TE Vfgh Erkenntnis 1991/10/1 B518/91

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Veröffentlicht am 01.10.1991
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Index

10 Verfassungsrecht
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 (B-VG)

Norm

B-VG Art140 Abs7 zweiter Satz
B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall

Leitsatz

Die mündliche Verhandlung im Gesetzesprüfungsverfahren, die zu Erkenntnis G82/91 ua. (Aufhebung des § 106 EStG 1988) führte, fand am 27.06.91 statt. Die vorliegende Beschwerde ist beim Verfassungsgerichtshof am 08.05.91 eingelangt. Nach dem Gesagten ist der Fall daher einem Anlaßfall gleichzuhalten. Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in seinen Rechten verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Finanzen) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Vertreters die mit 15.000 S bestimmten Kosten des Verfahrens binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Der Beschwerdeführer leistet als unehelicher Vater für seinen mit ihm und der Kindesmutter im gemeinsamen Haushalt lebenden Sohn Unterhalt und begehrte die Berichtigung seiner Lohnsteuerkarte für die Kalenderjahre 1990 bis 1992. Dieser Antrag wurde im Instanzenzug unter Hinweis auf §106 EStG 1988 abgewiesen, weil die Kindesmutter Familienbeihilfe für das gemeinsame Kind beziehe.

Die gegen den Berufungsbescheid gerichtete Beschwerde rügt die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit vor dem Gesetz sowie die Verletzung von Rechten durch Anwendung des als verfassungswidrig erachteten §106 EStG 1988.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 27. Juni 1991, G82,240,241/91, §106 Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400, wegen Verletzung des Gleichheitssatzes als verfassungswidrig aufgehoben.

Im Anlaßfall eines Gesetzesprüfungsverfahrens ist die aufgehobene Bestimmung nach Art140 Abs7 B-VG nicht mehr anzuwenden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes sind dem Anlaßfall im engeren Sinn (anläßlich dessen das Gesetzesprüfungsverfahren tatsächlich eingeleitet worden ist) all jene Fälle gleichzuhalten, die im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung in dem eine präjudizielle Gesetzesstelle betreffenden Gesetzesprüfungsverfahren bereits anhängig waren (VfSlg. 10.616/1985).

Die mündliche Verhandlung im Gesetzesprüfungsverfahren fand am 27. Juni 1991 statt. Die vorliegende Beschwerde ist beim Verfassungsgerichtshof am 8. Mai 1991 eingelangt. Nach dem Gesagten ist der Fall daher einem Anlaßfall gleichzuhalten.

Da der Bescheid in Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes ergangen ist, ist nicht auszuschließen, daß der Beschwerdeführer dadurch in seinen Rechten verletzt worden ist; der Bescheid ist daher aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf §88 VerfGG. Im zugesprochenen Betrag sind 2.500 S an Umsatzsteuer enthalten.

Schlagworte

VfGH / Anlaßfall

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1991:B518.1991

Dokumentnummer

JFT_10088999_91B00518_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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