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19/05 Menschenrechte;Norm
AsylG 1991 §1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des A in L, vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 19. Oktober 1993, Zl. 4.299.623/2-III/13/90, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Aufgrund der vorliegenden Beschwerde und der angeschlossenen Ausfertigung des angefochtenen Bescheides ist von folgendem Sachverhalt auszugehen:
Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 19. Oktober 1993 wurde die Berufung des Beschwerdeführers, eines vietnamesischen Staatsangehörigen, der am 17. April 1990 in das Bundesgebiet eingereist ist, gegen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 29. Oktober 1990, betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft abgewiesen. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
Nach den unbestritten gebliebenen Ausführungen des angefochtenen Bescheides habe der Beschwerdeführer bei seiner niederschriftlichen Einvernahme vor der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich am 10. August 1990 im wesentlichen angegeben, er sei in Vietnahm bei keiner Partei gewesen und habe sich auch politisch nicht betätigt. Seine Großeltern seien Großgrundbesitzer in Vietnam gewesen und aus diesem Grunde im Jahre 1954 von den Kommunisten enteignet und anschließend hingerichtet worden. Aus diesem Grunde seien auch seine Eltern und seine ganze Familie "ständig von den Kommunisten unterdrückt" worden. Er habe in seiner Heimat seine Meinung nie frei äußern können, sondern habe immer gleich mit einer Strafe rechnen müssen. Aus diesem Grunde sei er 1981 in die CSFR geflohen. Da die Lage in der CSFR auch "nicht mehr so gut für die Vietnamesen gewesen sei" und der Beschwerdeführer mit der Führung der vietnamesischen Botschaft in der CSFR nicht einverstanden gewesen sei, sei er nach der Öffnung der Grenze nach Österreich geflüchtet. In der CSFR habe er überdies an einer Veranstaltung bzw. Kundgebung gegen die Praktiken der vietnamesischen Botschaft teilgenommen, was "mit größter Wahrscheinlichkeit" nach Vietnam gemeldet worden sei. Müßte er in seine Heimat zurückkehren, hätte er aus diesem Grund mit einer Strafe zu rechnen.
In seiner Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid habe der Beschwerdeführer im wesentlichen ausgeführt, er sei nach positivem Abschluß des Gymnasiums von der vietnamesischen Regierung im Jahre 1981 als Gastarbeiter in die CSFR geschickt worden, um die Schulden für Vietnam abzuarbeiten. Er habe ein lediges Kind in der CSFR, sei aber dort schlecht behandelt worden und am 17. April 1990 nach Österreich geflüchtet. Er fürchte sich sehr vor dem kommunistischen System in Vietnam und bitte darum, in Österreich bleiben zu dürfen, um ein neues Leben zu beginnen. In seiner Heimat würden er und seine Familie ins Gefängnis kommen und er müßte sogar mit einem Todesurteil rechnen.
Die belangte Behörde hat die Abweisung der Berufung im wesentlichen damit begründet, daß das Ermittlungsverfahren keine "hinreichend sicheren Anhaltspunkte" dafür erbracht habe, daß der Beschwerdeführer in seinem Heimatland aus einem der in § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 genannten Gründe Verfolgung ausgesetzt gewesen sei oder solche zu befürchten hätte. Denn weder könnten Nachteile, denen die Angehörigen des Beschwerdeführers, nicht aber er selbst ausgesetzt gewesen seien, noch das Fehlen des Rechtes auf freie Meinungsäußerung als Verfolgung des Beschwerdeführers im Sinne des Asylgesetzes 1991 gewertet werden. Auch die Teilnahme des Beschwerdeführers an einer Kundgebung "gegen die Praktiken der vietnamesischen Botschaft", könne "mangels gesicherten Wissens der heimatlichen Behörden" nicht zur Annahme begründeter Furcht des Beschwerdeführers vor Verfolgung im Sinne des Asylgesetzes 1991 in seinem Heimatland führen.
Dem hält der Beschwerdeführer im wesentlichen entgegen, die Auffassung der belangten Behörde, das in seinem Heimatland fehlende Recht auf freie Meinungsäußerung sei keine Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention, sei unrichtig. Davon abgesehen habe der Beschwerdeführer dargetan, daß regimekritische Äußerungen mit Verhaftung und langer Freiheitsstrafe geahndet würden. Er befürchte daher aufgrund seiner Demonstrationsteilnahme, die nach Vietnam "gemeldet worden sein dürfte", ernsthafte Verfolgungen im Falle seiner Rückkehr in sein Heimatland. Unter Berücksichtigung dieser Überlegungen stelle das Fehlen des Rechtes auf freie Meinungsäußerung durchaus einen asylrechtlich relevanten Umstand dar. Die belangte Behörde habe im übrigen dadurch, daß sie auf das Vorbringen des Beschwerdeführers, er habe an einer regimekritischen Demonstration teilgenommen, was auch in sein Heimatland gemeldet worden sein dürfte, nicht eingegangen sei und auch keine Ermittlungen über die ihm daraus drohende Maßnahmen angestellt habe, den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet.
Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, die Beschwerde zum Erfolg zu führen:
Voraussetzung der Flüchtlingseigenschaft im Sinne des - von der belangten Behörde im vorliegenden Fall anzuwendenden - § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 ist die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden. Bloß subjektiv empfundene Furcht vor Verfolgung genügt nicht; vielmehr müssen (allenfalls drohende) Maßnahmen dargetan werden, die sowohl aus objektiver Sicht, als auch unter dem Gesichtspunkt der Schwere des Eingriffes einen (weiteren) Verbleib im Heimatland unerträglich erscheinen ließen (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. September 1993, Zl. 92/01/1041).
Weder dem Berufungs- noch dem Beschwerdevorbringen kann entnommen werden, daß eine offenkundige Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Ermittlungsverfahrens vorliegt (die übrigen Gründe des § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 kommen im vorliegenden Fall von vornherein nicht in Betracht). Die belangte Behörde hatte daher ihrer Entscheidung gemäß § 20 Abs. 1 Asylgesetz 1991 das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens erster Instanz zugrundezulegen, ohne auf die vom Beschwerdeführer erstmals in seiner Berufung zusätzlich vorgebrachten Umstände einzugehen.
Auf dieser Grundlage kann der belangten Behörde zunächst nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie aus der Teilnahme des Beschwerdeführers an einer Demonstration "gegen die Praktiken der vietnamesischen Botschaft" nicht abgeleitet hat, daß bei ihm wohlbegründete Furcht vor Verfolgung im Sinne des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 bestehe. Denn abgesehen davon, daß nicht einmal feststeht, daß die Demonstrationsteilnahme des Beschwerdeführers den Behörden seines Heimatlandes überhaupt bekannt geworden ist - der Beschwerdeführer vermutet dies lediglich, freilich ohne seine Gründe dafür aufzuzeigen -, vermag er mit dem bloßen Hinweis, wegen dieser Teilnahme mit "Strafe rechnen" zu müssen, keine Maßnahme darzutun, die als Verfolgung im Sinne des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 gewertet werden könnte.
Im Gegensatz zur Auffassung des Beschwerdeführers sind weiters für die Feststellung der Flüchtlingseigenschaft ausschließlich die in § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 taxativ aufgezählten Gründe von Bedeutung, nicht jedoch Gründe anderer Art (z.B. auch nicht solche nach der MRK) (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. November 1992, Zl. 92/01/0755, 0812). Der Umstand, daß im Heimatland des Beschwerdeführers ein Recht auf freie Meinungsäußerung nicht bestehe, könnte daher keinen Grund darstellen, dem Beschwerdeführer Asyl zu gewähren.
Zu Recht hat die belangte Behörde auch die, zwar die Angehörigen (Großeltern) des Beschwerdeführers, nicht aber ihn persönlich betreffenden Maßnahmen als Grundlage für die Gewährung von Asyl an den Beschwerdeführer verneint. Denn, abgesehen davon, daß diese Vorgänge auf das Jahr 1954 zurückgehen, setzt die Anerkennung als Flüchtling konkrete, gegen den Asylwerber selbst gerichtete, bzw. ihm drohende Verfolgungshandlungen voraus (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 4. November 1992, Zl. 92/01/0778).
Der Verfahrensrüge des Beschwerdeführers hinsichtlich der Ermittlung der ihm aus seiner Demonstrationsteilnahme nach den allgemeinen politischen Verhältnissen in Vietnam drohenden Maßnahmen ist schließlich entgegenzuhalten, daß nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes im Asylverfahren das Vorbringen des Asylwerbers als zentrales Entscheidungskriterium herangezogen werden muß, und es diesem obliegt, alles Zweckdienliche für die Erlangung der von ihm angestrebten Rechtsstellung vorzubringen (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. Oktober 1992, Zl. 92/01/0726). Der geltend gemachte Verfahrensmangel liegt somit nicht vor.
Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen ließ, daß die vom Beschwerdeführer behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Im Hinblick auf das Vorliegen einer Entscheidung über die Beschwerde erübrigt sich eine Entscheidung des Berichters über den Antrag des Beschwerdeführers, seiner Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1994190774.X00Im RIS seit
20.11.2000