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20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);Norm
ABGB §1113;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Dr. Wurdinger, über die Beschwerde der E-GmbH in W, vertreten durch Dr. L, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 1. Juni 1993, Zl. GA 11-1633/90, betreffend Rechtsgebühr, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.570,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit einem Pachtvertrag vom 28. April 1989 pachtete die Beschwerdeführerin ein gewerbliches Unternehmen. In den Punkten 2. und 3.1. der Vertragsurkunde ist ausgeführt:
"2.
Vertragsdauer
Das Vertragsverhältnis beginnt am 1.4.1989 und wird auf die Dauer von 1 Jahr abgeschlossen. Wird das Pachtverhältnis nach Ablauf dieser Frist fortgesetzt, so verlängert es sich jeweils um ein weiteres Jahr. Es kann dann von jedem Vertragsteil unter Einhaltung einer sechsmonatigen Kündigungsfrist ohne Angabe von Gründen zum Ende des Geschäftsjahres (31.3.) aufgekündigt werden.
3.
Pachtzins
3.1. Der jährliche Pachtzins setzt sich wie folgt zusammen:
a)
Entgelt von S 3,400.000,-- zuzüglich derzeit 10 % Umsatzsteuer für die Verpachtung der im Eigentum der Verpächterin befindlichen Liegenschaften lt. Anlage 1;
b)
Entgelt von S 320.000,-- zuzüglich derzeit 20 % Umsatzsteuer für die Verpachtung des beweglichen Inventars (Maschinen, Betriebs- und Geschäftsausstattung, ohne EDV-Hardware und -Software und ohne Kraftfahrzeuge);
c)
Entgelt für die Verpachtung der Kraftfahrzeuge, und zwar:
-
für PKW S 220.000,-- (ohne Umsatzsteuer, da nicht steuerbar);
-
für LKW und sonstige Kraftfahrzeuge S 360.000,-- zuzüglich derzeit 20 % Umsatzsteuer;
Das vorstehende Entgelt für die Verpachtung der Kraftfahrzeuge ist nur für eine Pachtdauer von 4 Jahren zu entrichten. Im Falle der Neuanschaffung von Kraftfahrzeugen durch die Verpächterin für die Pächterin gilt ab dem nachfolgenden Monatsersten ein nach den Grundsätzen der Anlage 2 berechnetes Pachtentgelt vom Anschaffungswert als vereinbart. Bei Rückgabe von gepachteten Kraftfahrzeugen in gebrauchsfähigem Zustand an die Verpächterin vermindert sich das Pachtentgelt ab dem folgenden Monatsersten ebenfalls entsprechend den diesbezüglichen Berechnungsgrundsätzen lt. Anlage 2.
d)
Entgelt von S 500.000,-- zuzüglich derzeit
20 % Umsatzsteuer für das immaterielle Anlagevermögen (Rechte, Know-how, etc.) und den Firmenwert (good will).
..."
Auf Grund dieses Pachtvertrages schrieb das Finanzamt eine Rechtsgebühr im Sinne des § 33 TP 5 GebG vor. Zur Ermittlung der Bemessungsgrundlage ging das Finanzamt von einer bestimmten Vertragsdauer von einem Jahr sowie einer anschließenden unbestimmten Dauer des Vertragsverhältnisses aus und schrieb demzufolge die Rechtsgebühr insgesamt vom vierfachen Jahresbetrag des vereinbarten Pachtentgeltes vor.
In der Berufung gegen diesen Gebührenbescheid wurde insbesondere vorgebracht, der Bestandvertrag habe sich nicht von vornherein auf einen über den bestimmten Zeitraum hinausgehenden Zeitraum erstreckt, sondern es hätte zur Fortsetzung des Pachtverhältnisses erst einer neuerlichen Willenseinigung bedurft.
Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. In der Begründung der Berufungsentscheidung wurde ausgeführt, aus den Bestimmungen über die Höhe des Pachtzinses bei Änderungen im Umfang des Pachtgegenstandes und der Vereinbarung über das Entgelt der in Bestand genommenen Fahrzeuge für einen Zeitraum von vier Jahren ergebe sich der Wille der Parteien, von vornherein einen Vertrag über einen längeren Zeitraum abzuschließen, der sich stillschweigend jeweils um ein Jahr verlängere. Bei der stillschweigenden Erneuerung eines ursprünglich auf bestimmte Zeit abgeschlossenen Vertrages handle es sich nicht um den Abschluß eines neuen Vertrages, sondern um die Fortsetzung des alten Vertrages. Da von vornherein Vereinbarungen geschlossen wurden, die nur im Fall der stillschweigenden Erneuerung des Vertrages Wirksamkeit entfalten könnten, sei bereits bedingt ein Vertrag für eine längere Geltungsdauer geschlossen worden.
In der Beschwerde gegen diesen Bescheid wird sinngemäß dessen inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend gemacht.
Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift und legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Beschwerdefall ist strittig, ob mit der in Rede stehenden Vertragsurkunde eine Fortsetzung des Pachtverhältnisses über die bestimmte Dauer von einem Jahr hinaus vereinbart worden ist oder nicht. Hiezu wird im § 17 Abs. 1 GebG 1957 bestimmt, daß für die Festsetzung der Gebühren der Inhalt der über das Rechtsgeschäft errichteten Schrift (Urkunde) maßgebend ist.
Nach der ausdrücklichen Bestimmung im Punkt 2. der Vertragsurkunde begann das Vertragsverhältnis am 1. April 1989 und wurde auf die Dauer eines Jahres abgeschlossen. Für den Fall, daß das Pachtverhältnis nach Ablauf dieser Jahresfrist fortgesetzt werde, verlängerte es sich jeweils um ein weiteres Jahr. Nach diesem Wortlaut der Vertragsurkunde war somit eine Verlängerung des Pachtverhältnisses über ein Jahr hinaus nur unter der Voraussetzung vereinbart, daß das Bestandverhältnis fortgesetzt wird. Dieser Formulierung zufolge erstreckte sich der Bestandvertrag nicht von vornherein auf einen über den 31. Dezember 1983 hinausreichenden Zeitraum, sondern es hätte zur Fortsetzung des Pachtverhältnisses erst einer neuerlichen Willenseinigung - schriftlich, mündlich oder konkludent in der Weise, daß der Bestandnehmer die Nutzung der Bestandsache fortsetzt und der Bestandgeber es hiebei bewenden läßt (vgl. § 1114 ABGB) - in der Zukunft bedurft (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. April 1982, 15/2638/80). Der dem Beschwerdefall zugrunde liegende Pachtvertrag läßt noch keine Willenseinigung darüber, den Gebrauch des bezeichneten Bestandgegenstandes für einen über ein Jahr hinausgehenden Zeitraum, gerechnet vom 1. April 1989, erkennen.
Entgegen der Meinung der belangten Behörde unterscheidet sich dabei der vorliegende Sachverhalt nicht wesentlich von jenem im Fall des Erkenntnisses vom 22. April 1982, 15/2638/80:
Insbesondere kommt dem Umstand, daß der Endzeitpunkt der bestimmten Dauer des Pachtverhältnisses im vorliegenden Beschwerdefall nicht auch - wie im Falle des Erkenntnisses 15/2638/80 - datumsmäßig bezeichnet war, für die zu lösende Rechtsfrage entscheidende Bedeutung nicht zu. Sehr wohl unterscheidet sich aber der nunmehrige Beschwerdefall von jenem des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. Mai 1990, 88/15/0171, in welchem Fall ausdrücklich vereinbart worden war, daß sich das Bestandverhältnis in Abhängigkeit von einem zukünftigen, ungewissen Ereignis (daß nämlich das Bestandverhältnis zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht beendet ist) um eine bestimmte Zeit verlängerte.
Gegen die Beurteilung, wonach im Beschwerdefall ein Bestandverhältnis auf die Dauer eines Jahres abgeschlossen worden ist, kann auch nicht ins Treffen geführt werden, daß weitere Vertragsabreden über die Fortführung des gepachteten Unternehmens für eine wirtschaftliche Sinnhaftigkeit eines länger andauernden Vertragsverhältnisses sprechen. Solche Abreden können nur als Rahmenvereinbarungen für den Fall angesehen werden, daß später ein neuerlicher Bestandvertrag tatsächlich zustande kommt (vgl. neuerlich das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. April 1982, 15/2638/80).
Im Gegensatz zur Auffassung der belangten Behörde ist die in Rede stehende Vertragsbestimmung auch nicht undeutlich hinsichtlich der für die Festsetzung der Gebühren bedeutsamen Umstände (vgl. § 17 Abs. 2 GebG 1957). Die Vereinbarung über die Dauer des Bestandverhältnisses läßt vielmehr verschiedene Deutungen über ihren Inhalt nicht zu.
Der angefochtene Bescheid war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Als Ersatz von Stempelgebühren war die Eingabengebühr für drei Beschwerdeausfertigungen und die Beilagengebühr (angefochtener Bescheid in einfacher Ausfertigung) in Höhe von S 90,-- zuzusprechen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1993160135.X00Im RIS seit
20.11.2000