TE Vwgh Erkenntnis 1994/2/18 93/12/0112

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Veröffentlicht am 18.02.1994
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
64/03 Landeslehrer;

Norm

AVG §56;
LDG 1984 §44 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Germ und Dr. Riedinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissärin Mag. Unterer, über die Beschwerde der R in P, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 23. Februar 1993, Zl. 13-368/I Ne 126/10-1993, betreffend Lehrpflichtermäßigung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Steiermark hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.390,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin steht als Hauptschuloberlehrerin in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Land Steiermark; ihre Dienststelle ist die Hauptschule X.

Nach den vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens ersuchte die Beschwerdeführerin unter Vorlage zweier ärztlicher Gutachten mit Schreiben vom 10. November 1992 um Genehmigung einer Teilzeitbeschäftigung aus gesundheitlichen Gründen bis zum Ende des Schuljahres 1992/93.

Mit Schreiben vom 8. Februar 1993, an diesem Tage bei der belangten Behörde eingelangt, beantragte die Beschwerdeführerin "auf Grund der Probleme bei der Behandlung des ersten Ansuchens" unter Vorlage eines neuen ärztlichen Befundes die Herabsetzung ihrer Lehrverpflichtung aus gesundheitlichen Gründen.

Einem bei den Akten befindlichen Schreiben des Büros des 1. Landeshauptmann-Stellvertreters der Steiermark vom 3. Februar 1993 (eingelangt am 10. Februar 1993) ist folgendes zu entnehmen:

"Was das Ansuchen" ... der Beschwerdeführerin ... "anbelangt, so ist, wie bereits telefonisch mit Ihnen besprochen, die Vorlage weiterer ärztlicher Gutachten abzuwarten."

Ohne weitere erkennbare Verfahrensschritte erging der angefochtene Bescheid, mit dem die beantragte Lehrpflichtermäßigung aus gesundheitlichen Gründen gemäß § 44 Abs. 1 des Landeslehrer-Dienstrechtsgesetzes in Verbindung mit § 2 Abs. 1 des Stmk. Landeslehrer-Diensthoheitsgesetzes "nicht gewährt" wurde.

Zur Begründung wird lediglich ausgeführt, die Beschwerdeführerin habe mit Schreiben vom 10. November 1992 um Lehrpflichtermäßigung aus gesundheitlichen Gründen für das zweite Semester des Schuljahres 1992/93 gemäß § 44 Abs. 1 des Landeslehrer-Dienstrechtsgesetzes, BGBl. Nr. 302/1984, in der geltenden Fassung, angesucht. Gemäß § 44 Abs. 1 des zitierten Landeslehrer-Dienstrechtsgesetzes sei eine Lehrpflichtermäßigung aus gesundheitlichen Gründen, die in der Person des Landeslehrers lägen, zulässig. Dies stelle jedoch eine im freien Ermessen des Landes liegende Personalmaßnahme dar. Zweck der Lehrpflichtermäßigung sei die Wiederherstellung der vollen Dienstfähigkeit des Landeslehrers. Die Erwartungen seien in dieser Hinsicht zu überprüfen. Auf Grund der ärztlichen Befundberichte könne von diesem freien Ermessen nicht im positiven Sinne Gebrauch gemacht werden, weshalb wie im Spruch zu entscheiden gewesen sei.

Gemäß § 2 Abs. 1 des Stmk.

Landeslehrer-Diensthoheitsgesetzes, LGBl. Nr. 209/1966, in der Fassung des Gesetzes LGBl. Nr. 22/1983, werde die Diensthoheit über die Landeslehrer von der Landesregierung als oberste Dienstbehörde ausgeübt, sofern einzelne Vollziehungsagenden nicht kraft Gesetzes anderen Dienstbehörden zugewiesen seien. Dies sei bei den Lehrpflichtermäßigungen gemäß § 44 Abs. 1 des vorher genannten Bundesgesetzes nicht der Fall.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der kostenpflichtige Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften bzw. wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit begehrt wird.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt, eine Gegenschrift erstattet und kostenpflichtige Abweisung beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 44 Abs. 1 des Landeslehrer-Dienstrechtsgesetzes, BGBl. Nr. 302/1984 (LDG 1984), kann die Lehrverpflichtung auf Ansuchen des Landeslehrers herabgesetzt werden (Lehrpflichtermäßigung). Eine Lehrpflichtermäßigung ist nur im öffentlichen Interesse - sofern dies unter Bedachtnahme auf die Erfordernisse des Unterrichtes möglich ist - oder aus gesundheitlichen Gründen, die in der Person des Landeslehrers liegen, zulässig; in letzterem Falle darf die Ermäßigung nicht mehr als die Hälfte des Ausmaßes der Lehrverpflichtung betragen.

Gemäß § 58 Abs. 2 des gemäß § 1 DVG anwendbaren AVG sind Bescheide zu begründen, wenn dem Standpunkt der Partei nicht vollinhaltlich Rechnung getragen oder über Einwendungen oder Anträge von Beteiligten abgesprochen wird. Nach § 60 AVG sind in der Begründung die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen.

Gemäß § 8 Abs. 1 DVG hat die Behörde im Dienstrechtsverfahren die zum Vorteil und Nachteil der Partei dienenden Umstände mit gleicher Sorgfalt zu berücksichtigen.

Auch Ermessensbescheide sind - wie alle anderen Bescheide - zu begründen (vgl. insbesondere die Erkenntnisse von verstärkten Senaten des Verwaltungsgerichtshofes vom 4. November 1966, Slg. N. F. Nr. 7022/A, bzw. vom 25. März 1980, Slg. N. F. Nr. 10.077/A).

Die Behörde hat in der Begründung den festgestellten Sachverhalt und die Stellungnahme der Partei anzuführen; dabei sind auch die von der Behörde im Rahmen der Beweiswürdigung angestellten Erwägungen darzulegen. Auch Schlüsse aus Tatsachen, die nur bei der Behörde notorisch sind, sind in der Begründung auszuführen. Weiters hat die Begründung die "Beurteilung der Rechtsfrage" zu enthalten; dies bedeutet, daß die Behörde den Sachverhalt der anzuwendenden Norm zu "unterstellen" hat; es ist der festgestellte Sachverhalt dem gesetzlichen Tatbestand zuzuordnen, was eine Interpretation der anzuwendenden Norm voraussetzt. Ergibt der Interpretationsvorgang mehrere Auslegungsmöglichkeiten, so hat die Behörde eine davon zu wählen und ihre Wahl zu begründen. Die Behörde hat auf alle vorgebrachten Tatsachen und Rechtsausführungen einzugehen; ein Verweis auf die Aktenlage genügt ebensowenig wie eine "undifferenzierte Bezugnahme" auf Sachverständigengutachten (vgl. insbesondere Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts5, Rz. 417 ff, besonders 420).

Diesen Erfordernissen wird der angefochtene Bescheid in keiner Weise gerecht.

Insbesondere läßt der angefochtene Bescheid nicht erkennen, von welchem Sachverhalt die belangte Behörde ausgegangen ist. Mit dem in der Begründung des angefochtenen Bescheides genannten Schreiben vom 10. November 1992 hat die Beschwerdeführerin jedenfalls nicht um Lehrpflichtermäßigung, sondern um Teilzeitbeschäftigung angesucht. Trotz der von der Beschwerdeführerin vorgelegten ärztlichen Sachverständigengutachten trifft die belangte Behörde keinerlei Feststellungen zur Frage des Gesundheitszustandes der Beschwerdeführerin.

Da der angefochtene Bescheid nicht einmal ansatzweise erkennen läßt, von welchem Sachverhalt die belangte Behörde ausgegangen ist, vermag der Verwaltungsgerichtshof schon aus diesem Grunde keine weitere inhaltliche Überprüfung des angefochtenen Bescheides vorzunehmen. In einem solchen Fall liegt von vornherein ein wesentlicher Verfahrensmangel vor.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. a, b und c VwGG aufzuheben. Für das gemäß § 63 Abs. 1 VwGG fortzusetzende Verfahren wird bemerkt, daß im Hinblick auf das Verstreichen des Endzeitpunktes der von der Beschwerdeführerin begehrten Lehrpflichtermäßigung nur mehr eine Feststellungsentscheidung in Betracht kommt, sofern noch ein Feststellungsinteresse besteht, das freilich nicht allein wegen des Verstreichens des im Antrag genannten Zeitpunktes verneint werden darf (vgl. dazu die Erkenntnisse vom 27. September 1990, Zl. 89/12/0225, und vom 18. November 1991, Zl. 90/12/0141).

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Anspruch auf bescheidmäßige Erledigung und auf Zustellung, Recht der Behörde zur Bescheiderlassung Feststellungsbescheide

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1993120112.X00

Im RIS seit

25.01.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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