TE Vwgh Erkenntnis 1994/2/17 94/19/0035

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Veröffentlicht am 17.02.1994
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Index

19/05 Menschenrechte;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1991 §1 Z1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
MRK;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Holeschofsky als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde der T in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in M, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 22. November 1993, Zl. 4.335.914/3-III/13/92, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Der dem Beschwerdeschriftsatz beiliegenden Ausfertigung des angefochtenen Bescheides ist - von der Beschwerdeführerin unbestritten - zu entnehmen, daß die Beschwerdeführerin (eine irakische Staatsangehörige, die am 23. März 1992 in das österreichische Bundesgebiet einreiste und an eben diesem Tage einen Asylantrag stellte) bei ihrer niederschriftlichen Befragung durch die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich am 1. April 1992 im wesentlichen folgendes angegeben hat:

Im Jahre 1983 habe die Beschwerdeführerin in Kuwait-City ihren Mann, einen Palästinenser, kennengelernt; aus der Ehe seien drei Kinder hervorgegangen. Als der Krieg des Irak gegen Kuwait begonnen habe, habe sie Kuwait-City verlassen müssen, da sie ihres Lebens nicht mehr sicher gewesen sei. Kuwaitische Widerstandskämpfer hätten in der Nacht Attentate auf Ausländer durchgeführt, sodaß die Beschwerdeführerin, um ihre Kinder nicht zu gefährden, mit diesen und ihrem Mann nach Bagdad geflüchtet sei. Dort sei ihr Mann jedoch von den irakischen Behörden bedroht worden; er habe keine Arbeit bekommen, da er sich geweigert habe, der Abu Nidal-Gruppe beizutreten. Aufgrund der mittlerweile eingetretenen Ereignisse habe die Beschwerdeführerin auch nicht mehr nach Kuwait zurückkehren können, da sie dort als Irakerin und ihr Gatte als Palästinenser "Einreiseverbot" gehabt hätten bzw. gesucht worden seien; im Falle einer Einreise hätte man die Beschwerdeführerin in Kuwait sofort festgenommen. Die Beschwerdeführerin beabsichtige, ihre Kinder in einem demokratischen Land aufwachsen zu lassen, weshalb sie sich zur Flucht nach Österreich entschlossen habe. In ihrer Heimat und in Kuwait habe sie nie einer Partei oder politischen Organisation angehört, sie sei nur wegen ihrer Herkunft verfolgt worden.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den erstinstanzlichen Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab.

Begründend vertrat die belangte Behörde im Ergebnis die Auffassung, die Beschwerdeführerin habe nicht glaubhaft machen können, aus politischen, ethnischen oder religiösen Gründen verfolgt zu werden: Von der behaupteten "Verfolgungsfurcht" einer irakischen Staatsangehörigen vor kuwaitischen Widerstandskämpfern könne die Flüchtlingseigenschaft nicht abgeleitet werden. Weiters habe die Beschwerdeführerin keine einzige konkrete, gegen sie selbst gerichtete Verfolgungshandlung auch nur behauptet. Die bloße innere Abneigung gegen das in ihrer Heimat herrschende System, das die Beschwerdeführerin dazu bewogen habe, ihre Kinder in einem demokratischen Land aufwachsen zu lassen, reiche nicht zur Annahme einer wohlbegründeten Furcht vor Verfolgung aus. Die behaupteten Bedrohungen ihres Gatten wiederum könnten nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht berücksichtigt werden, da sie die Person der Beschwerdeführerin nicht unmittelbar beträfen und Ereignisse, die sich auf andere Personen bezögen, nicht den gewünschten Verfahrensausgang bewirken könnten.

Die Beschwerdeführerin macht inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und erachtet sich in ihrem Recht auf Anerkennung als Flüchtling im Sinne des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 und damit auf Asylgewährung verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die Beschwerdeführerin stellt die Richtigkeit der Wiedergabe ihrer Angaben in erster Instanz durch den angefochtenen Bescheid nicht in Frage und argumentiert im wesentlichen nur dahin, es habe - bei verfassungskonformer Interpretation des § 3 Asylgesetz 1991 - die belangte Behörde von einer aktuellen und speziell auf die Beschwerdeführerin gerichteten Verfolgungsgefahr auszugehen gehabt; der Druck des Staates Irak einerseits ebenso wie jener der radikalen Palästinenserorganisation des Abu Nidal andererseits seien hinreichend aktenkundig; die Familienstruktur der Beschwerdeführerin weise "geradezu die klassischen Merkmale auf, welche im Nahen Osten zu Verfolgung führen".

Damit zeigt aber die Beschwerdeführerin keine Gründe auf, die asylrechtlich relevant ihr Beschwerdevorbringen stützen würden. Die belangte Behörde hat nämlich aufgrund der eigenen Angaben der Beschwerdeführerin im erstinstanzlichen Verfahren im Ergebnis frei von inhaltlicher Rechtswidrigkeit die beantragte Asylgewährung abgelehnt, weil die Beschwerdeführerin keine konkreten, gegen ihre Person gerichteten, aus Gründen der Genfer Flüchtlingskonvention gesetzten Verfolgungshandlungen behauptet hat, die bei der gebotenen objektiven Betrachtung so gestaltet wären, daß ein weiterer Verbleib der Beschwerdeführerin in ihrer Heimat als unerträglich zu bezeichnen wäre (Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 31. März 1993, Zl. 93/01/0168). Mit dem Hinweis, sie habe die Absicht, ihre Kinder in einem demokratischen Land aufwachsen zu lassen, beruft sich die Beschwerdeführerin auf keine der im § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 genannten Tatbestände. Nach der eben zitierten Gesetzesstelle - die den Flüchtlingsbegriff im Einklang mit der Genfer Flüchtlingskonvention (Art. 1 Abschnitt A Z. 2 in Verbindung mit dem Protokoll BGBl. 1974/78) festlegt, ist Flüchtling eine Person, die sich aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung außerhalb des Heimatstaates befindet und im Hinblick auf diese Furcht nicht in der Lage oder nicht gewillt ist, in diesen zurückzukehren. Daran ändert auch eine allfällige "verfassungskonforme Interpretation" im Hinblick auf Art. 3 MRK nichts, wie sie die Beschwerdeführerin vornimmt; die innere Ablehnung eines politischen Systems ersetzt nicht die vom Gesetz im Einklang mit dem internationalen Recht geforderten Merkmale des Flüchtlingsbegriffs, wonach für die Feststellung der Flüchtlingseigenschaft ausschließlich die in der Genfer Flüchtlingskonvention taxativ aufgezählten Gründe, nicht jedoch Gründe anderer Art, auch nicht solche nach der MRK, von Bedeutung sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. November 1992, Zlen. 92/01/0755, 0812).

Auch der - gegebenenfalls mit Billigung der staatlichen Behörden - gemachte Vorschlag an den Ehegatten der Beschwerdeführerin, der "Abu Nidal-Gruppe" beizutreten, vermag in diesem Zusammenhang keine gegen die Beschwerdeführerin selbst gerichtete VERFOLGUNGSHANDLUNG darzulegen.

Der Rüge der Verletzung von Verfahrensvorschriften schließlich kann die behauptete Verletzung des "Amtswegigkeitsgrundsatzes gemäß § 39 Abs. 2 AVG" nicht entnommen werden. Auf das Berufungsvorbringen war von der belangten Behörde nicht mehr Bedacht zu nehmen, weil sie gemäß § 20 Abs. 1 Asylgesetz 1991 das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens erster Instanz zugrundezulegen hatte. Auch eine Ergänzung oder Wiederholung des Ermittlungsverfahrens hatte die belangte Behörde nicht anzuordnen, weil kein Fall des § 20 Abs. 2 des zitierten Gesetzes vorlag. Es ist daher auch die Rüge des Beschwerdeführers, die belangte Behörde wäre (richtig gemäß § 16 Abs. 1 Asylgesetz 1991) zu weiteren Ermittlungen verpflichtet gewesen, verfehlt. Auch eine Unterlassung der Manuduktionspflicht kann bei dieser Sach- und Rechtslage der belangten Behörde nicht mit Erfolg vorgeworfen werden (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 8. Juli 1992, Zl. 92/01/0542).

Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen ließ, daß die behauptete Rechtswidrigkeit nicht vorliegt, war die Beschwerde ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen (§ 35 Abs. 1 VwGG).

Aus diesem Grund erübrigte sich auch ein gesonderter Abspruch des Berichters über den Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1994190035.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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