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63/02 Gehaltsgesetz;Norm
DVG 1958 §13 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Germ und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Mag. Unterer, über die Beschwerde des H in W, vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Finanzen vom 14. Jänner 1993, Zl. 26 1710/2-IV/1/92, betreffend Abfertigung gemäß § 26 Abs. 3 Z. 2 des Gehaltsgesetzes 1956, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer stand in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund (Finanzverwaltung im Bereich der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland, kurz: FLD). Seiner Ehe entstammen zwei Kinder, geboren am 16. Februar 1987 und am 25. August 1988. Mit Schreiben vom 10. September 1992 erklärte der Beschwerdeführer gemäß § 21 BDG 1979 seinen Austritt aus dem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis per 30. September 1992. Gleichzeitig beantragte er die Auszahlung der Abfertigung gemäß § 26 Gehaltsgesetz 1956 "für" das jüngere Kind. Mit Schreiben vom 16. September 1992 stellte die FLD fest, daß das Dienstverhältnis des Beschwerdeführers im Hinblick auf seine Erklärung mit 30. September 1992 ende, verwies auf verschiedene Rechtsfolgen und kündigte - unter Wiedergabe der maßgeblichen Gesetzesbestimmung - an, daß hinsichtlich der Abfertigung nach § 26 Gehaltsgesetz 1956 ein gesonderter Bescheid ergehe. Am 3. Dezember 1992 gab der Beschwerdeführer (nach dem Zusammenhang über Aufforderung der Dienstbehörde) bekannt, daß zur Zeit seines Austrittes aus dem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis seine beiden Kinder am Leben gewesen seien (und auch am Tage der Erklärung am Leben seien).
Mit Bescheid vom 10. Dezember 1992 sprach die FLD aus, daß dem Beschwerdeführer aufgrund seines freiwillig erfolgten Austrittes gemäß § 26 Abs. 3 Z. 2 GG 1956 eine Abfertigung von S 72.776,-- gebühre; dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 16. Dezember 1992 zugestellt.
Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde jenen Bescheid vom 10. Dezember 1992 gemäß § 13 Abs. 1 des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG) aufgehoben. Begründend ist nach einer Darstellung des Verwaltungsverfahrens und des Inhaltes der Bestimmung des § 26 Abs. 3 Z. 2 lit. a GG 1956 ausgeführt, daß bereits mit Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 7. April 1992 der Ehegattin des Beschwerdeführers, die bis zu ihrem mit 29. Februar 1992 erfolgten freiwilligen Austritt ebenfalls in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund im Bereich der Finanzverwaltung gestanden sei, gemäß § 26 Abs. 3 Z. 2 GG 1956 eine näher bezifferte Abfertigung als gebührlich zugesprochen worden sei. Dem sei die Erklärung der Ehegattin vom 5. April 1992 zugrundegelegen, wonach die beiden Kinder zum Zeitpunkt ihres Ausscheidens noch gelebt hätten. Gemäß § 13 Abs. 1 DVG sei eine Aufhebung oder Abänderung von rechtskräftigen Bescheiden von amtswegen auch dann zulässig, wenn die Partei wußte oder wissen mußte, daß der Bescheid gegen zwingende gesetzliche Vorschriften verstoße. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (verwiesen wird auf das Erkenntnis vom 17. März 1962, Zl. 2176/60) müsse die Partei das dann wissen, wenn sich der Widerspruch beim Vergleich des Bescheidinhaltes mit dem Wortlaut der angewendeten gesetzlichen Bestimmungen ergäbe. Der Verwaltungsgerichtshof lege die Bestimmung dahin aus, daß sich die Wendung "wissen mußte" nicht auf die Kenntnis der Rechtsvorschrift beziehe, sondern darauf, ob - die Kenntnis der Rechtsvorschrift(en) vorausgesetzt - aus dem Bescheidinhalt mit entsprechender Sorgfalt der Widerspruch hätte erkannt werden können. Im vorliegenden Fall sei überdies unbestritten, daß dem Beschwerdeführer die maßgebliche Rechtsvorschrift durch die Verfügung vom 16. September 1992 tatsächlich zur Kenntnis gebracht worden sei. Da nach deren klaren Wortlaut der Abfertigungsanspruch seiner Ehegattin früher als seiner entstanden sei und er aufgrund der Ausführungen den entsprechenden Sachverhalt habe erkennen können und daher auch habe wissen müssen, daß der an ihn ergangene Bescheid gegen eine zwingende gesetzliche Vorschrift verstoße, sei dieser versehentlich erlassene Bescheid aufzuheben gewesen.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt, aber keine Gegenschrift erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach § 13 Abs. 1 DVG ist in Dienstrechtsangelegenheiten eine Aufhebung von rechtskräftigen Bescheiden auch dann zulässig, wenn die Partei wußte oder wissen mußte, daß der Bescheid gegen zwingende gesetzliche Vorschriften verstößt.
Nach § 26 Abs. 3 Z. 2 lit. a GG 1956 (§ 26 Abs. 3 idF BGBl. 651/1989) gebührt, soweit für dieses Beschwerdeverfahren erheblich, einem Beamten eine Abfertigung, wenn er innerhalb von sechs Jahren nach der Geburt eines eigenen Kindes, das im Zeitpunkt des Ausscheidens noch lebt, freiwillig aus dem Dienstverhältnis austritt. Diese Abfertigung kann für ein und dasselbe Kind nur einmal in Anspruch genommen werden. Stehen beide Ehepartner bzw. beide Elternteile in einem Dienstverhältnis zu einer inländischen Gebietskörperschaft und hätten beide Anspruch auf Abfertigung wegen desselben Kindes, so geht der früher entstandene Anspruch dem späteren vor. Bei gleichzeitigem Entstehen der Ansprüche geht der Anspruch der Mutter vor.
In Übereinstimmung mit der Aktenlage verweist der Beschwerdeführer zutreffend darauf, daß seine Ehegattin die Abfertigung im Hinblick auf die Geburt des älteren Kindes angesprochen habe, er hingegen im Hinblick auf die Geburt des jüngeren Kindes. Die Rechtsbelehrung in der Zuschrift vom 16. September 1992, daß für ein und dasselbe Kind eine solche Abfertigung nur einmal in Anspruch genommen werden könne, kann daher die Wertung der belangten Behörde, der Beschwerdeführer hätte (deshalb) von einer Ungebührlichkeit der zuerkannten Abfertigung wissen müssen, nicht tragen. Auch kann bei dieser Ausgangslage nicht gesagt werden, daß der Zuspruch einer Abfertigung an jeden Elternteil im Hinblick auf die Geburt ZWEIER Kinder innerhalb der Sechsjahresfrist des § 26 Abs. 3 Z. 2 GG 1956 gegen zwingende gesetzliche Vorschriften verstößt, sodaß die von der belangten Behörde angenommenen rechtlichen Voraussetzung für eine Aufhebung des rechtskräftigen Bescheides vom 10. Dezember 1992 von amtswegen nach § 13 Abs. 1 DVG nicht vorlagen.
Der angefochtene Bescheid war demnach gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf dem § 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Das Kostenmehrbegehren war abzuweisen, weil zur Pauschalgebühr für den Schriftsatz nicht auch noch Umsatzsteuer zuzuerkennen ist (vgl. bspw. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. September 1983, Zl. 83/07/0182); auch bedurfte es hier der dritten Ausfertigung der Beschwerde samt Abschrift (Ablichtung) der Beilage nicht, sodaß insofern auch ein Ersatz für Stempelgebühren nicht zuzuerkennen war (vgl. bspw. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 7. Feber 1969, Slg. NF 7505/A).
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1993120079.X00Im RIS seit
20.11.2000