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95 TechnikNorm
B-VG Art140 Abs1 / Sachentscheidung WirkungLeitsatz
Abweisung einer Beschwerde gegen einen Ersatzbescheid betreffend die disziplinäre Bestrafung eines Ziviltechnikers wegen Verstoßes gegen die Standesregeln nach Aufhebung des Bescheides der Berufungskommission in Disziplinarangelegenheiten durch den Verfassungsgerichtshof; (Ersatz-)Bescheid in Bindung an die Rechtsansicht des Verfassungsgerichtshofes erlassenSpruch
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Der Antrag auf Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Mit einem im Instanzenzug ergangenen Disziplinarerkenntnis vom 15. Juni 1987, Z BKD. 475/87/kr/n, bestätigte die Berufungskommission in Disziplinarangelegenheiten bei der Bundes-Ingenieurkammer den erstinstanzlichen Bescheid vom 11. Dezember 1986, Z176/86-IK 8/23, mit dem der Beschwerdeführer für schuldig befunden wurde,
"1) durch die im Schreiben an den Vorsteher des Bezirksgerichtes Bad Ischl vom 14.3.1985 enthaltenen Äußerungen,
a) 'es ist m.E. nicht möglich, mit Rechenkunststücken (konvergierende Reihe) nachzuweisen, wie der gesunde Grundstücksverkehr den Verlust dieser eigentumsmäßigen, geschützten Rechtsposition bewertet'; und
b) 'Verständlich, daß im administrativen Verfahren nur Sachverständige (hier ein Zivilingenieur für Forst- und Holzwirtschaft) beigezogen werden, welche im 'Husch-Pfusch-Verfahren' die Entschädigung deutlich restriktiv ausmessen und wesentliche Entschädigungspositionen geflissentlich übersehen';
2) durch das an den Präsidenten des Landesgerichtes Klagenfurt gerichtete Ersuchen, das unter 1) genannte Schreiben zur Kenntnis zu nehmen, und um 'allfällige Beurteilung der Qualifikation des allgemein beeideten gerichtlichen Sachverständigen Dipl.Ing. Dr. H M';
3) durch das an den Präsidenten des Landesgerichtes Klagenfurt gerichtete Ersuchen, seine im Schreiben an das Bezirksgericht Feldkirchen vom 4.1.1986 gemachten Ausführungen zur Kenntnis zu nehmen und um 'allfällige Beurteilung der Qualifikation in Enteignungssachen der allgemein beeideten gerichtlichen Sachverständigen Dipl.Ing. H G und Architekt Dipl.Ing. F L';
gegenüber anderen Ziviltechnikern die Grundsätze der Kollegialität nicht beachtet und unsachliche und herabsetzende Kritik an anderen Ziviltechnikern und deren Leistungen geübt zu haben."
Wegen des Verstoßes gegen die Punkte 4.1. und 4.2. der Standesregeln der Ziviltechniker und damit wegen des Disziplinarvergehens nach §48 Abs1 Z1 und 2 Ingenieurkammergesetz wurde über den Beschwerdeführer gemäß §49 Abs1 Z1 Ingenieurkammergesetz die Disziplinarstrafe des schriftlichen Verweises verhängt.
2. In seiner zu B847/87 gegen das Berufungserkenntnis gemäß Art144 Abs1 B-VG erhobenen Beschwerde rügte der Beschwerdeführer die Verletzung in seinen gemäß Art6 und 10 EMRK verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten und beantragte die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides.
3. Mit Erkenntnis vom 12. Dezember 1988, G108/88 u.a., hat der Verfassungsgerichtshof in dem u.a. aus Anlaß der geschilderten Beschwerde von Amts wegen eingeleiteten Gesetzesprüfungsverfahren die Worte "- oder Ruhe" in §51 Abs2 Ingenieurkammergesetz als verfassungswidrig aufgehoben. Der ebenfalls in Prüfung gezogene §40 Abs5 Ingenieurkammergesetz wurde nicht als verfassungswidrig aufgehoben. Im übrigen wurden die Gesetzesprüfungsverfahren eingestellt. Da aber die Entscheidung der Berufungskommission unter dem Vorsitz eines aktiven Richters ergangen war, erkannte der Verfassungsgerichtshof den Beschwerdeführer als nicht im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt.
4. Soweit sich der Beschwerdeführer allerdings durch seine disziplinäre Bestrafung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Freiheit der Meinungsäußerung gemäß Art13 StGG und Art10 EMRK für verletzt erachtete, behielt er mit dieser Behauptung Recht.
Der Verfassungsgerichtshof erkannte in seinem Erkenntnis vom 3. März 1989, B847/87, daß
"das bloße Ersuchen an den Präsidenten des Landesgerichtes Klagenfurt um Kenntnisnahme eines (an das Bezirksgericht Feldkirchen adressierten) Schreibens, in dem sich der Beschwerdeführer in sachlicher und eingehender Weise mit der Sachverständigentätigkeit von Berufskollegen auseinandersetzt, ebenso wie die in diesem Zusammenhang ausgesprochene Aufforderung zur allfälligen Beurteilung der Qualifikation bestimmter Sachverständiger verfassungskonform nicht als Verstoß gegen Standesregeln verstanden werden"
darf.
Hingegen hegte der Verfassungsgerichtshof keinen Zweifel,
"daß es durch den Schutz des guten Rufes und der Rechte anderer im Sinne des Art10 Abs2 MRK gerechtfertigt ist,
Meinungsäußerungen, die gegen die Grundsätze der Kollegialität verstoßen, die also insbesondere eine unsachliche Kritik an anderen Ziviltechnikern beinhalten, für unzulässig zu erklären und mit Disziplinarstrafen zu belegen. ...".
Der Gerichtshof trat daher der belangten Behörde nicht entgegen, wenn sie die Verwendung des Ausdrucks "Husch-Pfusch-Verfahren" und wenn sie die Behauptung des Beschwerdeführers, Fachkollegen würden beim Erstellen von Gutachten Entschädigungspositionen geflissentlich übersehen, im gegebenen Zusammenhang als "eine unsachliche und herabsetzende Kritik" verstand; wenn sie ferner auch die Übersendung eines, diese Kritik enthaltenden Schreibens an den Vorsteher des Bezirksgerichtes Bad Ischl und an den Präsidenten des Landesgerichtes Klagenfurt als 'unsachliche und herabsetzende Kritik" gemäß Punkt 4.2. der Standesregeln qualifizierte und infolgedessen die Strafbarkeit dieses Verhaltens gemäß §48 Ingenieurkammergesetz annahm.
Der Verfassungsgerichtshof kam daher im zitierten Erkenntnis vom 3. März 1989, B847/87, zum Ergebnis, daß sich der Beschwerdeführer bei Zugrundelegung einer verfassungskonformen Auslegung des §30 Ingenieurkammergesetz in Verbindung mit Punkt 4.1. der Standesregeln wegen seines ihm im angefochtenen Bescheid unter Z3) zur Last gelegten Verhaltens keines Disziplinarvergehens nach §48 Abs1 Ingenieurkammergesetz schuldig gemacht hat.
Weil durch den angefochtenen Bescheid eine einheitliche Strafe verhängt worden war, wurde dieser zur Gänze aufgehoben.
5. Mit dem aufgrund dieses Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom 3. März 1989, B847/87, ergangenen Ersatzbescheid der Berufungskommission in Disziplinarangelegenheiten bei der Bundes-Ingenieurkammer vom 19. Juli 1989, Z495/89/kr/ko, wurde der Berufung teilweise Folge gegeben, die Punkte 1)a) und 3) des angefochtenen Bescheides aufgehoben und der Beschwerdeführer
"von dem wider ihn erhobenen Vorwurf, er habe durch die im Schreiben an den Vorsteher des Bezirksgerichtes Bad Ischl vom 14.3.1985 erhaltenen Äußerung: '... Es ist meines Erachtens nicht möglich, mit Rechenkunststücken (konvergierende Reihe) nachzuweisen, wie der gesunde Grundstücksverkehr den Verlust dieser eigentumsmäßigen geschützten Rechtsposition bewertet'; und durch das an den Präsidenten des Landesgerichtes Klagenfurt gerichtete Ersuchen, seine im Schreiben an das Bezirksgericht Feldkirchen vom 4.1.1986 gemachten Ausführungen zur Kenntnis zu nehmen und um allfällige Beurteilung der Qualifikation in Enteignungssachen der allgemein beeideten gerichtlichen Sachverständigen Dipl.Ing. H G und Arch.Dipl.Ing. F L, Grundsätze der Kollegialität nicht beachtet und unsachliche und herabsetzende Kritik an anderen Ziviltechnikern und deren Leistungen geübt zu haben und hiedurch gegen die Standesregeln der Ziviltechniker Pkt. 4.1. und 4.2. verstoßen und ein Disziplinarvergehen gemäß §48 Abs1 Ziffer 1 und 2 IKG begangen zu haben, freigesprochen".
Im übrigen wurde der Berufung nicht Folge gegeben.
Für die verbleibenden Schuldsprüche laut den Punkten 1)b) und 2) des angefochtenen Erkenntnisses (Verstoß gegen die standesrechtliche Verpflichtung zu kollegialem Verhalten und unsachliche und herabsetzende Kritik an anderen Ziviltechnikern und deren Leistungen, Punkte 4.1. und 4.2. der Standesregeln, Disziplinarvergehen nach §48 Abs1 Z1 und 2 Ingenieurkammergesetz), wurde über den Beschuldigten gemäß §49 Abs1 Z1 Ingenieurkammergesetz erneut die Disziplinarstrafe des schriftlichen Verweises verhängt.
6. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der der Ersatzbescheid wegen Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Meinungsfreiheit nach Art10 EMRK, auf Entscheidung durch ein unabhängiges Tribunal nach Art6 EMRK und auf "Beachtung der Bindungswirkung" insofern angefochten wird, als er den Beschwerdeführer für schuldig erkennt und zur Zahlung von Verfahrenskosten verpflichtet.
Nach Ansicht des Beschwerdeführers habe der Verfassungsgerichtshof die Prüfung des Ingenieurkammergesetzes wegen Konventionswidrigkeit zu sehr eingeschränkt und seien insbesondere die Bestimmungen über die Amtsenthebung von Mitgliedern der Behörde konventionswidrig. Weiters fehle eine "feste Geschäftsverteilung" und sei "die Bestellungsdauer der Mitglieder äußerst knapp bemessen".
Art10 EMRK und der "Bindungsgrundsatz" seien insofern verletzt als mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 3. März 1989, B847/87, der zweitinstanzliche Berufungsbescheid zur Gänze aufgehoben worden sei und daher "die belangte Behörde in qualifizierter Weise dartun hätte müssen, warum sie den Beschwerdeführer wegen dieses Deliktes neuerlich bestrafen zu müssen meint".
7. Die Berufungskommission in Disziplinarangelegenheiten bei der Bundes-Ingenieurkammer legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der der Antrag gestellt wird, das Beschwerdebegehren zur Gänze abzuweisen.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
Der - zulässigen - Beschwerde liegt derselbe Sachverhalt wie dem Verfahren zu B847/87 zugrunde.
Im Verfahren ist die durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 12. Dezember 1988, G108/88 ua., hinsichtlich der Zusammensetzung der Berufungskommission in Disziplinarangelegenheiten bei der Bundes-Ingenieurkammer bereinigte Rechtslage anzuwenden.
Im genannten Gesetzesprüfungsverfahren hat der Verfassungsgerichtshof die verfassungsrechtlichen Bedenken des Beschwerdeführers hinsichtlich der Zusammensetzung der Berufungskommission in Disziplinarangelegenheiten bei der Bundes-Ingenieurkammer bereits umfassend und erschöpfend geprüft und die Rechtslage durch Aufhebung einzelner Worte des §51 Abs2 des Ingenieurkammergesetzes bereinigt.
Soweit diese Bedenken vom Verfassungsgerichtshof in jenem Gesetzesprüfungsverfahren aufgegriffen wurden und zum Ausspruch führten, daß §40 Abs5 Ingenieurkammergesetz nicht als verfassungswidrig aufzuheben ist, ist dem Verfassungsgerichtshof ein erneutes Eingehen auf jene Bedenken schon wegen Rechtskraft verwehrt. Im übrigen sieht der Verfassungsgerichtshof im vorliegenden Verfahren ebensowenig wie im Verfahren zu B847/87 einen Anlaß, auf die sonstigen Bedenken des Beschwerdeführers einzugehen, die sich auf eine vorgeblich konventionswidrige Zusammensetzung der belangten Behörde beziehen.
Auch in der Bestrafung des dem Ersatzbescheid zugrundeliegenden Verhaltens des Beschwerdeführers erkannte der Verfassungsgerichtshof bereits im bezeichneten Bescheidprüfungsverfahren keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte.
Der nunmehr angefochtene (Ersatz-)Bescheid wurde daher von der belangten Behörde in Beachtung der Bindung an die Rechtsansicht des Verfassungsgerichtshofes erlassen und verletzt keine verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte des Beschwerdeführers.
Die Beschwerde war daher abzuweisen.
Der Antrag, die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten, war abzuweisen, weil (nach dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 12. Dezember 1988, G108/88 ua.) in oberster Instanz eine Kollegialbehörde mit richterlichem Einschlag im Sinne des Art133 Z4 B-VG entschieden hat und eine solche Angelegenheit von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ausgeschlossen ist.
Schlagworte
Ziviltechniker, Disziplinarrecht Ziviltechniker, Bindung (der Verwaltungsbehörden an VfGH), Rechtskraft, Ingenieurkammer, ErsatzbescheidEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1991:B1396.1989Dokumentnummer
JFT_10088999_89B01396_00