungen der insoweit an andere Personen gerichteten Norm, nicht aber um Eingriffe in die Rechtssphäre des Unternehmers.
3. Der Antrag ist daher gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG mangels Legitimation der antragstellenden Gesellschaft ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.
Schlagworte
VfGH / Individualantrag, Straßenpolizei, Fahrverbot, FußgängerzoneEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1991:V245.1991Dokumentnummer
JFT_10088999_91V00245_00