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L90203 Landarbeitsordnung Niederösterreich;Norm
ArbIG 1974 §1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Gruber, Dr. Pallitsch und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissärin Mag. Paliege, über die Beschwerde der Raiffeisen Lagerhaus X reg. Gen.m.b.H., vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 22. September 1992, Zl. 314.634/1-111/3/91, betreffend Genehmigung der Änderung einer gewerblichen Betriebsanlage, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von § 11.390,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 23. März 1984 erteilte die Bezirkshauptmannschaft X als Gewerbebehörde erster Instanz der Beschwerdeführerin gemäß § 74 Abs. 2 und § 77 Abs. 1 GewO 1973 sowie Abschnitt 2 und § 27 Abs. 2 des Arbeitnehmerschutzgesetzes 1972, BGBl. Nr. 234/72, i. d.g.F., die Genehmigung zur Erweiterung und zum Betrieb der mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft X vom 11. Oktober 1982 genehmigten Betriebsanlage (Haus- und Gartenmarkt) durch Errichtung eines Fleischvorbereitungsraumes, einer Betriebsstätte zum Fleischverkauf und von mobilen Kühlzellen im Standort X, F-Gasse 4-6, nach Maßgabe der Beschreibung der Verhandlungsschrift vom 21. März 1984, die einen wesentlichen Bestandteil dieses Bescheides bildet und in Abschrift jeder Bescheidausfertigung beigelegt, wurde, sowie unter der Voraussetzung, daß die darin enthaltenen Auflagen erfüllt werden.
Gegen diesen Bescheid berief das nicht dem Verfahren beigezogene Arbeitsinspektorat für den 5. Aufsichtsbezirk und führte aus:
"Bei o.a. Betrieb handelt es sich um eine besondere Form einer Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaft - einer Ein- und Verkaufsgenossenschaft - die sich nicht überwiegend mit dem Einkauf land- und forstwirtschaftlicher Betriebserfordernisse und dem Lagern sowie dem Verkauf unverarbeiteter land- und forstwirtschaftlicher Erzeugnisse befaßt. Es unterliegt o.a. Betrieb nach ha. Ansicht dem Arbeitsinspektionsgesetz 1974, da am Standort der Betriebsstätte, auf den sich o.a. Bescheid bezieht, z. B. Fleisch und Wurst verarbeitet bzw. verkauft wird.
Diese Ansicht wird aufgrund des § 5, Abs. 4, der zweiten Landarbeitsgesetznovelle 1974, BGBl. Nr. 782, vom 28. November 1974, in Verbindung mit § 1 Arbeitsinspektionsgesetz 1974, BGBl. Nr. 143, vom 5. Februar 1974, bestätigt, wodurch die Wahrnehmung des gesetzlichen Schutzes der Arbeitnehmer in den Wirkungsbereich der Arbeitsinspektion fällt.
Demnach ist sowohl das Arbeitnehmerschutzgesetz, BGBl. Nr. 234, vom 30. Mai 1972, als auch die Allg. Arbeitnehmerschutzverordnung, BGBl. Nr. 218, vom 11. März 1983, auf die gegenständliche Betriebsanlage anzuwenden.
Gemäß § 8, Abs. 1, ArbIG 1974 hätte das zuständige Arbeitsinspektorat an den Verwaltungsstrafverfahren (Genehmigungsverfahren vom 23.3.1984) beteiligt werden müssen. Entgegen dieser Bestimmung wurde das Arbeitsinspektorat für den 5. Aufsichtsbezirk vor Erlassung des Bescheides, Zahl 12-B 8216/15, weder am Verfahren beteiligt noch wurde ihm Gelegenheit zur Äußerung und Antragstellung gegeben. Wegen dieser Nichtbeteiligung des Arbeitsinspektorates, als in Betracht kommende Partei in den erwähnten Verfahren gemäß § 8, AVG, ist also von einer sogenannten "übergangenen Partei" zu sprechen. Daher wird auf das Recht- der Geltendmachung ha. Parteienrechte gegen den sonst bereits in Rechtskraft erwachsenen Bescheid verwiesen.
Der obzitierte Bescheid vom 23. März 1984 wurde erst am 28. März 1989 an das zuständige Arbeitsinspektorat auf dessen Verlangen zugestellt.
Gemäß § 9, Abs. 1 ArbIG 1974, in Verbindung mit S 63, AVG, wird Berufung gegen den o.a. Bescheid erhoben, da die Sachverhaltsdarstellung (Beschreibung und Pläne) und die Auflagen des Bescheides den Interessen des Arbeitnehmerschutzes in nachfolgenden Punkten nicht entsprechen:
1) Der im genannten Bescheid bezeichnete "Fleischvorbereitungsraum" weist weder die im § 8, AAV geforderte Belichtung auf noch besteht eine Sichtverbindung mit dem Freien. Er hat weder natürliche noch künstliche Lüftung, da die Türen nicht als Lüftungsöffnungen angesehen werden können. Die lichte Höhe dieses Raumes müßte gemäß § 4, AAV mindestens 3 Meter betragen, da in diesem normale körperliche Tätigkeiten (wie etwa Verpacken von Fleisch, Arbeiten an der Knochensäge) ausgeführt werden. Er weist aber lediglich 2,50 m lichte Raumhöhe auf. Aus diesen Gründen ist der 'Fleischvorbereitungsraum' nicht als Arbeitsraum geeignet.
2) Die Tür vom Hallenbereich, nächst des Fleischvorbereitungsraumes, zum Gang ins Freie wäre so einzurichten, daß sie während der Betriebszeiten jederzeit ohne fremde Hilfsmittel öffenbar ist.
3) Das Schiebetor zwischen Lager und dem Freien behindert im offenen Zustand den Fluchtweg vom Hallenbereich durch den Gang ins Freie. Es wäre daher dafür zu sorgen, daß bei jeder Stellung des Schiebetores die Ausmündung des Ganges ins Freie in voller Breite frei bleibt."
Mit Bescheid vom 5. August 1991 behob der Landeshauptmann von Niederösterreich aufgrund dieser Berufung den Bescheid der BH X vom 23. März 1984 gemäß S 66 Abs. 2 AVG und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die Gewerbebehörde erster Instanz zurück. Nach Darstellung der maßgeblichen Gesetzeslage führte die Berufungsbehörde im wesentlichen begründend aus, unabhängig vom Umstand, wer derzeit Inhaber des Teiles der entscheidungsgegenständlichen Betriebsanlage sei, sei die Zuständigkeit des Arbeitsinspektorates zur Arbeitsinspektion nur dann gegeben, wenn eine Ausnahme von der Land- und Forstwirtschaft gemäß § 1 Abs. 2 Z. 1 ArbIG 1974 vorliege. Da sich Tätigkeiten wie der Verkauf von stockfertigen, vakuumverpackten Fleisch- und Wurstprodukten, nicht unter die Bestimmungen des § 5 Abs. 3 NÖ. Landarbeitsordnung 1973 sowie die Bestimmung des § 5 Abs. 4 leg. cit. subsumieren ließen, sei bezüglich des Fleischverkaufsraumes des HG-Marktes - somit eines Teiles der Betriebsanlage - jedenfalls die Zuständigkeit des Arbeitsinspektorates zur Arbeitsinspektion gegeben. Gemäß § 66 Abs. 2 AVG sei die Berufungsbehörde berechtigt, wenn der der Berufungsbehörde vorliegende Sachverhalt so mangelhaft sei, daß die Durchführung der Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheine, den angefochtenen Bescheid zu beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde erster Instanz zurückzuverweisen. Da anhand des vorliegenden Berufungsaktes nicht klärbar sei, ob dem Vorbringen des Arbeitsinspektorates für den 5. Aufsichtsbezirk in der Berufung, insbesondere in bezug auf den Manipulationsraum, durch die Vorschreibung von geeigneten Auflagen entsprochen werden könne oder aber diesbezüglich die Anregung einer Einschränkung des eingereichten Genehmigungsansuchens erforderlich oder die Genehmigung zu versagen wäre, werde es Aufgabe der Gewerbebehörde erster Instanz sein, unter Beiziehung des zuständigen Arbeitsinspektorates unter Wahrung der zu beachtenden Verfahrensschritte eine neuerliche Verhandlung, verbunden mit einem Ortsaugenschein, durchzuführen und anschließend über diesen Antrag neuerlich zu entscheiden.
Dagegen berief die Beschwerdeführerin. Zum Zeitpunkt der Entscheidung erster Instanz sei für ihren HG-Markt die Landund Forstwirtschaftsinspektion zur Wahnehmung der Dienstnehmerschutzinteressen ausschließlich zuständig gewesen, da sie als Ein- und Verkaufsgenossenschaft überwiegend mit dem Einkauf land- und forstwirtschaftlicher Betriebserfordernisse und dem Lagern und dem Verkauf unverarbeiteter land- und forstwirtschaftlicher Erzeugnisse befaßt sei. Eine spätere Vermietung der Frischfleischverkaufsabteilung könne einen rechtmäßig ergangenen Bescheid nicht nachträglich unwirksam machen, nur weil die Dienstnehmerschutzinteressen möglicherweise von einer anderen Behörde wahrzunehmen seien. Dies würde § 80 Abs. 4 GewO 1973 widersprechen. Es werde jedoch der Vollständigkeit halber bekanntgegeben, daß die verfahrensgegenständliche 'Trischfleischverkaufsstelle" seit einiger Zeit von ihr selbst betrieben werde. Der dabei erzielte Umsatz betrage ca. 13 $ des allein im HG-Bereich erzielten Umsatzes.
Der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten gab mit Bescheid vom 22. September 1992 der Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 5. August 1991 keine Folge. Zur Begründung führte die belangte Behörde unter Zitierung des § 5 Abs. 4 des Landarbeitsgesetzes aus, die gegenständliche Betriebsanlage erfülle, wie sich aus dem eingereichten Projekt aber auch den rechtskräftigen Genehmigungsbescheiden vom 11. Oktober 1982 und vom 31. Mai 1983 ergäbe, nicht die in den zuvor genannten Rechtsvorschriften enthaltenen Kriterien und könne somit nicht als Betrieb der Land- und Forstwirtschaft angesehen werden. Eine Zuständigkeit der Land- und Forstwirtschaftinspektion gemäß § 111 des Landarbeitsgesetzes i. d.g.F. sei für die gegenständliche Anlage nicht gegeben. Auf sie erstrecke sich vielmehr gemäß § 1 Abs. 1 Arbeitsinspektionsgesetz i. d.g.F. der Wirkungsbereich der Arbeitsinspektorate. Das Arbeitsinspektorat für den 5. Aufsichtsbezirk sei im erstinstanzlichen Verfahren nicht beigezogen worden, weshalb ihm gemäß § 9 Abs. 1 leg. cit. das Recht zur Berufungserhebung gegen den erstinstanzlichen Bescheid zustehe. In der Berufung würden keine Gründe angegeben, die gegen eine Entscheidung im Sinne des § 66 Abs. 2 AVG sprächen. Das Arbeitsinspektorat für den 5. Aufsichtsbezirk habe in seiner Berufung die mangelnde Übereinstimmung des eingereichten Projektes mit einigen Arbeitnehmerschutzvorschriften geltend gemacht; diesbezügliche Sachverhaltsfeststellungen seien im erstinstanzlichen Verfahren nicht getroffen worden. Zur Klärung dieser Fragen erscheine die neuerliche Durchführung einer mündlichen Augenscheinsverhandlung unvermeidlich.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführerin erachtet sich in dem Recht verletzt, "daß der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten zu Unrecht die Parteistellung des Arbeitsinspektorates in diesem Verfahren bejahte Und kein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren in diesem Punkt durchführte. Dies weiteren wurden wir in unserem Recht auf richtige Anwendung des § 66 Abs. 2 AVG verletzt". Die Beschwerdeführerin bringt erkennbar unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes entscheidungswesentlich vor, der angefochtene Bescheid lasse jegliche Begründung dafür vermissen, warum einerseits der hier relevante Teil der Betriebsanlage als eigener Betrieb im Sinne des § 5 Abs. 3 und 4 NÖ. Landarbeitsordnung 1973 zu qualifizieren und aus welchen Gründen anzunehmen sei, daß "in unserem Raiffeisen-Lagerhaus X" nicht überwiegend Tätigkeiten im Sinne des 5 45 Abs. 3 und 4 NÖ. Landarbeitsordnung 1973 (gemeint offensichtlich § 5 Abs. 3 und 4 NÖ Landarbeitsordnung 1973) entfaltet würden. Die Errichtung des Fleischverarbeitungsraumes, der Betriebsstätte zum Fleischverkauf und von mobilen Kühlzellen könne nicht von vornherein isoliert geprüft werden, es müsse vielmehr eine Gesamtbetrachtung des Betriebes, hier des Raiffeisen-Lagerhauses, als Ganzes erfolgen. Erst bei einer solchen Gesamtbetrachtung könne beurteilt werden, ob der hier relevante Teil,des Raiffeisen-Lagerhauses X ein eigenständiger Betrieb im Sinne des § 5 NÖ. Landarbeitsordnung 1973 i. V.m. § 1 ArbIG 1974 sei. Der Begriff des Betriebes werde zwar weder im Landarbeitsgesetz 1984 noch in der NÖ. Landarbeitsordnung noch im Arbeitsinspektionsgesetz 1974 näher definiert, für die Ermittlung der Bedeutung des Betriebsbegriffes im Sinne des § 45 NÖ. Landarbeitsordnung 1937 (gemeint offensichtlich § 5 NÖ Landarbeitsordnung 1973) und § 1 Arbeitsinspektionsgesetz 1974 böten sich aber einerseits die einschlägigen arbeitsrechtlichen Bestimmungen sowie andererseits die in Betriebsanlagengenehmigungsverfahren - um ein solches handle es sich ja im vorliegenden Beschwerdefall maßgeblichen Vorschriften der GewO 1973 an. Übertrage man die vom Verwaltungsgerichtshof entwickelte Rechtsprechung zum Betriebsbegriff der GewO 1973 auf den vorliegenden Beschwerdefall, so zeige sich, daß der hier maßgebliche Teil der Betriebsanlage nicht als eigener Betrieb im Sinne des § 5 NÖ. Landarbeitsordnung und des § 1 ArbIG 1974 anzusehen sei. Der Inhaber dieses Teils der Betriebsanlage sei identisch mit dem Inhaber des gesamten Raiffeisen Lagerhauses X. Sowohl im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides der BH X vom 24. März 1984 über die Genehmigung der Betriebsanlagenänderung, als auch im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 5. August 1991 sei die Beschwerdeführerin Inhaber der gesamten Betriebsanlage, also auch des im Betriebsanlagenänderungsverfahren relevanten Teiles der Betriebsanlage gewesen. Lediglich nach Erteilung der Betriebsanlagenänderungsgenehmigung durch die BH X wäre bis Jänner 1991 eine von ihr verschiedene Person Betreiber dieses Teiles der Betriebsanlage gewesen. Es könne daher nicht von einer eigenen organisatorischen Einheit und damit von einem eigenen Betrieb dieses Teiles des Raiffeisen-Lagerhauses ausgegangen werden. Auch die im relevanten Teil der Betriebsanlage beschäftigten Personen seien ebenso wie die Beschäftigten des Raiffeisen Lagerhauses X Bedienstete der Beschwerdeführerin. Auch finanziell und rechnerisch sei dieser Betriebsteil nicht unabhängig von den sonstigen Gebarungsvorgängen des gesamten Raiffeisen Lagerhauses X. Auch nach den Bestimmungen der GewO 1973 über die Betriebsanlagenänderungsgenehmigung handle es sich bei dem neu errichteten Teil um eine kleinräumige Änderung der bestehenden Betriebsanlage. Die Anwendung des § 66 Abs. 2 AVG durch die belangte Behörde sei vor dem Hintergrund der Rechtsprechung der beiden Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts als rechtswidrig anzusehen. Die belangte Behörde hätte nämlich allfällige Mängel in der Sachverhaltserhebung sehr einfach selbst durchführen können.
Die Beschwerde erweist sich aus folgenden Erwägungen als berechtigt:
Gemäß § 1 Abs. 1 Arbeitnehmerschutzgesetz (ASchG) regeln die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes den Schutz des Lebens und der Gesundheit der Arbeitnehmer bei der beruflichen Tätigkeit sowie den im Rahmen dieses Gesetzes mit Rücksicht auf Alter und Geschlecht der Arbeitnehmer gebotenen Schutz der Sittlichkeit. Gemäß § 1 Abs. 3 lit. a leg. cit. finden die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes keine Anwendung auf die der Aufsicht der Land-und Forstwirtschaftsinspektion unterstehenden Betriebe.
Gemäß § 1 Abs. 2 Z. 1 des Arbeitsinspektionsgesetzes 1974 (ArbIG 1974) sind nach Maßgabe des hier nicht zur Anwendung kommenden Abs. 3 leg. cit. die der Aufsicht der Land- und Forstwirtschaftsinspektionen unterstehenden Betriebe vom Wirkungsbereich der Arbeitsinspektion ausgenommen.
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Im gewerbebehördlichen Betriebsanlagenverfahren (vgl. § 27 Abs. 6 ASchG) sind die Belange des Arbeitnehmerschutzgesetzes bei den dem ASchG unterliegenden Betrieben vom zuständigen Arbeitsinspektorat wahrzunehmen, welchem Parteistellung im Sinne der §§ 8 und 9 ArbIG 1974 i.V.m. § 359 Abs. 2 und 3 GewO 1973 zukommt.
Gemäß § 110 Abs. 1 NÖ Landarbeitsordnung 1973 (LAO; siehe auch § 111 Abs. 1 Landarbeitsgesetz; LAG) ist zur Wahrnehmung des gesetzlichen Schutzes der Arbeiter, Angestellten und Lehrlinge in Betrieben der Land- und Forstwirtschaft die Landund Forstwirtschaftsinspektion einzurichten.
In Übereinstimmung mit § 34 Abs. 1 ArbVG definiert § 137 Abs. 1 NÖ LAO (vgl. auch § 139 Abs. 1 LAG) einen Betrieb als jede Arbeitsstätte, die eine organisatorische Einheit bildet, innerhalb der eine physische oder juristische Person oder eine Personengemeinschaft mit technischen oder inmateriellen Mitteln die Erzielung bestimmter Arbeitsergebnisse fortgesetzt verfolgt, ohne Rücksicht darauf, ob Erwerbsabsicht besteht oder nicht.
Wesentliches Merkmal eines solchen Betriebes ist die organisatorische Einheit. Sie muß in der Einheit des Betriebsinhabers, des Betriebszweckes und der Organisation zum Ausdruck kommen. Dieser Einheit muß also ein gewisses Mindestmaß an Selbständigkeit, besonders in technischer Hinsicht, eingeräumt sein, und auch dem Ergebnis des Arbeitsvorganges dieser Einheit muß eine, wenn auch beschränkte Abgeschlossenheit oder Unabhängigkeit von anderen Betriebsvorgängen eigen sein (-vgl. das hg. Erkenntnis vom 10. Februar 1976, Zl. 411/75, veröffentlicht in ArbSlg. 9453 zur vergleichbaren Rechtslage des ArbVG; Jabornegg-Strasser, Der Betriebsbetrieb des Arbeitnehmerschutzgesetzes, abgedruckt in das Recht der Arbeit 1983, 333 ff, insbesonders Seite 339).
Gemäß § 5 Abs. 1 NÖ LAO sind Betriebe der Land- und Forstwirtschaft im Sinne dieses Gesetzes Betriebe der land- und forstwirtschaftlichen Produktion und ihre Nebenbetriebe, soweit diese in der Hauptsache die Verarbeitung der eigenen Erzeugnisse zum Gegenstand haben und sich nicht als selbständige, von der Land-und Forstwirtschaft getrennt verwaltete Wirtschaftskörper darstellen, ferner die Hilfsbetriebe, die der Herstellung und Instandhaltung der Betriebsmittel für den land- und forstwirtschaftlichen Hauptbetrieb dienen. In diesem Rahmen zählen zur land- und forstwirtschaftlichen Produktion die Hervorbringung und Gewinnung pflanzlicher Erzeugnisse mit Hilfe der Naturkräfte einschließlich des Wein- und Obstbaues, des Gartenbaues und der Baumschulen, das Halten von Nutztieren zur Zucht, Mästung und Gewinnung tierischer Erzeugnisse sowie die Jagd und Fischerei.
Gemäß § 5 Abs. 3 leg. cit. gelten als Betriebe der Land- und Forstwirtschaft, unbeschadet des § 2, auch die Betriebe land- und forstwirtschaftlicher Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften, soweit der Geschäftsbetrieb dieser Genossenschaften im wesentlichen der Förderung des Erwerbes oder der Wirtschaft ihrer Mitglieder dient und in denen überwiegend nachstehende Tätigkeiten ausgeführt werden:
1. der Betrieb von Sägen, Mühlen, Molkereien, Brennereien, Keltereien und sonstigen nach altem Herkommen üblichen Zweigen der Verarbeitung land- und forstwirtschaftlicher Erzeugnisse;
z. die Vermittlung des Einkaufes und Verkaufes sowie die Versteigerung von Zuchtvieh;
3. der Verkauf unverarbeiteter pflanzlicher Erzeugnisse sowie von Ferkeln, Fischen, Geflügel, Eiern und Honig, auch im Wege der Versteigerung;
4. der im Zusammenhang mit den Tätigkeiten gemäß Z. 3 vorgenommene Einkauf von Verpackungen und Umhüllungen für die von der Z. 3 erfaßten Erzeugnisse;
5. die Züchtung, Vermehrung, Bearbeitung, Verwertung und Beschaffung von Saatgut;
6. die Nutzung von land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken und ortsfesten land- und forstwirtschaftlichen Betriebseinrichtungen, sofern diese Tätigkeit der Hervorbringung und Gewinnung pflanzlicher Erzeugnisse oder zum Halten,von Nutztieren (Abs. 1 letzter Satz) dient sowie die Nutzung von Kühlanlagen, diese jedoch nur für den Eigenverbrauch der Mitglieder;
7. die Wahrung der Rechte der Mitglieder hinsichtlich der Ausnützung von Nutzungsrechten im Sinne des Grundsatzgesetzes 1951 über die Behandlung der Wald- und Weidenutzungsrechte sowie besonderer Felddienstbarkeiten, BGBl. Nr. 103.
Gemäß 5 5 Abs. 4 leg. cit. gelten als Betriebe der Land- und Forstwirtschaft ferner die Betriebe der land- und forstwirtschaftlichen Ein- und Verkaufsgenossenschaften, soweit diese überwiegend mit dem Einkauf land- und forstwirtschaftlicher Betriebserfordernisse und dem Lagern und dem Verkauf unverarbeiteter land- und forstwirtschaftlicher Erzeugnisse befaßt sind. Ferner gelten die Betriebe der Agrargemeinschaft im Sinne der Flurverfassungsgesetze als Betriebe der Land- und Forstwirtschaft.
Der Verwaltungsgerichtshof sieht keine Veranlassung, dem Betriebsbegriff des § 1 ArbIG 1974 und des § 5 NÖ LAO einen anderen Begriffsinhalt wie im oben dargestellten Sinn zu unterstellen.
Da sich aufgrund der vordargestellten Rechtslage der Betriebsanlagenbegriff des § 74 Abs. 1 GewO 1973, wonach unter einer gewerblichen Betriebsanlage jede örtlich gebundene Einrichtung zu verstehen ist, die der Entfaltung einer gewerblichen Tätigkeit regelmäßig zu dienen bestimmt ist, mit dem vordargestellten Betriebsbegriff nicht decken muß (vgl. hiezu Schwarzer, Die Genehmigung von Betriebsanlagen, Seiten 91 und 160 mwN), unterlag die belangte Behörde einem Rechtsirrtum, wenn sie in der Begründung des angefochtenen Bescheides allein aus dem eingereichten Projekt und den rechtskräftigen Genehmigungsbescheiden der Bezirkshauptmannschaft X vom 11. Oktober 1982 und vom 31. Mai 1983 betreffend die Genehmigung der Änderung der genehmigten Betriebsanlage betreffend die Errichtung eines Haus-und Gartenmarktes und einer Mehrzweckhalle samt einer vollautomatischen Luftheizanlage die Zuständigkeit des Arbeitsinspektorats für den 5. Aufsichtsbezirk und damit dessen Parteistellung im Sinne der §§ 8 Abs. 1 und 9 ArbIG i.V.m. § 27 Abs. 2 ASchG ableitete und eine Zuständigkeit der Land- und Forstwirtschaftsinspektion gemäß § 111 LAG (gemeint § 110 Abs. 1 NÖ LAO) für das vorliegende Betriebsanlagenverfahren verneinte. Um die Parteistellung des Arbeitsinspektorates für den 5. Aufsichtsbezirk im Sinne der §§ 8 Abs. 1 und 9 ArbIG i.V.m. 27 Abs. 2 ASchG sowie dessen Berufungs- und Beschwerdelegitimation im vorliegenden Verfahren abschließend beurteilen zu können, bedarf es vielmehr konkreter Feststellungen dahingehend, ob diesfalls ein Betrieb im oben dargestellten Sinn vorliegt und ob die Beschwerdeführerin überwiegend mit dem Einkauf land- und forstwirtschaftlicher Betriebserfordernisse und dem Lagern und dem Verkauf unverarbeiteter land- forstwirtschaftlicher Erzeugnisse im Sinne des § 5 Abs. 4 NÖ LAO befaßt ist, wobei der Verwaltungsgerichtshof mangels ausdrücklicher Feststellung, jedoch auf Grund des Vorbringens der Beschwerdeführerin und den Rechtsausführungen der Verwaltungsbehörden davon ausgeht, daß die Beschwerdeführerin eine Ein- und Verkaufsgenossenschaft ist. Sollte jedoch die Beschwerdeführerin eine Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaft sein, wäre bei Fassung des Ersatzbescheides § 5 Abs. 3 NÖ LAO zu berücksichtigen, wonach in diesem Fall die Betriebe der Beschwerdeführerin nur unter den dort näher angeführten Voraussetzungen als Betriebe der Land- Forstwirtschaft zu gelten hätten.
Ausgehend von ihrer unrichtigen Rechtsansicht hat die belangte Behörde die für die abschließende Beurteilung der Parteistellung des Arbeitsinspektorates für den 5. Aufsichtsbezirk entscheidungswesentlichen Feststellungen nicht getroffen, weshalb der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG ohne Erörterung des weiteren Beschwerdevorbringens aufzuheben war.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
W i e n , am 21. Dezember 1993
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1992040283.X00Im RIS seit
12.02.2002