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35/04 Zolltarifgesetz Präferenzzollgesetz;Norm
Zolltarif Erläuterungen;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Dr. Wurdinger, über die Beschwerde der Molkerei A, Gesellschaft m.b.H. & Co, in X, vertreten durch Dr. C und Dr. W, Rechtsanwälte in X, gegen den Bescheid des Bundesministers für Finanzen vom 1. September 1993, Zl. M 2628/1/12-III/7/93, betreffend Tarifierung gemäß § 3 Abs. 1 Zolltarifgesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird in Punkt 2. seines Spruches wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.420,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist die Einreihung der als "Schlemmer Joghurt (mit Piemont Kirschen)" bezeichneten Ware in die Position 2d2 (nach Meinung der belangten Behörde) oder 2c2 (nach Meinung der Beschwerdeführerin) der Unternr. 040310B des Zolltarifs strittig, wobei beide Parteien übereinstimmend davon ausgehen, daß die Ware, auf die die Bezeichnung "Fruchtjoghurt" zutrifft, auf Grund ihres wesensbestimmenden Joghurtanteiles als "anderes Joghurt" iS der Unternr. 040310B des Zolltarifes zu behandeln ist.
Die beschwerdegegenständliche Ware hat nach den Feststellungen der belangten Behörde unstrittig folgende Beschaffenheit:
"Sie besteht aus einem Joghurterzeugnis und einer Fruchtzubereitung, die in einem als gemeinsame Umschließung dienenden Zweikammerbehältnis aus Polystrol getrennt voneinander abgepackt sind. In der größeren Kammer befindet sich das Joghurterzeugnis (Verpackungsankündigung: 135 g), in der kleineren Kammer die Fruchtzubereitung (Verpackungsankündigung: 40 g). Beide Kammern werden gemeinsam, jedoch räumlich getrennt, mit einer aufgesiegelten, bunt bedruckten Aufreiß- bzw. Abdeckfolie aus Aluminium verschlossen. Der Aufdruck auf der Deckelfolie lautet "m/Schlemmer Joghurt/feiner Joghurt mit Sahne und Piemont-Kirschen". Daneben ist die Folie mit Angaben über die jeweilige Zusammensetzung der beiden Komponenten, deren Füllgewichte, sowie mit einer Gehaltsangabe über den in der Gesamtmasse der beiden Komponenten bzw. in der vereinigten Ware enthaltenen Eiweiß-, Fett- und Kohlenhydratanteilen bedruckt.
Die als Joghurt bezeichnete Komponente ist eine weiße, homogene, sämig-viskose (dick-flüssige) Masse mit joghurtartigem, leicht sahnigem Geruch und Geschmack. Organoleptisch wurden von acht (Geruch) bzw. sechs (Geschmack) von zwölf Testpersonen Aromen, insbesondere Vanille, festgestellt.
Die Untersuchung der Joghurtkomponente ergab:
Eigengewicht 135,0 g
Trockenrückstand (105oC) 24,0 Gew%
Wassergehalt 76,0 Gew%
pH 4,10
Dichte bei 20oC 1,062 g/cm3
Gesamtzucker,
gerechnet als Invertzucker
nach Luff-Schoorl 9,3 Gew%
Glucose (enzymatisch) 1,6 Gew%
Fructose (enzymatisch) weniger als 0,1 Gew%
Saccharose (enzymatisch) 3,3 Gew%
Lactose, wasserfrei (enzymatisch) 5,2 Gew%
Galaktose (enzymatisch) 0,5 Gew%
Gesamtstickstoff nach Kjeldahl (%N) 0,91 Gew%
Milcheiweiß (%Nx6,38 5,8 Gew%
Gesamtfett nach Stoldt-Weibull
(=Milchfett) 4,9 Gew%
Stärke, qualitativ negativ
Rindercaseine, RIDD positiv
Rindermolkenproteine, RIDD positiv
Vanillin, HPLC positiv
mikroskopisches Bild Milchsäurebakterien (Strepto-
kokken); reichlich Öltröpfchen;
Zellgewebsfragmente von Früchten
oder der Kakaobohne sind nicht
vorhanden.
Nach dem Analysenergebnis in Verbindung mit der sinnfälligen Beschaffenheit und dem mikroskopischen Befund erweist sich die Joghurtkomponente als ein gezuckertes und mit Gelatine als Bindemittel stabilisiertes, aufgefettetes Joghurt ohne Zusatz von Früchten oder Kakao. Die angegebene Aromatisierung des Joghurts mit einem kombinierten Sahne-Vanillearoma im Ausmaß von 0,01% wurde mittels HPLC überprüft und hinsichtlich des Vanillins qualitativ bestätigt. Der Sahnearomazusatz wurde analytisch nicht nachgewiesen, der Zusatz dieses Aromas wird aber nicht ausgeschlossen. Wie die Ergenisse der Untersuchungen mittels HPLC und die organoleptischen Prüfungen zeigen, sind Aromastoffe in geringem Ausmaß im Joghurt enthalten.
Die Fruchtzubereitung ist eine rote, viskose, mit entkernten, ganzen Kirschen durchsetzte Masse, mit kirschartigem, süß-saurem Geschmack und aromatischem Geruch.
Die Untersuchung der Fruchtzubereitung ergab:
Eigengewicht 40,5 g
Trockenrückstand (15oC) 31,5 Gew%
Gesamtzucker,
gerechnet als Invertzucker
nach Luff-Schoorl 21,8 Gew%
Glucose (enzymatisch) 10,6 Gew%
Fructose (enzymatisch) 9,0 Gew%
Saccharose (enzymatisch) 3,1 Gew%
Sorbinsäure, HPLC positiv
Zitronensäure, qualitativ positiv
Ethanol, Destillation nicht nachweisbar
Nach dem Analysenergebnis in Verbindung mit der sinnfälligen Beschaffenheit erweist sich die Fruchtkomponente als im wesentlichen aus ganzen und Teilen von entkernten Kirschen, Zucker, Zitronensäure, einem Verdickungsmittel, Aromastoffen und Sorbinsäure bestehend.
Durch das Zusammenfügen der Inhalte der beiden Kammern erhält man ein Produkt, auf das die Bezeichnung "Fruchtjoghurt" zutrifft."
Während die Beschwerdeführerin die maßgebliche Gewichtsprozentgröße des Milchfettgehaltes von "2 oder mehr jedoch weniger als 4" ausgehend vom Gesamtgewicht unter Einbeziehung der Fruchtkomponente (175 g) mit 3,76 Gewichtsprozent als gegeben erachtet und demzufolge die Position 2c2 (AA Code 270) angewendet haben will, gelangte die belangte Behörde, allein ausgehend von der Joghurtkomponente, zu einem maßgeblichen Gewichtsprozentgehalt an Milchfett von 4,9 und nahm demzufolge auf Grund der Beschaffenheit der Ware die Einreihung in die Position 2d2 (AA Code 271) des Zolltarifes vor.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Verwaltungsgerichtshofbeschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf gesetzmäßige Tarifierung verletzt und erklärt ausdrücklich, den Punkt 1 des Spruches des Bescheides der belangten Behörde nicht zu bekämpfen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die hier maßgeblichen Tarifbestimmungen des Zolltarifes
lauten auszugsweise:
"0403 Buttermilch, Sauermilch und Sauerrahm, Joghurt, Kefir
sowie andere fermentierte oder gesäuerte Milch und
Rahm, auch eingedickt oder mit Zusatz von Zucker oder
anderen Süßungsmitteln oder mit Geruchs- und
Geschmackstoffen oder mit Zusatz von Früchten oder
Kakao:
040310 - Joghurt:
A - ohne Zusatz von Geruchs- und Geschmackstoffen
und ohne Zusatz von Früchten oder Kakao ...
B - anderes
1 - in Pulverform, granuliert oder in anderer fester
Form ...
2 - sonstige ...
c - mit einem Gehalt an Milchfett von 2 oder mehr,
jedoch weniger als 4 Gewichtsprozent:
1 - keinen Zucker enthaltend oder mit einem
Gesamtzuckergehalt, gerechnet als Invert-
zucker, von weniger als 5 Gewichtsprozent
(AA Code 230)
2 - anders (AA Code 270)
d - mit einem Gehalt an Milchfett von 4 oder mehr,
jedoch weniger als 6 Gewichtsprozent:
1 - keinen Zucker enthaltend oder mit einem
Gesamtzuckergehalt, gerechnet als Invert-
zucker von weniger als 5 Gewichtsprozent
(AA Code 231)
2 - anders (AA Code 271)."
Die allgemeinen Vorschriften für die Auslegung des
Zolltarifs (AV) lauten auszugsweise:
"2 - b - Jede Bezugnahme auf einen Stoff in einer Nummer
gilt für diesen Stoff sowohl in reinem Zustand als auch
gemischt oder in Verbindung mit anderen Stoffen. Ebenso gilt
jede Bezugnahme auf eine Ware aus einen bestimmten Stoff für
Waren, die ganz oder teilweise aus diesem Stoff bestehen. Die
Einreihung solcher gemischten oder zusammengesetzten Waren
erfolgt nach den Grundsätzen der Vorschrift 3.
3 - Kommen für die Einreihung von Waren bei Anwendung der
Vorschrift 2b oder aus einem anderen Grund zwei oder mehr
Nummern in Betracht, so ist wie folgt zu verfahren: ...
b - Gemische und Waren, die aus verschiedenen Stoffen
oder Bestandteilen bestehen, sowie handelsübliche
Zusammenstellungen von Waren, die in einer gemeinsamen
Aufmachung für den Kleinverkauf vorliegen und die in einander
ergänzender Weise verwendet werden, um eine bestimmte Tätigkeit
oder die Deckung eines bestimmten Bedarfes zu ermöglichen,
sind, wenn ihre Einreihung nicht nach der Vorschrift 3a
erfolgen kann, so einzureihen, als würden sie zur Gänze aus
jener Komponente (Stoff, Bestandteil oder Ware) bestehen, die
ihr Wesen bestimmt, sofern diese Feststellung getroffen werden
kann.
6 - Maßgebend für die Einreihung von Waren in die
Unternummern einer Nummer sind der Wortlaut der Unternummern und der Anmerkungen zu den Unternummern sowie, in sinngemäßer Anwendung, die vorstehenden Vorschriften, wobei nur Unternummern der gleichen Gliederungsstufe gegenüberzustellen sind. Vorbehaltlich gegenteiliger Bestimmungen sind bei Anwendung dieser Vorschrift auch die Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln heranzuziehen."
Für die Einreihung einer Ware ist in erster Linie der normative Gehalt der betreffenden Nummer des Zolltarifs maßgebend (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. Mai 1992, Zl. 91/16/0026). Dabei ist im Interesse der Rechtssicherheit und der leichten Nachprüfbarkeit des Verwaltungshandelns das entscheidende Kriterium für die zollrechtliche Tarifierung von Waren grundsätzlich in deren objektiven Merkmalen und Eigenschaften zu suchen, wie sie im Wortlaut der Nummern und der Anmerkungen zu den Kapiteln oder Abschnitten des Zolltarifs, der als international verbindliches Warenverzeichnis für die Signatarstaaten des Internationalen Übereinkommens über das harmonisierte System zur Bezeichnung und Kodierung von Waren (1987/553) die Grundlage für die Einreihung der weltweit gehandelten Waren bildet, festgelegt sind. Es kommt also grundsätzlich auf an der Ware selbst feststellbare, objektive Merkmale an (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Juni 1990, Zl. 90/16/0051).
Der Zolltarif bezieht sich nun in seiner Nummer 0403, Unternummer 10 auf Joghurt, differenziert dabei zwischen Joghurt A (nach hier nicht weiter interessierenden Kriterien) und "Joghurt B-anderes" (wohin unstrittig die streitgegenständliche Ware gehört) und trifft unter B 1 und 2 eine weitere Unterscheidung danach, ob das "andere Joghurt" in Pulverform, granuliert oder in anderer fester Form vorliegt (1) oder in sonstiger (2), wobei innerhalb dieser Untergruppe in deren lit. a bis f je nach dem Vorhandensein von Milchfett und dessen Gehalt weiter differenziert wird.
Hinsichtlich der hier in Rede stehenden Varianten "2d2" bzw. "2c2" (wofür ein Milchfettgehalt von 4 oder mehr jedoch weniger als 6 Gewichtsprozent bzw. ein solche von 2 oder mehr, jedoch weniger als 4 Gewichtsprozent maßgeblich ist) geht es daher nach dem normativen Gehalt der zitierten Bestimmungen immer um "anderes Joghurt". Da für die Einordnung in die Untergruppe 040310 B "anderes Joghurt" aber die Beschaffenheit der vorliegenden Ware als "Fruchtjoghurt" entscheidend ist, hat sich auch die maßgebliche Größe des Milchfettgehaltes in Gewichtsprozent an der Ware in ihrer Gesamtheit, also einschließlich des Fruchtanteiles zu orientieren und nicht nur an der in der Ware (wenn auch mit maßgeblicher Bedeutung für die Klassifizierung als Joghurt überhaupt) enthaltenen Joghurtkomponente. Diese Auffassung wird auch durch die Bestimmungen der Punkte 2b iVm 3b der AV gestützt, woraus eindeutig das Prinzip der ganzheitlichen Behandlung einer aus verschiedenen Stoffen zusammengesetzten Ware zu entnehmen ist (vgl. dazu auch das hg. Erkenntnis vom 21. November 1979, Slg. N.F. Nr. 5430/F).
Daraus folgt aber, daß die belangte Behörde dadurch, daß sie die relevante Gewichtsprozentgröße an Milchfett nicht anhand des Gesamtgewichtes der Ware "anderes Joghurt" sondern nur auf Grund der darin enthaltenen Joghurtkomponente ermittelte, ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet hat, was gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG zu seiner Aufhebung führen muß.
Die belangte Behörde wird mit den in ihrer Gegenschrift vorgetragenen, auf die Bemerkung III zu den AV in den Erläuterungen zum Zolltarif gestützten Argumenten auf die bereits oben zitierte hg. Rechtsprechung (Erkenntnis Zl. 91/16/0026) verwiesen, wonach diesen Erläuterungen keine normative Wirkung zukommt und ihre Anwendung als Auslegungshilfe am normativen Inhalt des Zolltarifs ihre Grenzen findet.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VO BGBl. Nr. 104/1991.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1993160169.X00Im RIS seit
27.11.2001Zuletzt aktualisiert am
03.07.2018