TE Vwgh Erkenntnis 1994/2/17 92/06/0253

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Veröffentlicht am 17.02.1994
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
40/01 Verwaltungsverfahren;
96/01 Bundesstraßengesetz;

Norm

ABGB §472;
AVG §13 Abs1;
AVG §68 Abs1;
BStG 1971 §17;
BStG 1971 §20 Abs3;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Onder und die Hofräte Dr. Degischer, Dr. Giendl, Dr. Müller und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Knecht, über die Beschwerde des M in K, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 19. Oktober 1992, Zl. 870.095/87-IV/12 a-92, betreffend Enteignung nach dem Bundesstraßengesetz (mitbeteiligte Partei: Tauernautobahn AG), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird insoweit wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben, als

a) die Einräumung auch der Dienstbarkeit der Entnahme sowie Verwendung des bei der Errichtung dieses Tunnels anfallenden Ausbruchmateriales bestätigt und

b) das Begehren des Beschwerdeführers, der mitbeteiligten Partei die Verpflichtung aufzuerlegen, ihn seine mit

S 28.987,20 verzeichneten Kosten des Verwaltungsverfahrens erster Instanz, sowie mit S 6.346,20 verzeichneten Kosten des Berufungsverfahrens binnen zwei Wochen bei Exekution zu ersetzen, abgewiesen wurde.

Im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund (Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.480,--- binnen zwei Wochen bei Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Anträgen von 14. und 22. April 1992 hat die mitbeteiligte Partei zwecks Errichtung eines Tunnels im Zuge der "Autobahnumfahrung Klagenfurt" (Südautobahn A2) unter anderem die Einlösung näher bezeichneter Grundstücke des Beschwerdeführers beantragt. Der Beschwerdeführer hat dagegen, vertreten durch einen Rechtsanwalt, rechtzeitig Einwendungen erhoben und vorgebracht, daß die Einräumung einer Tunneldienstbarkeit zur Verwirklichung des Zweckes ausreichend sei. In der Verhandlung vom 18. Mai 1992 wurde erörtert, daß im Bereich der Liegenschaft des Beschwerdeführers bis auf eine Parzelle die Einräumung einer Dienstbarkeit genügen würde, um das Projekt realisieren zu können; nur eine Teilfläche eines näher bezeichneten Grundstückes im Ausmaß von 220 m2 müsse für die Anlage der Unterflurtrasse dauernd abgelöst werden. Daraufhin schränkte die mitbeteiligte Partei ihren Einlöseantrag (zu ergänzen: insofern) auf die Einräumung "der Dienstbarkeit der Duldung der Errichtung, dauernden Erhaltung und des dauernden Betriebes des Terndorfer Tunnels und der Entnahme sowie Verwendung des anfallenden Ausbruchmaterials" dieses - näher bezeichneten - Tunnels ein. Die Straßenrechtsbehörde erklärte hierauf, daß nach ihrer Ansicht diese Einschränkung keine Änderung des Projektes mit sich bringe, sondern lediglich nicht die Enteignung von Grundstücken erfolge und nur das "gelindere Zwangsmittel" zum Tragen komme. Zu dieser Vorgangsweise sei sie nach den Bestimmungen des Bundesstraßengesetzes wie auch nach den verfahrensrechtlichen Bestimmungen verpflichtet; sie setze demnach das Straßenrechtsverfahren im Sinne des eingeschränkten Antrages fort.

Der Beschwerdeführer trat dem entgegen, weil es sich dabei nicht um eine Einschränkung sondern um eine Änderung und eine Zurückziehung des bisherigen Enteignungsantrages handle, weshalb es erforderlich sei, daß die mitbeteiligte Partei einen neuen Antrag einbringe, der zum Gegenstand einer neuen Ausschreibungs-Kundmachung gemacht werden müßte. Ohne diesen Vorgang wäre er in seinen Rechten insbesondere auf Vorbereitung während der Kundmachungsfrist beschränkt. Über die Einräumung der Servitut dürfe demnach nicht verhandelt werden. Da die mitbeteiligte Partei ihren Antrag zurückgezogen habe, sei sie auch zum Kostenersatz verpflichtet (wurde näher ausgeführt); in einem legte der - anwaltlich vertretene - Beschwerdeführer Kostennote. Die mitbeteiligte Partei erklärte, sie habe ihren Enteignungsantrag nicht zurückgezogen sondern modifiziert. Kostenersatz stehe nach den Bestimmungen des Bundesstraßengesetzes nicht zu. Hierauf wurde die Verhandlung im Sinne des modifizierten Antrages fortgesetzt; dabei erklärte der Beschwerdeführer, mit der Höhe der vom Sachverständigen ermittelten Entschädigung für die Dienstbarkeit zur Errichtung des Tunnels und für den Ausbruch des Tunnelmaterials nicht einverstanden zu sein.

Mit dem Bescheid vom 18. Mai 1992 hat der Landeshauptmann für Kärnten, soweit für das Beschwerdeverfahren erheblich, gemäß den §§ 17 bis 20 des Bundesstraßengesetzes 1971 iVm den Bestimmungen des Eisenbahnenteignungsgesetzes diesen näher bezeichneten Grundstücksteil von 220 m2 zugunsten der Republik Österreich (Bundesstraßenverwaltung) enteignet, hat weiters zu deren Gunsten die durch Bezugnahme auf Pläne näher umschriebene Dienstbarkeit "der Duldung der Errichtung, dauernden Erhaltung und des dauernden Betriebes des Terndorfer Tunnels und der Entnahme sowie Verwendung des Ausbruchmaterials dieses Tunnels" bezüglich bestimmter näher bezeichneten Grundstücke des Beschwerdeführers eingeräumt und hat entsprechende Durchführungsanordnungen getroffen; die Entschädigung wurde für die Einlösung des Grundstücksteiles mit "220 m2 mit S 130,-- pro m2" (demnach mit S 28.600,--), für die Einräumung der Dienstbarkeit mit S 21.328,--

(1.333 Laufmeter a S 16,--) und für das Ausbruchmaterial ("symbolischer Wert") mit S 99.600,-- (1.245,--Laufmeter x 80 m2 Tunnelquerschnitt = 80 m3 pro Laufmeter mit S 1,-- pro Kubikmeter) festgesetzt und der mitbeteiligten Partei zur Zahlung an den Beschwerdeführer binnen drei Monaten nach erfolgter grundbücherlicher Anmerkung der Grundeinlösung und Einverleibung der Dienstbarkeit aufgetragen; den Antrag des Beschwerdeführers auf Kostenersatz für den dem Verwaltungsverfahren beigezogenen bevollmächtigten Vertreter wies die Behörde ab. Begründend wurde ausgeführt, daß die Behörde auch ohne spezielle Antragstellung zur Anwendung des gelinderen Zwangsmittels verpflichtet sei, weshalb es einer neuerlichen Antragstellung wie auch der Neuausschreibung einer Verhandlung nicht bedürfe, zumal eine Projektänderung nicht vorliege. Auch habe sich der Beschwerdeführer auf die von ihm selbst angestrebte Dienstbarkeitseinräumung im vollen Umfang vorbereiten können. Einwendungen gegen die Dienstbarkeit seien nicht erhoben worden. Die Entschädigungen entsprächen den schlüssigen Sachverständigengutachten. Der angestrebte Kostenersatz sei dem Gesetz unbekannt (wird näher ausgeführt).

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer insoweit Berufung, als 1) der mitbeteiligten Partei die Verpflichtung auferlegt wurde, die Entschädigungsbeträge unverzinst erst binnen drei Monaten nach erfolgter grundbücherlicher Anmerkung der Grundeinlösung und Einverleibung der Dienstbarkeit zu bezahlen, 2) ihr auch die Dienstbarkeit der Verwendung des Ausbruchsmaterials dieses Tunnels im Bereich der streitgegenständlichen Liegenschaften eingeräumt wurde, 3) der Kostenersatzantrag abgewiesen wurde und 4) der mitbeteiligten Partei aufgrund der Verhandlung vom 18. Mai 1992 überhaupt Dienstbarkeitsrechte eingeräumt wurden; beantragt wurde, den erstinstanzlichen Bescheid dahin abzuändern, daß der Antrag der mitbeteiligten Partei auf Einräumung einer Dienstbarkeit abgewiesen werde; hilfsweise, daß ihr Antrag auf Einräumung der Dienstbarkeit der Verwendung des Ausbruchmaterials abgewiesen werde; sie in den Ersatz näher bezifferter Kosten verfällt werde und hilfsweise, für den Fall, daß den Anträgen nicht Folge gegeben werden sollte (gemeint: daß es bei der Einräumung einer Dienstbarkeit verbleibe), ihr die Verpflichtung auferlegt werde, die Entschädigungen binnen 14 Tagen nach Rechskraft des erstinstanzlichen Bescheides zu bezahlen und ab dem 18. Mai 1992 gesetzlich zu verzinsen.

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die Berufung, soweit sie sich gegen Notwendigkeit, Gegenstand und Umfang der Enteignung richte, abgewiesen und den angefochtenen Bescheid bestätigt, insoweit sie sich gegen die Höhe der Entschädigung richte, als unzulässig zurückgewiesen; überdies hat sie ausgesprochen, daß sämtliche in der Berufung gestellten Anträge abgewiesen würden.

Begründend wurde ausgeführt, daß weder das Bundesstraßengesetz 1971 noch das AVG 1990 Fristen für die Leistung der im Verwaltungsverfahren festgesetzten Entschädigung vorsähen. Gemäß § 59 Abs. 2 AVG sei die Leistungsfrist im angemessenen Umfang festzusetzen. Es stehe somit im Ermessen der Bundesstraßenbehörde, die Länge der Frist zu bestimmen und es erscheine eine Frist im Ausmaß von drei Monaten als angemessen. Der Berufungsschrift sei zu entnehmen, daß der Beschwerdeführer nicht der Einräumung einer Servitut der Verwendung des Ausbruchsmaterials des Tunnels zustimme, zumal er mit der Bewertung des Materials nicht einverstanden sei. Diese Bewertung sei aber eine Frage der Entschädigung, die gemäß § 20 Abs. 3 des Bundesstraßengesetzes 1971 im Rahmen einer Neufestsetzung im Außerstreitverfahren zu klären sei, jedoch nicht im Berufungsverfahren. Das Kostenersatzbegehren sei abzuweisen, weil nach herrschender Lehre Rechtsanwaltskosten nicht als Verfahrenskosten anzusehen seien. Da keine Projektänderung erfolgt sei und die Bundesstraßenbehörde zur Anwendung des gelinderen Zwangsmittels auch ohne spezielle Antragstellung verpflichtet sei, sei weder eine neuerliche Antragstellung noch eine Neuausschreibung der Verhandlung erforderlich gewesen.

Dagegen richtet sich vorliegende Beschwerde aus den Gründen der inhaltlichen Rechtswidrigkeit und der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt. Sowohl die belangte Behörde, als auch die mitbeteiligte Partei haben Gegenschriften erstattet und beantragt, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1) Es war zulässig, über den geänderten Antrag (weiter) zu verhandeln, weil mangels Projektsänderung die Modifikation lediglich als Einschränkung anzusehen war (demnach als minus und nicht als aliud). Mit der nicht näher konkretisierten Vermutung, es sei denkbar, daß bei entsprechender Kundmachung des eingeschränkten Begehrens Personen, die zur Erhebung von Einwendungen berechtigt seien, zwar keine Einwendungen gegen eine Enteignung, wohl aber gegen die Einräumung von Servitutsrechten erhoben hätten, vermag der Beschwerdeführer nicht aufzuzeigen, daß er in SEINER in diesem Verfahren zu schützenden öffentlich-rechtlichen Rechtssphäre verletzt worden wäre. Nach dem Inhalt der Niederschrift über die Verhandlung wurde das Projekt, auch was die Länge der jeweiligen Abschnitte der Tunnelröhren auf den einzelnen Grundstücken des Beschwerdeführers anlangt, eingehend erörtert, worauf es sodann zur verfahrensgegenständlichen Einschränkung des Antrages kam; die doch allgemein gehaltenen Ausführungen des Beschwerdeführers, daß der Antrag weder hinreichend spezifiziert gewesen sei, weil weder er (Beschwerdeführer) näher bezeichnet worden wäre, noch die von den Dienstbarkeitsrechten betroffenen Grundstücke im Detail angeführt worden wären, überzeugt demnach nicht. Soweit die Dienstbarkeit der Duldung der Errichtung, dauernden Erhaltung und des dauernden Betriebes jenes Tunnels eingeräumt wurde, wurde die Berufung des Beschwerdeführers daher ohne Rechtsirrtum abgewiesen, sodaß diesbezüglich die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen ist.

2) Die Zulässigkeit der Berufung im Verwaltungsverfahren zur Frage der Verzinsung des Entschädigungsbetrages und dessen Fälligkeit hängt davon ab, ob Verzinsung und Fälligkeit der Entschädigungssumme rechtlich dem im § 20 Abs. 3 des Bundesstraßengesetzes 1971 genannten Begriff der "im Verwaltungswege zuerkannten Entschädigung" zu subsummieren ist, weil bezüglich der Höhe der Entschädigung eine Berufung (im Hinblick auf die vom Gesetz eröffnete Möglichkeit, bei Gericht eine Neufestsetzung der Höhe der Entschädigungssumme zu begehren) unzulässig ist. Verneinte man dies, käme ein (selbständiger) Streit hinsichtlich Verzinsung und Fälligkeit überdies nur bis zur Anrufung des Gerichtes in Betracht, weil mit einer solchen Anrufung die verwaltungsbehördliche Entscheidung über die Höhe der Entschädigung außer Kraft tritt (§ 20 Abs. 3 des Bundesstraßengesetzes) und durch ein solches Außerkrafttreten einem Streit über Verzinsung und Fälligkeit die Grundlage entzogen wäre.

Bedenkt man weiters, daß der Beschwerdeführer mit seinem Bestreben, eine frühere Fälligkeit sowie eine Verzinsung dieser Entschädigungssumme zu erwirken, wirtschaftlich letztlich eine höhere Entschädigung anstrebt, so folgt daraus rechtlich, daß es sich (auch) diesbezüglich um einen Streit über die Höhe der Entschädigungssumme iS des § 20 Abs. 3 des Bundesstraßengesetzes 1971 handelt, somit die Berufung insofern unzulässig war, sodaß sie insoweit zurecht zurückgewiesen wurde. Daher war die Beschwerde auch diesbezüglich gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

3) Richtig ist, daß der Beschwerdeführer in der vorliegenden Beschwerde erklärt hat, er hätte "gegen Notwendigkeit, Gegenstand und Umfang der Enteignung nicht berufen". Angesichts der ausdrücklichen Anfechtungserklärung im Berufungsverfahren und der Berufungsanträge, sowie auch im Hinblick auf das Vorbringen in der vorliegenden Beschwerde, kann entgegen der von der mitbeteiligten Partei vertretenen Meinung die eingangs hervorgehobene - mißverständliche - Erklärung nicht dahin verstanden werden, daß der Beschwerdeführer dennoch - entgegen der klaren Tendenz seiner Beschwerde (und zuvor auch seiner Berufung) die Einräumung der Dienstbarkeiten und insbesondere der Dienstbarkeit der Verwendung des beim Tunnelbau gewonnenen Materials unbekämpft lasse. Der Beschwerdeführer hat im Verwaltungsverfahren auch nie erklärt, mit der Einräumung einer solchen Servitut (Verwertung des Materials) einverstanden zu sein. In seinen Einwendungen gegen den ursprünglichen Antrag hat er (lediglich) darauf verwiesen, daß die Einräumung einer Tunneldienstbarkeit zur Realisierung des Projektes ausreichend sei. In der Verhandlung hat der Beschwerdeführer den Standpunkt vertreten, daß über das geänderte Projekt nicht verhandelt werden dürfe; richtig ist wohl, daß er sich nicht ausdrücklich zu dieser auch angestrebten Servitut der Verwendung des Ausbruchmaterials geäußert hat, woraus aber entgegen der Meinung der mitbeteiligten Partei nicht abgeleitet werden kann, daß er die Einräumung auch dieser Servitut gewünscht hätte. Vielmehr ist der Schlußfolgerung der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift beizutreten, daß er damit nicht einverstanden war (und sei es auch mangels Einigung über die Bewertung des Materials).

Dem Einwand des Beschwerdeführers, daß die Einräumung einer solchen Servitut unzulässig sei, hält die mitbeteiligte Partei in ihrer Gegenschrift entgegen, es sei wohl unbestritten, daß für die Herstellung von Bundesstraßen nach den Bestimmungen der §§ 17 ff des Bundesstraßengesetzes 1971 das Eigentum an Liegenschaften im Wege der Enteignung in Anspruch genommen werden dürfe bzw. als gelinderes Mittel eine Dienstbarkeit einzuräumen sei. Warum die Dienstbarkeit nicht auch die Verwertung des Ausbruchsmaterials, das bei Ausübung der Dienstbarkeit zwangsläufig anfalle, umfassen dürfe, sei nicht einsichtig. Bei der Enteignung von Grundflächen werde ja auch mit dem Eigentum die unbeschränkte Verfügung über Grund und Boden bzw. über das im Zuge des Straßenbaues anfallende Material erlangt, das daher dem Enteigneten nicht zur weiteren Verwendung verbleibe. Der Hinweis des Beschwerdeführers auf die Unzulässigkeit der Enteignung von Grundstücken zur Gewinnung von Steinen, Schotter usw. gehe ins Leere, weil der Zweck der bekämpften Enteignung nicht die Materialgewinnung, sondern die Herstellung einer Autobahnanlage sei.

Dem ist folgendes entgegenzuhalten: Die mitbeteiligte Partei übersieht bei ihrer Argumentation, daß hier nicht das Eigentum an den betroffenen Grundstücken enteignet wurde, sondern "nur" Dienstbarkeiten eingeräumt wurden. Richtig wurde erkannt, daß durch die Einräumung nur einer Dienstbarkeit der Duldung der Errichtung, der dauernden Erhaltung und des dauernden Betriebes jenes Tunnels, das Eigentumsrecht des Beschwerdeführers am Aushubmaterial, das beim Bau anfällt, unberührt bleibt (siehe Brunner, Enteignung für Bundesstraßen, Seite 327), wobei die Dienstbarkeit der Duldung der Errichtung des Tunnels zwar dazu berechtigt, das bei der Errichtung anfallende Abbaumaterial aus dem Tunnel zu schaffen (weil ja sonst der Tunnel nicht errichtet werden könnte), nicht aber soll derjenige, zu dessen Gunsten enteignet wird, dadurch berechtigt werden, das ausgehobene Material nach seinem Belieben zu verwenden (auch Brunner aaO versteht "Entnahme" sichtlich im Sinne von Verwertung). Dies wäre, wie der Beschwerdeführer zutreffend erkannt hat, letztlich nichts anderes, als die Enteignung des Eigentums an diesem Material.

Generell gilt, daß verfassungsrechtlich eine Enteignung zulässig ist, wenn ein konkreter Bedarf nach Verwirklichung des im öffentlichen Interesse liegenden Vorhabens besteht, wenn weiters das Objekt der Enteignung geeignet ist, diesen Bedarf unmittelbar zu decken und es schließlich unmöglich ist, den Bedarf anders als durch Enteignung zu decken. Diese "Notwendigkeit" ist - verfassungskonform ausgelegt - ausreichend, um dem Gebot der Eingriffsminimierung Rechnung zu tragen. In der Praxis bedeutet dies inbesondere den Vorrang des Einsatzes eigener Mittel oder auch die Beschaffung der benötigten Güter auf dem Markt (zitiert nach Pauger in Korinek - Pauger - Rummel, Handbuch des Enteignungsrechts, Seite 70).

Nach § 17 des Bundesstraßengesetzes 1971, BGBl. Nr. 286 (§ 17 idF BGBl. Nr. 63/1983), kann für die Herstellung, Erhaltung und Umgestaltung von Bundesstraßen samt den zugehörigen baulichen Anlagen sowie aus Verkehrsrücksichten das Eigentum an Liegenschaften, die dauernde oder zeitweilige Einräumung, Einschränkung und Aufhebung von dinglichen und obligatorischen Rechten (insbesondere Nutzungs- und Bestandsrechten) an solchen im Weg der Enteignung in Anspruch genommen werden. Das gleiche gilt für bauliche und sonstige Anlagen, deren Entfernung sich aus Gründen der Verkehrssicherheit als notwendig erweist. Auch können zu diesen Zwecken durch Enteignung die für die Anlagen von Ablagerungsplätzen, Zufahrten, Straßenwärterhäusern, Bauhöfen und anderen Baulichkeiten sowie die zur Aufrechterhaltung der Verkehrsbeziehungen erforderlichen Grundstücke erworben werden.

Diese Bestimmung sagt demnach nichts über die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit der angestrebten Servitut der Entnahme und Verwendung des Ausbruchmaterials aus (die noch in der Stammfassung des § 17 vorgesehene Möglichkeit einer Enteignung von Grundstücken zur Gewinnung von Steinen, Schotter, Sand u. dgl. ist durch die Novelle BGBl. Nr. 63/1983 beseitigt worden). Nach den oben wiedergegebenen Grundsätzen bedürfte es zur Einräumung einer solchen Servitut einer entsprechenden "Notwendigkeit", die aber weder die belangte Behörde, noch die mitbeteiligte Partei aufzeigen konnten. Auch dem Verwaltungsgerichtshof ist nicht erkennbar, weshalb die Herstellung der gegenständlichen Autobahnanlage die Einräumung auch dieser Servitut "notwendig" machte: Geht man davon aus, daß dieses ausgehobene Material als Schüttmaterial zum Autobahnbau verwendet werden soll, wie der Beschwerdeführer vermutet, ist nicht ersichtlich, warum die erforderliche Aufschüttung nur mit DIESEM, nicht aber mit anderem Material möglich sein sollte (dies nach dem oben aufgezeigten Vorrang des Einsatzes eigener Ressourcen bzw. Vorrang der Beschaffung der benötigten Güter auf dem Markt).

Damit war der angefochtene Bescheid insoweit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

4) Hinsichtlich der beschwerdegegenständlichen Vertretungskosten hat der Verwaltungsgerichtshof (nach Bescheiderlassung und Beschwerdeerhebung) im Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 11. Februar 1993, Zl. 90/06/0211, ausgesprochen, daß zu den Kosten des Enteignungsverfahrens nach dem Bundesstraßengesetz im Sinne des § 44 des Eisenbahnenteignungsgesetzes auch die Kosten der rechtsfreundlichen Vertretung zählen. Der Beschwerdeführer hat während des Verwaltungsverfahrens durch einen rechtsfreundlichen Vertreter darauf hingewiesen und dies näher begründet, daß die Einräumung einer Tunnelservitut zur Realisierung des Projektes ausreiche, weshalb die Enteignung der Grundstücke zwecks Ausführung des Projektes unzulässig erscheine. Seine Ausführungen bezogen sich damit nicht nur auf die Höhe der vorgesehenen Entschädigung, sodaß Kosten rechtsfreundlicher Vertretung insoweit im Verwaltungsverfahren zuzusprechen sind. Er hat auch rechtzeitig (vor Bescheiderlassung) die Zuerkennung von Kostenersatz beantragt und ein Kostenverzeichnis vorgelegt. Demnach hat die belangte Behörde (wenngleich auf Grundlage der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor jenem Erkenntnis des verstärkten Senates vom 11. Februar 1993) den Antrag auf Zuerkennung von Vertretungskosten zu Unrecht abgewiesen, weshalb der angefochtene Bescheid auch insofern gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben war.

5) Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Zurückweisung wegen entschiedener Sache

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1992060253.X00

Im RIS seit

27.03.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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