TE Vwgh Erkenntnis 1994/2/17 94/19/0043

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Veröffentlicht am 17.02.1994
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1991 §1 Z1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Händschke, Dr. Stöberl und Dr. Holeschofsky als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des M in V, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 4. November 1992, Zl. 4.313.181/-III/13/91, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 505,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 4. November 1992 wurde in Bestätigung des Bescheides der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 6. August 1991 ausgesprochen, daß Österreich dem Beschwerdeführer - einem türkischen Staatsangehörigen, der am 11. März 1991 in das Bundesgebiet eingereist ist und durch seinen Rechtsanwalt am 22. März 1991 um Asyl angesucht hat - kein Asyl gewähre.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Der Beschwerdeführer macht zunächst unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides geltend, die belangte Behörde hätte zu beurteilen gehabt, ob gemäß § 3 Asylgesetz 1991 "glaubhaft" sei, daß er Flüchtling sei; diesbezüglich hätte sie auf Grund der Bestimmung des § 20 Abs. 1 des zitierten Gesetzes ihrer Entscheidung nur das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens erster Instanz, d.i. "im wesentlichen" seine Angaben bei der Vernehmung am 24. Juli 1991, zugrunde zu legen gehabt, diese seien aber von der belangten Behörde nicht auf ihre "Glaubhaftigkeit" hin überprüft worden, obwohl sich aus den von ihm konkret vorgebrachten, gegen ihn gerichteten Verfolgungshandlungen seine Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 1 Z. 1 des Asylgesetzes 1991 ergebe.

Dazu ist zunächst festzuhalten, daß die belangte Behörde offensichtlich - ohne § 20 Asylgesetz 1991 zu beachten, obwohl sie gemäß § 25 Abs. 2 erster Satz des zitierten Gesetzes das Asylgesetz 1991 (zur Gänze) anzuwenden gehabt hatte - das gesamte Vorbringen des Beschwerdeführers (also auch das Berufungsvorbringen) auf seine Glaubwürdigkeit hin geprüft hat und im Hinblick auf die in den beiden Instanzen sehr unterschiedlichen und widersprüchlichen Angaben auch die Angaben des erstinstanzlichen Verfahrens dahin beurteilt hat, daß eine Verfolgung nicht glaubhaft dargetan worden sei.

Soweit die belangte Behörde das Berufungsvorbringen zur Beweiswürdigung des erstinstanzlichen Verfahrens herangezogen hat, verstößt dies gegen den nunmehr in § 20 Abs. 1 des zitierten Gesetzes verankerten Grundsatz, daß die belangte Behörde - ausgenommen in den hier nicht vorliegenden Fällen des § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 - ihrer Entscheidung das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens erster Instanz zugrunde zu legen hat (siehe das hg. Erkenntnis vom 24. November 1993, Zl. 93/01/0234).

Aber auch bei der dargelegten gebotenen Außerachtlassung seines Berufungsvorbringens ist für den Standpunkt des Beschwerdeführers nichts zu gewinnen:

Seinen schriftlichen Asylantrag vom 8. April 1991 hat der Beschwerdeführer damit begründet, daß sich die (in seinem Antrag auf Erteilung eines Sichtvermerkes vom 21. März 1991 geschilderte) äußerst kritische innenpolitische Lage in der Türkei "selbst für türkische Staatsbürger, die nicht der kurdischen Volksgruppe angehören, noch erheblich verschärft" habe. In seiner, nahe der syrischen Grenze gelegenen Heimatstadt sei er selbst schon einmal von einer Militärpatrouille brutal zusammengeschlagen worden, weil er der Teilnahme am antitürkischen Widerstand verdächtigt worden sei. Mitten in den Wirren des Krieges um Kuwait sei ihm die Flucht gelungen. Aktuellen Berichten in der türkischen Tagespresse zufolge, sei die Situation in den Grenzgebieten zu Syrien und zum Irak sowohl für Türken als auch für Kurden mit Sicherheit lebensgefährlich. Ohne eine befriedigende Lösung des Kurdenproblems herrsche in seinem Heimatland weiterhin der Ausnahmezustand, der es dem türkischen Militär ermögliche, wahllos auf die Zivilbevölkerung loszuschlagen. Dem Verletzungsrisiko bzw. der Lebensgefahr, die mit seinem weiteren Aufenthalt in der Osttürkei verbunden wären, wolle er sich keinesfalls wieder aussetzen.

Bei seiner niederschriftlichen Befragung am 30. Juli 1991 gab der Beschwerdeführer an, Türke und nicht Kurde zu sein und in einer Gegend in der Osttürkei zu wohnen. Die Kurden würden seit jeher von den Türken verfolgt; es sei laufend zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Kurden und Türken gekommen bzw. komme es weiterhin dazu. Er habe einige Male die Polizei mit Informationen über die Kurden versorgt, worauf er von kurdischen Extremisten zusammengeschlagen worden sei. Die Behauptung im Antrag, von einer Militärpatrouille brutal zusammengeschlagen worden zu sein, entspreche nicht der Wahrheit. Er habe nicht mehr länger den kämpferischen Auseinandersetzungen der kurdischen und türkischen Volksgruppen ausgesetzt sein wollen und um sein Leben gefürchtet, weshalb er sich entschlossen habe, nach Österreich zu flüchten.

Beiden daraus zu entnehmenden Sachverhaltsdarstellungen des Beschwerdeführers ist gemeinsam, daß es - wie dies mit anderen Worten in der Beschwerde ausgedrückt wurde - "in den kurdischen Regionen im Südosten der Türkei, in welchem Gebiet der Beschwerdeführer bis zu seiner Flucht gelebt hat, zu laufenden Menschenrechtsverletzungen sowohl durch die türkischen Streitkräfte als durch die militante kurdische Widerstandsbewegung der PKK an der dort lebenden Zivilbevölkerung kommt", die ihn zur Flucht veranlaßt hätten. Der Beschwerdeführer macht der belangten Behörde in diesem Sinne auch zum Vorwurf, die von ihm im Asylantrag beantragte Einvernahme eines "über die aktuelle politische Situation in der Türkei" informierten Vertreters von Amnesty International unterlassen zu haben, auf Grund welchen Beweismittels sie die Überzeugung gewonnen hätte, "daß die Angaben des Beschwerdeführers über dessen wohlbegründete Furcht auf Grund der Zustände in dessen Heimatregion absolut glaubhaft sind".

Geht man im Einklang mit den Angaben des Beschwerdeführers in seiner Vernehmung vor der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich am 30. Juli 1991, davon aus, daß er Türke und NICHT Angehöriger der kurdischen Minderheit sei, kann seinen Ausführungen über die Verfolgung der Kurden in der Türkei nur insoweit für das Asylverfahren Bedeutung zukommen, als daraus auf die allgemeine Unsicherheit in der Region der Türkei geschlossen werden könnte, in der der Asylwerber, der eine persönliche Parteinahme für das Schicksal der Kurden nicht behauptet hat, lebte. Soweit der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang darauf verweist, daß er von Kurden zusammengeschlagen worden sei, geht aus seinem Vorbringen nicht hervor, daß der Beschwerdeführer vor weiteren Übergriffen bei staatlichen Behörden Schutz gesucht habe, ihm aber ein solcher nicht zuteil geworden sei. Erst dann, wenn sich der Beschwerdeführer vergeblich darum bemüht hätte, könnte davon ausgegangen werden, daß die ihm drohenden Übergriffe Dritter von den staatlichen Stellen seines Heimatlandes geduldet würden; nur dann könnte aber von gegen den Beschwerdeführer gerichteten Verfolgungshandlungen im Sinne der Konvention gesprochen werden (vgl. beispielsweise das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. November 1992, Zl. 92/01/0613).

Im Hinblick darauf, daß damit die Angaben des Beschwerdeführers im erstinstanzlichen Verfahren keinen hinreichend deutlichen Hinweis auf einen Sachverhalt enthielten, der für die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor einer in diesem Zusammenhang relevanten Verfolgung in Betracht gekommen wäre, lag für die belangte Behörde - entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers - kein offenkundiger Mangel des Ermittlungsverfahrens erster Instanz im Sinne des § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991, der dessen Ergänzung oder Wiederholung erforderlich gemacht hätte, vor. Die belangte Behörde war daher auf der Grundlage dieser Angaben auch nicht gemäß § 16 Abs. 1 des zitierten Gesetzes - welche Vorschrift eine Konkretisierung der aus § 37 AVG in Verbindung mit § 39 Abs. 2 des zitierten Gesetzes hervorgehenden Verpflichtung der Verwaltungsbehörden, den für die Erledigung der Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt von Amts wegen vollständig zu ermitteln und festzustellen, ist - gehalten, weitere Ermittlungen durchzuführen (vgl. u.a. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. November 1992,

Zlen. 92/01/0800 bis 803).

Da sich somit die Beschwerde als unbegründet erweist, war

sie gemäß § 42 Abs. 2 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1994190043.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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