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20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);Norm
ABGB §1392;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Dr. Wurdinger, über die Beschwerde des D in L, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 7. April 1992, GZ. GA 11-1513/10/91, betreffend Rechtsgebühr, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Aus den vorgelegten Verwaltungsakten ergibt sich im wesentlichen folgendes:
Am 28. April 1982 errichtete der Notar Dr. A einen dem Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern Wien am 30. April 1982 angezeigten Notariatsakt (GZ. 163/1982) zwischen Dr. P und dem Beschwerdeführer über die Abtretung der Gesellschaftsanteile an der B. GmbH an den Beschwerdeführer.
Mit dem vom Notar Dr. A am gleichen Tag errichteten Notariatsakt (GZ. 165/1982) stellte der Beschwerdeführer an Dr. F das Anbot auf Abschluß eines Treuhand- bzw. Optionsvertrages hinsichtlich seiner Gesellschaftsanteile an der B. GmbH.
Über die Annahme dieses Anbots durch Dr. F wurde ein mit Datum 28. April 1982 errichteter Notariatsakt (GZ. 166/1982 des Notars Dr. A) aufgenommen, der dem Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern Wien ebenfalls am 30. April 1982 angezeigt wurde.
Mit dem vom Notar Dr. P errichteten Notariatsakt vom 14. Juni 1982 (GZ. 1878) trat der Beschwerdeführer die Gesellschaftsanteile an der B. GmbH um den Kaufpreis von S 1,200.000,-- an Hertraud K. ab.
Das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern Wien setzte gegenüber dem Beschwerdeführer für den letztgenannten Abtretungsvertrag (GZ. 1878) gemäß § 33 TP 21 GebG Rechtsgebühr in der Höhe von S 24.000,-- (2 % von S 1,200.000,--) fest.
In der Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, er sei im Jahr 1982 Substitut des Notars Dr. A gewesen. Der von seinem Dienstgeber zu GZ. 163/1982 aufgenommene Notariatsakt über die Abtretung der Gesellschaftsanteile an ihn sei nicht in seiner Anwesenheit errichtet worden. Er habe sich - wie aus einer beiliegenden ärztlichen Bestätigung ersichtlich sei - in der Zeit vom 13. April bis zum 26. April 1982 einer Leistenbruchoperation unterzogen und sei bis einschließlich 2. Mai 1982 im Urlaub gewesen. Nach Dienstantritt habe ihn eine Kanzleiangestellte aufgefordert, einige Unterschriften im Beurkundungsregister und möglicherweise auch auf der genannten Urkunde nachträglich anzubringen. Notar Dr. A habe ihm erklärt, er sei nur kurzfristig Gesellschafter der B. GmbH und würde alsbald den Gesellschaftsanteil an eine noch namhaft zu machende Person abtreten. Ihm sei diese Manipulation zwar nicht recht gewesen, jedoch glaubte er mit der Weiterabtretung die Angelegenheit erledigen zu können.
Im Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz führte der Beschwerdeführer gegen die abweisende Berufungsvorentscheidung aus, sowohl das Anbot auf Abschluß eines Treuhandvertrages (GZ. 165/1982) als auch die Annahmeerklärung (GZ. 166/1982) seien falsch beurkundet worden; es seien daher sowohl die Übernahme einer Treuhandschaft als auch alle sich daran anschließenden Handlungen und Erklärungen mit einer unheilbaren Nichtigkeit behaftet.
Auf Vorhalt teilte der Beschwerdeführer weiters mit, die Notariatsakte GZ. 163, 165 und 166/1982 seien insofern vom Notar Dr. A falsch beurkundet worden, weil er bei deren Errichtung nicht anwesend gewesen und seine Anwesenheit unwahr festgestellt worden sei. Diese Notariatsakte seien daher nicht gesetzmäßig zustandegekommen.
Die belangte Behörde teilte hierauf den Sachverhalt dem Landesgericht für Strafsachen in Wien mit und setzte mit Bescheid vom 21. April 1988 das Berufungsverfahren bis zur Entscheidung über die Frage, ob hinsichtlich der maßgeblichen Notariatsakte eine Falschbeurkundung vorliege, gemäß § 281 BAO aus.
Nachdem das Landesgericht für Strafsachen Wien im Verfahren gegen den Notar Dr. A im Hinblick auf die §§ 223, 224 StGB (Urkundenfälschung) eine Teileinstellung verfügte, setzte die belangte Behörde mit Bescheid vom 18. Oktober 1991 das Berufungsverfahren fort.
Über Vorhalt der Ergebnisse des Strafverfahrens rügte der Beschwerdeführer die rechtliche Würdigung des Sachverhaltes durch das Landesgericht für Strafsachen Wien und bekräftigte, am 28. April - zur Zeit der Errichtung der Notariatsakte GZ. 163, 165/1982 - nicht anwesend gewesen zu sein. Als Beweismittel für seine Abwesenheit in der Zeit vom 13. April bis zum 2. Mai 1982 legte der Beschwerdeführer eine Kopie seines Terminkalenders vor.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. Als Begründung führte die belangte Behörde aus, es sei unbestritten, daß der Beschwerdeführer die streitgegenständliche Urkunde (GZ. 1878) unterfertigt habe und diese gemäß § 33 TP 21 GebG im Hinblick auf § 17 Abs. 1 GebG die Gebührenpflicht nach sich ziehe. Die Gebührenpflicht wäre nur dann nicht gegeben, wenn dieser Urkunde kein rechtsgeschäftlicher Wille zugrundeläge. Der Ansicht des Beschwerdeführers, dies treffe insofern zu, als schon für den Erwerb der GmbH-Anteile von Dr. P kein rechtsgeschäftlicher Wille vorgelegen sei, sei nicht stichhaltig, weil der Beschwerdeführer letztlich akzeptiert habe, an der Vertragsabwicklung beteiligt zu sein. Er sei als Treuhänder in die Abwicklung miteingebunden worden und habe aus dieser Position heraus mit Hertraud K. den streitgegenständlichen Abtretungsvertrag über die ihm offiziell gehörenden Anteile an der B. GmbH geschlossen. Hertraud K. sei mit dieser Urkunde in die Lage versetzt worden, über die GmbH-Anteile zu verfügen.
In der Beschwerde gegen diesen Bescheid wird dessen inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 33 TP 21 Abs. 1 Z. 2 GebG idF vor
Abschnitt VI AbgÄG 1989, BGBl. Nr. 660, unterliegen Zessionen oder Abtretungen von Anteilen an einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung einer Gebühr von 2 v.H. nach dem Wert des Entgeltes.
Nach § 76 Abs. 2 erster Satz GmbHG bedarf es zur Übertragung von Geschäftsanteilen mittels Rechtsgeschäftes unter Lebenden eines Notariatsaktes.
Gemäß § 52 NO ist der Notar verpflichet, bei Aufnahme eines Notariatsaktes die persönliche Fähigkeit und Berechtigung jeder Partei zum Abschlusse des Geschäftes nach Möglichkeit zu erforschen, die Parteien über den Sinn und die Folgen desselben zu belehren und sich von ihrem ernstlichen und wahren Willen zu überzeugen, ihre Erklärung mit voller Klarheit und Bestimmtheit schriftlich aufzunehmen und nach geschehener Vorlesung des Aktes durch persönliches Befragen der Parteien sich zu vergewissern, daß derselbe ihrem Willen entsprechend sei.
Wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt (vgl. z.B. die Erkenntnisse vom 29. März 1993, 91/15/0049, 0050 und vom 23. Jänner 1989, 87/15/0141) festgestellt hat, kann von einer Abtretung von Anteilen an einer GmbH im Sinne des § 33 TP 21 Abs. 1 Z. 2 GebG nur dann die Rede sein, wenn nicht nur das Titelgeschäft (z.B. ein Kaufvertrag), sondern auch das die Abtretung bewirkende Verfügungsgeschäft rechtswirksam geschlossen worden ist (vgl. auch Frotz - Hügel - Popp, Kommentar zum Gebührengesetz, § 33 TP 21 B I 1a und B III).
Der Beschwerdeführer stellt außer Streit, daß der streitgegenständliche Abtretungsvertrag (GZ. 1878 des Notars Dr. P) ordnungsgemäß zustandegekommen ist. Er vermeint jedoch sinngemäß, auf Grund seiner Abwesenheit zur Zeit der Errichtung der Notariatsakte GZ. 163/1982 (Erwerb der Anteile an der B. GmbH) sowie GZ. 165/1982 (Anbot auf Abschluß einer Treuhandvereinbarung) seien diese Rechtsakte nichtig. Er habe daher über die GmbH-Anteile nicht verfügen können; das Verfügungsgeschäft über die Abtretung der Gesellschaftsanteile an Hertraud K. sei somit auch nicht rechtswirksam geschlossen worden.
Dieser Ansicht ist zunächst entgegenzuhalten, daß die Frage, in welcher Form das Treuhandanbot gestellt wurde und ob dadurch überhaupt eine Treuhandschaft zwischen dem Beschwerdeführer und Dr. F hinsichtlich der Geschäftsanteile zustandegekommen ist, für die Beurteilung des Beschwerdefalles keine Relevanz besitzt. Entscheidend ist vielmehr, ob der Beschwerdeführer durch den - nach seinem Vorbringen - nicht in seiner Anwesenheit errichteten Notariatsakt GZ. 163/1982 die Anteile an der B. GmbH erworben hat. Der Beschwerdeführer hat im Verwaltungsverfahren wiederholt vorgebracht, er habe möglicherweise diesen Notariatsakt erst nachträglich unterzeichnet. Durch diese nachträgliche Unterfertigung wurde die bis dahin für ein gültiges Zustandekommen des Vertrages fehlende Willenserklärung des Beschwerdeführers abgegeben, wodurch der Abtretungsvertrag unter Berücksichtigung des Vorliegens des Notariatsaktes formgültig zustandegekommen ist. Die Abwesenheit des Beschwerdeführers zur Zeit der Errichtung des Notariatsaktes hat auf dessen Formwirksamkeit keinen Einfluß. Aus § 52 NO ergibt sich zwar, daß beide Parteien bei Errichtung eines Notariatsaktes gleichzeitig anwesend sein müssen (vgl. Wagner, Notariatsordnung3 (1985), Tz. 9.2 zu § 52 NO), jedoch läßt eine Verletzung dieser Norm die Wirksamkeit des Rechtsgeschäftes unberührt. Dies ergibt sich - wie Peter Bydlinski, Notariatsakt und Notarshaftung, NZ 1991, 236 zutreffend ausführt - aus einer wörtlichen und systematischen Auslegung der §§ 66 und 68 NO: Nach diesen Bestimmungen hat ein Notariatsakt bei bestimmten Formmängeln nicht die Kraft einer öffentlichen Urkunde; bei Verstoß gegen diese Normen liegt somit kein formgültiger Vertrag vor, wenn das Gesetz (z.B. § 76 Abs. 2 GmbHG) einen Notariatsakt fordert.
§ 66 NO erfaßt bloß Verstöße gegen die §§ 54 bis 65 NO, § 68 NO die Unterlassungen von bestimmten Förmlichkeiten. Dadurch, daß der Beschwerdeführer - nach seinen Angaben - nachträglich seine Unterschrift auf den Notariatsakt GZ. 163/1982 gesetzt hat, wurden diese Bestimmungen jedoch nicht verletzt. Der Beschwerdeführer hat somit rechtswirksam die Anteile an der B. GmbH erworben und konnte daher auch rechtsgültig das Verfügungsgeschäft darüber mit Hertraud K. schließen.
Der Beschwerdeführer bringt unter dem Aspekt der Verletzung von Verfahrensvorschriften vor, die belangte Behörde habe es unterlassen, die Einvernahme der angebotenen Zeugen und die Erstattung eines Schriftsachverständigengutachtens hinsichtlich seiner Abwesenheit zur Zeit der Errichtung der Notariatsakte GZ. 163, 165/1982 am 28. April 1982 durchzuführen.
Dieser Rüge ist entgegenzuhalten, daß die Berufungsbehörde im Einklang mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers davon ausgegangen ist, er sei zu diesem Zeitpunkt nicht anwesend gewesen. Er habe jedoch nachträglich diese Abtretung sanktioniert. Die Durchführung einer diesbezüglichen weiteren Beweiserhebung war daher nicht erforderlich.
Die Beschwerde war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1992160102.X00Im RIS seit
19.06.2001