TE Vwgh Erkenntnis 1994/2/21 92/10/0127

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Veröffentlicht am 21.02.1994
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
82/05 Lebensmittelrecht;

Norm

B-VG Art7 Abs1;
LMG 1975 §9 Abs3;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Novak, Dr. Mizner und Dr. Bumberger, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde der N-Gesellschaft m.b.H. in K, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz vom 22. April 1992, Zl. 367.809/0-III/B/12a/92, betreffend Zulassung gesundheitsbezogener Angaben gemäß § 9 Abs. 3 Lebensmittelgesetz 1975, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Am 24. April 1991 meldete die Beschwerdeführerin das Produkt "Flügge Kieselerde + Magnesium-Kapseln" gemäß § 18 Lebensmittelgesetz 1975 (LMG 1975) als Verzehrprodukt an. Die belangte Behörde teilte der Beschwerdeführerin am 10. Juni 1991 mit, daß nach Prüfung der Ware an Hand der vorgelegten Unterlagen kein Grund für die Untersagung des Inverkehrbringens gemäß § 18 Abs. 2 LMG 1975 gefunden worden sei.

Am 25. Juni 1991 beantragte die Beschwerdeführerin, für das erwähnte Produkt folgende gesundheitsbezogenen Aussagen bescheidmäßig zuzulassen: "Silicium, enthalten in Kieselsäure ist ein essentieller Bestandteil von Haaren, Zähnen, Nägeln, Knochen, Haut- und Bindegewebe. Magnesium ist ein essentielles Element, wichtig für zahlreiche Enzyme, den Eiweiß- und Kohlenhydratstoffwechsel, für den Herzmuskel und die Gerinnungsfähigkeit des Blutes". Sie verwies darauf, daß für "Flügge Kieselerde, Pulver und Tabletten" mit Bescheid der belangten Behörde vom 23. August 1984 die Angabe "Silicium, enthalten in Kieselsäure ist ein essentieller Bestandteil von Haaren, Zähnen, Nägeln, Knochen, Haut- und Bindegewebe" zugelassen worden sei.

Der Amtssachverständige führte in seiner Stellungnahme aus, eine Kapsel des Produktes enthalte 365 mg Kieselerde und 20 mg Magnesium. Empfohlen werde die Einnahme einer Kapsel täglich. Zur Angabe "Silicium, enthalten in Kieselerde, ist ein essentieller Bestandteil von Haaren, Zähnen, Nägeln, Knochen, Haut- und Bindegewebe" werde folgendes ausgeführt: Unter "essentiell" werde in der Physiologie ein Stoff verstanden, der "lebensnotwendig" bzw. von wesentlicher und ausschlaggebener Bedeutung für die Funktion des Organismus sei. Für Silicium könne diese Aussage nicht getroffen werden. In der Literatur finde Silicium keine Erwähnung als essentielles Spurenelement (Karlson, Biochemie für Mediziner und Naturwissenschafter; Schmidt, Physiologie des Menschen). Bei Forth (Pharmakologie und Toxikologie) werde Silicium als von "möglicher biologischer Bedeutung" bezeichnet und ebenfalls nicht in die Gruppe der essentiellen Spurenelemente eingereiht. Nach den wissenschaftlichen Tabellen Geigy sei Silicium für verschiedene Tierarten (Hühner) essentiell. Da somit Silicium beim Menschen weder ein essentieller noch für die Funktion wesentlicher Bestandteil von Haaren, Nägeln, Zähnen, Knochen, Haut- und Bindegewebe sei, sei die in Rede stehende Anpreisung unrichtig. Zur Angabe "Magnesium ist ein essentielles Element, wichtig für zahlreiche Enzyme, den Eiweiß- und Kohlenhydratstoffwechsel, für den Herzmuskel und die Gerinnungsfähigkeit des Blutes" führte der Amtssachverständige aus, Mangesium sei ein von Menschen über die Nahrung aufgenommener Mineralstoff, der sich im Körper hauptsächtlich im Knochengewebe (rund 60 %) sowie in der Skelettmuskulatur (ca. 35 %) befinde. Die biochemischen Wirkungen von Magnesium beruhten auf dessen Bindegliedcharakter bei verschiedenen Zellstrukturen und Enzymen. Magnesium sei an der Muskelkontraktion und bei der Erregungsübertragung von Nerven auf den Muskel beteiligt. Spezielle, eigenständige Wirkungen auf den Eiweiß- und Kohlehydratstoffwechsel sowie die Gerinnungsfähigkeit des Blutes bestünden hingegen nicht. Die in Rede stehende Anpreisung sei damit zumindest teilweise unrichtig. Darüber hinaus sei diese Angabe zur Irreführung des Konsumenten geeignet, da der Eindruck erweckt werde, daß der Konsum des Produktes für "zahlreiche Enzyme, den Eiweiß- und Kohlenhydratstoffwechsel, den Herzmuskel und die Gerinnungsfähigkeit des Blutes" WICHTIG sei. Da in der Regel bei durchschnittlich ausgewogener Ernährung der Magnesiumbedarf gedeckt werde, könne der Konsum des Produktes nicht als "wichtig" für einen gesunden, normal empfindenden Verbraucher angesehen werden (dies auch in Anbetracht der geringen Zufuhrmenge von 20 mg pro Tag). Das vorliegende Produkt wende sich offenbar an einen solchen Verbraucher, weil andernfalls ein Arnzeimittel und nicht ein Verzehrprodukt vorläge.

Dieses Ergebnis der Beweisaufnahme hielt die belangte Behörde der Beschwerdeführerin vor.

Die Beschwerdeführerin führte in ihrer Stellungnahme aus, die "Darstellung zu Silicium/Kieselerde" widerspräche Bescheiden der belangten Behörde vom 23. August 1984 und 12. Februar 1988. Die in der Stellungnahme des Amtssachverständigen angeführten Nachweise seien nicht relevant, hätten keine Aussage und widersprächen "letzthin der Entscheidung des Ministeriums". Magnesium sei ein essentieller Bestandteil des Stoffwechsels, von Knochen, Muskeln und von bisher bekannten 250 Enzymen. Dieses Spurenelement sei in den letzten Jahren umfangreich erforscht worden. Die einschlägige Literatur widme den Erkenntnissen viele Seiten. Der Begriff "wichtig" werde mit der Aussage kritisiert, daß damit der Konsum des vorliegenden Produktes propagiert werde. Dies stehe nirgends geschrieben und könne daher auch nicht als Irreführung des Konsumenten bewertet werden. Bevor es zu einer langatmigen und kostenaufwendigen Diskussion für zu genehmigende Aussagen käme, werde um Bekanntgabe ersucht, welche Angaben für Magnesium "vergleichsweise zu Silicium und Kalzium" genehmigt werden könnten. Zu den physiologischen Eigenschaften von Magnesium würden Literaturangaben vermißt.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde gemäß § 9 Abs. 3 LMG 1975 den Antrag der Beschwerdeführerin auf Zulassung der oben wiedergegebenen gesundheitsbezogenen Angaben für das Produkt "Flügge Kieselerde + Magnesium-Kapseln" ab. Begründend ging die belangte Behörde nach Darlegung des Verfahrensganges und der Rechtslage von jenem Sachverhalt aus, der sich aus der oben wiedergegebenen Stellungnahme des Amtssachverständigen ergibt. Sie vertrat sodann die Auffassung, die beantragten Angaben seien wenigstens teilweise unrichtig und zur Irreführung der Konsumenten geeignet. Die Beschwerdeführerin habe lediglich behauptet, daß die in der Stellungnahme des Amtssachverständigen angeführten Nachweise nicht relevant und ohne Aussage seien, habe es jedoch unterlassen, ihre Behauptung durch ein entsprechendes Gutachten zu untermauern. Im Zusammenhang mit der Bedeutung der Angabe "Magnesium ... wichtig für .. " sei darauf zu verweisen, daß die Verkehrsauffassung, also der Eindruck, der sich beim flüchtigen Lesen für einen nicht unbeträchtlichen Teil der Interessenten ergebe, maßgebend sei, wobei auch auf den Gesamteindruck der Mitteilung Bedacht zu nehmen sei.

Die beantragten Angaben seien somit mit dem Schutz der Verbraucher vor Täuschung nicht vereinbar.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend macht.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 9 Abs. 3 erster Satz LMG 1975 hat der Bundesminister für Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz auf Antrag für bestimmte Lebensmittel oder Verzehrprodukte gesundheitsbezogene Angaben mit Bescheid zuzulassen, wenn dies mit dem Schutz der Verbraucher vor Täuschung vereinbar ist.

Die belangte Behörde hat die Zulassung der beantragten gesundheitsbezogenen Angaben auf der Grundlage des von ihr festgestellten Sachverhaltes mit der Begründung verweigert, die Zulassung sei mit dem Schutz der Verbraucher nicht vereinbar.

Gegen diese Auffassung wendet sich die Beschwerde zunächst mit dem Hinweis, die belangte Behörde habe mit Bescheid vom 23. August 1984 für das Produkt "Flügge Kieselerde, Pulver und Tabletten" die gesundheitsbezogene Angabe "Silicium, enthalten in Kieselsäure, ist ein essentieller Bestandteil von Haaren, Zähnen, Nägeln, Knochen, Haut- und Bindegewebe", sowie mit Berichtigungsbescheid vom 12. Februar 1988 für "Flügge Kieselerde + Kalziumkapseln" die gesundheitsbezogene Angabe "Silicium, enthalten in Kieselsäure und Kalzium sind essentielle Bestandteile von Haaren, Zähnen, Nägeln, Knochen, Haut- und Bindegewebe" zugelassen. Auch aus einem Erlaß der belangten Behörde vom 27. Juni 1991 gehe hervor, daß gleichlautende gesundheitsbezogene Angaben für Verzehrprodukte zugelassen worden seien. Es sei davon auszugehen, daß die belangte Behörde mit diesen Bescheiden ihrer Verpflichtung zur Zulassung gesundheitsbezogener Angaben nach § 9 Abs. 3 LMG entsprochen habe. Seither habe sich weder die Rechtslage noch der Stand der Wissenschaft geändert. Es werde auch von der belangten Behörde nicht bestritten, daß auch im vorliegenden Produkt Silicium enthalten sei. Die Ablehnung des Antrages sei ohne Berücksichtigung der erwähnten Genehmigungen und somit mutwillig und ohne sachliche Begründung erfolgt.

Diese Darlegungen zeigen keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist kein Rechtsanspruch auf Zulassung einer gesundheitsbezogenen Angabe gemäß § 9 Abs. 3 LMG 1975 daraus abzuleiten, daß eine vergleichbare oder idente Angabe für gleichartige Produkte zugelassen wurde; denn die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides ist allein am Gesetz zu messen (vgl. z.B. die Erkenntnisse vom 5. Juli 1993, Zl. 92/10/0144, und vom 31. Jänner 1994, Zl. 92/10/0142, sowie die dort jeweils angeführte Vorjudikatur).

Die Frage, ob gesundheitsbezogene Angaben für andere Produkte zugelassen worden waren, war für die vorliegende Entscheidung somit nicht wesentlich; der behauptete Begründungsmangel liegt daher nicht vor.

Die Beschwerde macht weiters geltend, die belangte Behörde sei "zumindest formalrechtlich" ihrer Verpflichtung zur Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens nicht nachgekommen, weil sie auf die Anfrage der Beschwerdeführerin, in welchem Umfang eine Genehmigung erfolgen könne, nicht eingegangen sei. Auch damit zeigt die Beschwerde keinen Verfahrensmangel auf, weil die Manuduktionspflicht der Behörde auf verfahrensrechtliche Angelegenheiten einschränkt ist; eine Beratung in materiellrechtlicher Hinsicht zählt nicht zu den Pflichten der Behörde (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 11. Juli 1988, Zl. 88/10/0077). Die belangte Behörde hatte die Beschwerdeführerin somit nicht darüber zu belehren, wie sie ihren Antrag zu formulieren habe, damit diesem stattgegeben werden könne.

Die geltend gemachte Rechtswidrigkeit liegt somit nicht vor; die Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1992100127.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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