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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §38;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des W in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom 29. Oktober 1991, Zl. 39.132/243-3a/91, betreffend Abweisung eines Devolutionsantrages hinsichtlich Wiederaufnahme eines Verfahrens nach dem IESG, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 30. November 1988 erkannte das Landesarbeitsamt Wien dem Beschwerdeführer Insolvenz-Ausfallgeld in der Höhe von
S 236.832,-- zu (und zwar für Kündigungsentschädigung für die Zeit vom 1. Mai bis 30. September 1987 in der Höhe von
S 111.049,--, anteilige Sonderzahlungen in der Höhe von zusammen S 48.556,--, Urlaubsentschädigung für 30 Werktage
S 50.130,-- sowie Fahrtspesen in der Höhe von S 27.097,--) und wies seinen Antrag auf Insolvenz-Ausfallgeld für "Lohnsteuerrückzahlung" in der Höhe von S 60.733,13 (richtig: S 60.733,17), für Provision in der Höhe von S 9,200.000,--, für freiwillige Abfertigung in der Höhe von S 88.000,-- und für Anmeldungskosten in der Höhe von S 130,-- ab. Der Antrag auf Insolvenz-Ausfallgeld für Zinsen wurde zurückgewiesen.
2. Mit dem an das Landesarbeitsamt Wien gerichteten Schreiben vom 19. Dezember 1988 beantragte der Beschwerdeführer die Wiederaufnahme des Verfahrens mit der Begründung, er habe neue Unterlagen erhalten, aus denen sich die Berechtigung seiner Provisionsforderung ergebe. Weiters berief er sich auf eine Auskunft des zuständigen Finanzamtes vom Vortag, aus der er die Berechtigung seiner Forderung für "Lohnsteuerrückzahlung" ableitete.
3. In einem Schreiben an das Landesarbeitsamt Wien vom 8. Mai 1989 erklärte der Beschwerdeführer unter Bezugnahme auf ein vorangegangenes Telefonat, es erscheine zweckmäßig, das Verfahren betreffend seinen Wiederaufnahmsantrag bis zur rechtskräftigen Beendigung des Verfahrens vor dem Arbeits- und Sozialgericht Wien auszusetzen. Er bezog sich damit auf ein seit Jänner 1989 zur Zl. 16 Cga 2018/89 des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien anhängiges Verfahren, in dem er die Provision in der Höhe von S 9,000.000,-- gegen seinen ehemaligen Dienstgeber klageweise geltend gemacht hat.
4. Mit Schreiben vom 19. August 1989 beantragte der Beschwerdeführer die Fortsetzung des Wiederaufnahmsverfahrens, weil der oben genannte Prozeß abgeschlossen worden sei.
Weitere Schreiben des Beschwerdeführers vom 20. November und vom 15. Dezember 1989 beziehen sich auf das Wiederaufnahmsverfahren.
5. Mit dem an den Bundesminister für Arbeit und Soziales (die belangte Behörde) gerichteten Schreiben vom 15. Jänner 1990 beantragte der Beschwerdeführer den Übergang der Entscheidungspflicht betreffend seinen Wiederaufnahmsantrag auf die belangte Behörde mit der Begründung, seit der Einbringung seines Wiederaufnahmsantrages beim Landesarbeitsamt Wien seien mehr als sechs Monate verstrichen, ohne daß - trotz zahlreicher Erinnerungsschreiben - über den Antrag entschieden worden sei.
6. Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Devolutionsantrag gemäß § 73 Abs. 2 AVG ab und führte begründend aus, der Beschwerdeführer habe in seinem Schreiben vom 8. Mai 1989 zutreffend erklärt, daß die Aussetzung bis zum Abschluß des gerichtlichen Verfahrens zweckmäßig sei. Das Gerichtsverfahren sei erst mit Urteil des Obersten Gerichtshofes vom 21. November 1990 beendet worden. Der Antrag auf Übergang der Entscheidungspflicht vom 15. Jänner 1990 sei daher abzuweisen gewesen.
7. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
8. Gemäß dem letzten Satz des § 73 Abs. 2 AVG ist ein Antrag auf Übergang der Entscheidungspflicht abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht ausschließlich auf ein Verschulden der Behörde zurückzuführen ist.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann ein Devolutionsantrag nach dieser Gesetzesstelle abgewiesen werden, wenn die Säumnis der Unterbehörde darauf zurückzuführen ist, daß sie die Entscheidung einer Vorfrage abgewartet hat, auch wenn sie ihr Verfahren nicht mit Bescheid gemäß § 38 AVG ausgesetzt hat (siehe die hg. Erkenntnisse vom 24. Februar 1989,
Zlen. 89/11/0041, 0042, und vom 28. November 1989, Zl. 89/11/0150, jeweils mit weiteren Judikaturhinweisen). Das Landesarbeitsamt Wien wäre berechtigt gewesen, das bei ihr anhängige Verfahren gemäß § 38 AVG bis zur rechtskräftigen Beendigung des anhängigen Zivilprozesses über den vom Beschwerdeführer geltend gemachten Provisionsanspruch auszusetzen (zur Bindung an gerichtliche Entscheidungen bei der Beurteilung des Vorliegens eines gesicherten Anspruches siehe § 7 Abs. 1 IESG). Das Abwarten der gerichtlichen Entscheidung entsprach auch der Verfahrensökonomie, weil es unzweckmäßig erscheint, einzelne im gerichtlichen Verfahren gewonnene Beweisergebnisse zum Anlaß einer Wiederaufnahme zu machen, ohne das gesamte gerichtliche Beweisverfahren und insbesondere die darauf basierende bindende Vorfragenentscheidung abzuwarten.
9. Das Beschwerdevorbringen enthält nichts, was zu einer anderen Beurteilung führen kann. Die Frage, ob der Beschwerdeführer der Aussetzung oder dem Zuwarten zugestimmt hat, ist für die Entscheidung ohne Bedeutung, weil die Richtigkeit eines Aussetzungsbescheides oder die Berechtigung des Zuwartens bis zum Vorliegen einer rechtskräftigen Vorfragenentscheidung nicht von der Zustimmung einer Partei abhängt.
Die Tatsache, daß die belangte Behörde über den Devolutionsantrag des Beschwerdeführers erst lange nach Ablauf der im § 73 Abs. 1 AVG bestimmten Frist entschieden hat, macht ihren Bescheid nicht rechtswidrig. Gegenstand des angefochtenen Bescheides war ausschließlich die Frage, ob der Devolutionsantrag abzuweisen ist.
Soweit der Beschwerdeführer behauptet, er habe mit seinen Schreiben vom 19. August, 20. November und 15. Dezember 1989 neue Wiederaufnahmsanträge gestellt, ist er darauf hinzuweisen, daß er in seinem Devolutionsantrag vom 15. Jänner 1990 davon spricht, daß seit seinem Antrag mehr als sechs Monate verstrichen seien, sodaß damit eindeutig sein Begehren auf Übergang der Zuständigkeit hinsichtlich seines Wiederaufnahmsantrages vom 19. Dezember 1988 formuliert wurde, zumal hinsichtlich der weiteren von ihm genannten Schreiben die sechsmonatige Frist noch nicht abgelaufen war. Hätte er am 15. Jänner 1990 auch hinsichtlich dieser Anträge Devolutionsanträge gestellt, wären diese als verfrüht zurückzuweisen gewesen.
10. Aus den dargelegten Erwägungen erweist sich die Beschwerde als unbegründet. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Von der vom Beschwerdeführer beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
Schlagworte
Verhältnis zu anderen Materien und Normen DevolutionVerschulden der Behörde §73 Abs2 letzter Satz AVGIndividuelle Normen und Parteienrechte Bindung der Verwaltungsbehörden an gerichtliche Entscheidungen VwRallg9/4European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1992110080.X00Im RIS seit
11.07.2001Zuletzt aktualisiert am
26.06.2017