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10 VerfassungsrechtNorm
B-VG Art144 Abs1 / Befehls- und Zwangsausübung unmittelb Ausübung nicht erfolgteLeitsatz
Zurückweisung einer Beschwerde gegen eine Einvernahme auf einem Gendarmerieposten mangels eines tauglichen BeschwerdegegenstandesSpruch
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Antrag auf Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wird abgewiesen.
Begründung
Begründung:
I. 1. In der auf Art144 B-VG gestützten Beschwerde bringt der Einschreiter im wesentlichen vor, daß er sich am 12. April 1988 aufgrund eines fernmündlichen Ersuchens um etwa 9,00 Uhr beim Gendarmerieposten Ternitz eingefunden habe, wo er von drei Beamten pausenlos bis 14,30 Uhr verhört worden sei; ein Protokoll sei angefertigt worden. Trotz seines mehrfachen Ersuchens, die Einvernahme zu beenden, sei dies untersagt, dh. er sei gezwungen worden, die Einvernahme über sich ergehen zu lassen, ohne daß er die Möglichkeit gehabt habe, sich aus den Amtsräumlichkeiten zu entfernen. Das Telefonieren sei ihm nicht gestattet, Anrufe von außen seien an ihn nicht weiterverbunden worden. In rechtlicher Hinsicht sei das Verhalten der Beamten unter dem Blickwinkel, daß er sich trotz mehrfachen Ersuchens nicht habe aus dem Raum entfernen können, als Verhaftung zu qualifizieren; die Beamten hätten "durch ihre Gestik" unmißverständlich zum Ausdruck gebracht, daß es sich hiebei um Maßnahmen handle, die notwendigerweise, nämlich dann, wenn er sich aus dem Raum entfernte, mit Brachialgewalt verwirklicht worden wären. Auch hätten ihm die Beamten "in unmißverständlicher Weise mehrfach ... die Handschellen (gezeigt)".
Der Beschwerdeführer begehrt die Feststellung, daß er durch die von ihm als Verhaftung gewertete Amtshandlung im Gleichheitsrecht sowie im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit verletzt wurde.
2. Der Verfassungsgerichtshof forderte im Vorverfahren als belangte Behörde die Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen zur Erstattung einer Gegenschrift auf, welche jedoch darauf hinwies, daß die Gendarmeriebeamten ua. für die vorgenommenen Amtshandlungen (die sich auf mehrere Verwaltungsbezirke erstreckten) dem Bundesministerium für Inneres zugeteilt waren. Weiters legte die Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen die bezughabenden Verwaltungsakten sowie mit den damals einschreitenden Gendarmeriebeamten über den Verlauf der Amtshandlung aufgenommene Niederschriften vor.
II. Die Beschwerde erweist sich als nicht zulässig.
1. Der Verfassungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung Art144 Abs1 zweiter Satz B-VG (in der hier noch maßgebenden Fassung vor der B-VG-Novelle 1988, BGBl. 685 - s. ArtIX Abs2 dieser Novelle), demzufolge er über Beschwerden gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gegen eine bestimmte Person erkennt, dahin verstanden, daß darunter solche sicherheitsbehördliche Befehle fallen, die durch die Androhung unmittelbar folgenden physischen Zwangs sanktioniert sind (s. VfSlg. 11878/1988 mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen). Unverzichtbares Inhaltsmerkmal eines Verwaltungsaktes in der Erscheinungsform eines derartigen - allen Voraussetzungen des Art144 Abs1 zweiter Satz B-VG (in der erwähnten Fassung) genügenden - "Befehls", dh. der "Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehlsgewalt", ist nach gefestigter Judikatur des Gerichtshofs der Umstand, daß dem Befehlsadressaten eine bei Nichtbefolgung unverzüglich einsetzende physische Sanktion angedroht wird (s. auch dazu VfSlg. 11878/1988 mit weiteren Judikaturangaben). Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall keineswegs gegeben.
Im Gegensatz zum Vorbringen des Beschwerdeführers, daß er "pausenlos" von 9 bis 14,30 Uhr vernommen worden sei, folgt aus der von ihm selbst gefertigten Niederschrift, daß die Vernehmung schon wesentlich früher, nämlich bereits um 12,30 Uhr beendet wurde. Im Hinblick darauf, daß sich die Behauptungen des Beschwerdeführers über die Dauer seiner Vernehmung als unzutreffend erweisen, sieht sich der Verfassungsgerichtshof auch nicht in der Lage, der vom Beschwerdeführer aufgestellten Behauptung Glauben zu schenken, daß er gegen seinen - deutlich erklärten - Willen am Gendarmerieposten festgehalten worden sei. Der Beschwerdeführer behauptet weder, daß er den Versuch unternommen habe, den Gendarmerieposten tatsächlich zu verlassen, oder daß er eine solche Absicht gegenüber den vernehmenden Beamten mit der nach den gegebenen Umständen gebotenen Deutlichkeit zum Ausdruck gebracht habe, noch daß ihm die Beamten einen auf das Verbleibenmüssen im Gendarmerieposten gerichteten Befehl erteilt hätten; ihr Bestreben zielte (wie die von ihnen mit dem Beschwerdeführer aufgenommene Niederschrift erkennen läßt) offenkundig bloß darauf ab, eine ausführliche und vollständige Vernehmung durchzuführen und deren Ergebnis niederschriftlich festzuhalten. Die Darlegungen des Beschwerdeführers darüber, welche Reaktion der Gendarmeriebeamten er im Fall seiner Entfernung vor Abschluß der Vernehmung hätte befürchten müssen (insbesondere welche Schlüsse er aus einer - von ihm nicht näher beschriebenen - "Gestik" der Beamten zog), stellen sich nach dem Vorgesagten als bloße Mutmaßungen dar. Am dargelegten Ergebnis ändert auch der (von dem vernommenen Gendarmeriebeamten entschieden in Abrede gestellte) Umstand nichts, daß dem Beschwerdeführer seinen Behauptungen zufolge von den Beamten Handschellen gezeigt worden seien; ein solches - im gegebenen Kontext überhaupt nicht sinnvoll erklärbares - Verhalten der Gendarmeriebeamten könnte selbst zutreffendenfalls keineswegs als eindeutiger Befehl zum Verbleiben am Gendarmerieposten aufgefaßt werden, zumal der Beschwerdeführer - wie schon erwähnt wurde - nach seiner eigenen Darstellung weder den Versuch unternommen hatte, den Gendarmerieposten tatsächlich zu verlassen, noch eine in diese Richtung zielende Absicht den Beamten mit der gebotenen Deutlichkeit bekanntgegeben hatte.
2. Aus diesen Erwägungen folgt, daß es an einem tauglichen Beschwerdegegenstand fehlt, weshalb die Beschwerde als unzulässig zurückzuweisen war. Bei diesem Ergebnis war es entbehrlich, die Frage zu klären, welcher Behörde die bekämpfte Amtshandlung zuzurechnen wäre.
3. Der hilfsweise gestellte Antrag auf Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof war abzuweisen, weil die hiefür erforderlichen Voraussetzungen des Art144 Abs3 B-VG fehlen.
III. Dieser Beschluß wurde gemäß §19 Abs3 Z2 lita VerfGG ohne weiteres Verfahren gefaßt.
Schlagworte
Ausübung unmittelbarer Befehls- und ZwangsgewaltEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1991:B1041.1988Dokumentnummer
JFT_10088999_88B01041_00