TE Vwgh Erkenntnis 1994/2/17 92/16/0197

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Veröffentlicht am 17.02.1994
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

BAO §236 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Dr. Wurdinger, über die Beschwerde des Dr. W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Vorarlberg vom 27. Oktober 1992, GZ 1394-2/92, betreffend Nachsicht von Grunderwerbsteuer, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Dem Beschwerdeführer wurde aus Anlaß eines Kaufvertrages vom 15. Juni 1981 mit Bescheid vom 30. Juni 1989 Grunderwerbsteuer in Höhe von S 52.960,-- vorgeschrieben. Nach der Begründung des Bescheides erfolgte die Vorschreibung "gemäß § 4 Abs. 2 GrEStG 1955 wegen Nichterfüllung des steuerbegünstigten Zweckes (Nichterbauung des Hauses innerhalb von 8 Jahren ab Erwerb)".

Mit Eingabe vom 14. Juli 1989 beantragte der Beschwerdeführer, die festgesetzte Grunderwerbsteuer durch Abschreibung nachzusehen. Er habe das Grundstück Parz. Nr. 173/9, KG H., im Jahre 1981 erworben. Auf Grund seiner damals gesicherten Position hätte er die Absicht gehabt, eine Arbeiterwohnstätte zu errichten. Mittlerweile sei er gezwungen gewesen, seinen Dienstgeber zu wechseln. Dies hätte sehr starke Einkommenseinbußen zur Folge gehabt. Der Beschwerdeführer verwies auf eine angeschlossene Gehaltsabrechnung, in der ein monatlicher Nettobezug von S 16.978,-- ausgewiesen war. Dazu komme noch eine monatliche Wohnbeihilfe von S 5.200,--. Wegen der vier Kinder im Alter von vier bis zehn Jahren könne die Ehefrau des Beschwerdeführers nicht berufstätig sein. Die Ersparnisse der Vergangenheit seien inzwischen verbraucht worden. Der Beschwerdeführer sei gezwungen gewesen, weitere Bankkredite aufzunehmen, die inzwischen den Betrag von S 252.000,-- erreicht hätten.

In einer ergänzenden Eingabe vom 4. August 1989 führte der Beschwerdeführer aus, er müsse seine pflegebedürftige Mutter, die Bezieherin einer Ausgleichszulage sei, pflegen und finanziell unterstützen. Die Kreditverpflichtungen machten derzeit 287.000,-- aus.

Mit Bescheid vom 15. Jänner 1991 wurde das Nachsichtsbegehren abgewiesen. In der Begründung wurde vom Finanzamt ausgeführt, eine Unbilligkeit der Einhebung von Abgabenschuldigkeiten liege nur vor, wenn es durch die Abgabeneinhebung zu einer anormalen Belastungswirkung und zu einem atypischen Vermögenseingriff komme oder wenn die Entrichtung der Steuer den Steuerpflichtigen in seinem wirtschaftlichen Bestehen ernsthaft gefährde. Keine dieser Voraussetzungen sei gegeben.

In der Berufung gegen diesen Bescheid wurde ausgeführt, die finanzielle Situation habe sich nicht verbessert. Vielmehr sei seit der Begründung der freiberuflichen Tätigkeit des Beschwerdeführers als Rechtsanwalt das Einkommen aus nichtselbständiger Arbeit weggefallen. Im Zusammenhang mit der Kanzleigründung sei der Beschwerdeführer gezwungen gewesen, weitere Kredite aufzunehmen. Die Kredite betrügen derzeit S 950.276,11. Die laufenden Betriebs- und Personalkosten beliefen sich auf monatlich ca. S 50.000,--. Die Bezahlung der Grunderwerbsteuer würde eine Existenzgefährdung darstellen. Weiters wurde in der Berufung vorgebracht, daß die Verkäufer des Grundstückes, die Eheleute S. in äußerst angespannten finanziellen Verhältnissen lebten. Richard S. solle seine sämtlichen Liegenschaften bis auf ein altes Wohnhaus, das bis zur Höchstgrenze hypothekarisch belastet sei, verkauft haben.

Gegen die die Berufung als unbegründet abweisende Berufungsvorentscheidung wurde der Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz gestellt. Darin gab der Beschwerdeführer zu seiner wirtschaftlichen Lage an, die gegenständliche Liegenschaft sei mit Pfandrechten in Höhe von insgesamt S 945.150,-- belastet. Weiters bestehe eine Simultanhaftung mit dem Grundstück, auf dem sich das Familienhaus befinde. Dieses Grundstück sei mit S 2,567.700,-- belastet. Darüberhinaus bestünden anläßlich der Kanzleigründung aufgenommene, nicht besicherte Bankverbindlichkeiten in Höhe von insgesamt S 1,325.945,--. Die Gewährung dieser Kredite begründe sich neben dem Vertrauen in die Person des Beschwerdeführers in dem Wissen der Banken über die vorhandenen Liegenschaften. Die derzeitige Einkommenslage des Beschwerdeführers mache es unmöglich, die Abgabenschuld aus den monatlichen Einkünften zu begleichen. In diesem Zusammenhang verwies der Beschwerdeführer auf den angeschlossenen Jahresabschluß zum 31.12.1991, worin Privatentnahmen in Höhe von S 305.099,98 ausgewiesen seien. Die Aufnahme eines weiteren Kredits komme nicht in Frage. Die Abstattung der Abgabe müßte somit durch die Veräußerung von Vermögensgegenständen ermöglicht werden. Die Veräußerung der Liegenschaft käme einem Notverkauf gleich. Der Beschwerdeführer habe sich noch nicht um eine Veräußerung der Liegenschaft bemüht. Bei einer Zwangsversteigerung sei eine Verschleuderung wahrscheinlich. Darüberhinaus sei zu berücksichtigen, daß das Grundstück als "inoffizielle" Sicherstellung für Kredite der Kanzlei diene und somit für die Existenz des Beschwerdeführers unbedingt notwendig sei. Die Folgen einer zwangsweisen Veräußerung seien nicht absehbar. Sie führe mit großer Wahrscheinlichkeit zu einer Gefährdung des wirtschaftlichen Bestehens des Beschwerdeführers.

Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. Die belangte Behörde vertrat darin die Ansicht, daß das kaufgegenständliche Grundstück zur Entrichtung der Grunderwerbsteuer belastet oder veräußert werden könnte. Durch eine weitere Belastung des Grundstückes würde eine Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz des Beschwerdeführers nach Auffassung der belangten Behörde nicht eintreten. Selbst bei Vorliegen einer Unbilligkeit könne das Ermessen aus Zweckmäßigkeitsgründen nicht im Sinne des Beschwerdeführers gehandhabt werden.

In der Beschwerde gegen diesen Bescheid werden dessen inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift und legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 236 Abs. 1 BAO können fällige Abgabenschuldigkeiten auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre.

Eine Unbilligkeit im Sinne des § 236 Abs. 1 BAO kann entweder persönlich oder sachlich bedingt sein. Eine persönlich bedingte Unbilligkeit liegt im besonderen dann vor, wenn die Einhebung die Existenzgrundlagen des Nachsichtswerbers gefährdete, wobei es allerdings nicht unbedingt der Gefährdung des "Nahrungsstandes", besonderer finanzieller Schwierigkeiten oder Notlagen bedarf, sondern es genügt, wenn etwa die Abstattung trotz zumutbarer Sorgfalt nur durch Veräußerung von Vermögenschaften möglich wäre und diese Veräußerung einer Verschleuderung gleichkäme (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Oktober 1992, 91/15/0054).

Der Beschwerdeführer hat im Verwaltungsverfahren die begehrte Nachsicht auf persönliche Umstände gestützt. Er vertrat im wesentlichen die Auffassung, durch die Einhebung der Abgabenschuld sei seine Existenz gefährdet. Die wirtschaftliche Lage des Beschwerdeführers, ist, wie sich aus den vorgelegten Verwaltungsakten ergibt, dadurch gekennzeichnet, daß es in der Zeit zwischen der Vorschreibung der in Rede stehenden Abgabenschuld und der Erlassung des angefochtenen Bescheides - hervorgerufen durch die in dieser Zeit erfolgte Begründung einer Anwaltskanzlei - zu einer außerordentlichen Ausweitung des Schuldenstandes des Beschwerdeführers auf mehrere Millionen Schilling gekommen ist. Die vom Beschwerdeführer behauptete Existenzgefährdung steht somit keineswegs mit der ihm drohenden Einhebung der Grunderwerbsteuerschuld von S 52.960,--, sondern vielmehr mit dem sprunghaften Ansteigen dieser übrigen Schulden in einem Zusammenhang. Die Abstattung des vergleichsweise geringen Betrages an Grunderwerbsteuer war dem Beschwerdeführer im angeführten Zeitraum möglich, zumal etwa seine Privatentnahmen allein während des Kalenderjahres 1991 S 305.099,98 betragen haben.

Die belangte Behörde war dabei im Recht, wenn sie der Meinung war, daß die Abstattung der Steuerschuld durch eine (weitere) Belastung oder auch eine Veräußerung des Grundstückes - durch dessen seinerzeitigen Erwerb die Grunderwerbsteuer ausgelöst worden ist - möglich war. Der Beschwerdeführer hat in diesem Zusammenhang zwar die nicht näher konkretisierte Behauptung aufgestellt, eine Veräußerung dieser Liegenschaft käme einer Verschleuderung gleich; er hat jedoch selbst zugestanden, sich um eine Veräußerung der Liegenschaft nicht bemüht zu haben. Der belangten Behörde kann daher nicht entgegengetreten werden, wenn sie die Behauptung über eine drohende Verschleuderung als nicht erwiesen angesehen hat.

Auch ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der "Kreditwürdigkeit" des Beschwerdeführers - und damit der Aufrechterhaltung seiner wirtschaftlichen Existenz - und einer entsprechenden Verwertung der angeführten Liegenschaft kann nicht angenommen werden, weil dem Beschwerdeführer nach seinem Vorbringen nicht unerhebliche Kredite auch ohne entsprechende Besicherung eingeräumt worden sind. Die nicht näher konkretisierten Ausführungen des Beschwerdeführers über eine "inoffizielle Sicherstellung" der beruflich veranlaßten Kredite durch die Liegenschaft gehen schon deswegen ins Leere, weil die Liegenschaft ja bereits mit einem Pfandrecht in nicht unbeträchtlicher Höhe belastet war.

Da somit die Einhebung der beschwerdegegenständlichen Grunderwerbsteuerschuld nicht Ursache der Gefährdung der Existenzgrundlage des Beschwerdeführers ist, war eine persönlich bedingte Unbilligkeit nicht gegeben. Eine sachlich bedingte Unbilligkeit ist vom Beschwerdeführer nicht geltend gemacht worden. Damit konnte die belangte Behörde auch die vom Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren angedeutete Frage, ob überhaupt eine Unbilligkeit der Einhebung hinsichtlich der übrigen in Betracht kommenden Gesamtschuldner vorgelegen sein könnte, dahingestellt bleiben lassen.

Da somit die Voraussetzungen für eine Nachsicht im Sinne des § 236 Abs. 1 BAO nicht erfüllt waren, erübrigte es sich, auf die weiteren Beschwerdeausführungen, in welcher Weise die Behörde bei Vorliegen einer Unbilligkeit der Abgabeneinhebung von der ihr in diesem Falle obliegenden Übung des Ermessens Gebrauch hätte machen sollen, näher einzugehen.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Von der Durchführung der beantragten Verhandlung war aus den Gründen des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abzusehen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1992160197.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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