TE Vwgh Erkenntnis 1994/2/22 93/04/0202

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Veröffentlicht am 22.02.1994
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
50/01 Gewerbeordnung;
50/02 Sonstiges Gewerberecht;

Norm

GewO 1973 §356 Abs3;
GewO 1973 §74 Abs2 Z2;
GewO 1973 §75 Abs2;
GewO 1973 §77 Abs1 idF 1993/029;
GewRNov 1992;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Gruber, Dr. Pallitsch und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissärin Mag. Paliege, über die Beschwerde der "X-GmbH in W, vertreten durch Dr. R, RA in G, gegen den Bescheid des BM für wirtschaftl Angelegenheiten vom 21.7.1993, Zl. 316.178/1-III/A/2a/93, betreffend Genehmigung der Änderung einer gewerblichen Betriebsanlage (mitbeteiligte Partei: H in F, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in G), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 11.480,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Anbringen vom 2. April 1992 beantragte die mitbeteiligte Partei die gewerbebehördliche Genehmigung für die Erweiterung ihrer Betriebsanlage um einen Silo für Späne, einen Heizraum und eine Spanfeuerungsanlage auf dem Grundstück Nr. 441.

In der von der BH am 28. Oktober 1992 durchgeführten Verhandlung gab der für die Beschwerdeführerin erschienene Vertreter folgende Stellungnahme ab:

"Die gegenständliche Betriebsanlage befindet sich im reinen Wohngebiet und ich verwehre mich gegen jegliche Erweiterung der Anlage, welche nicht mit der Ausweisung des reinen Wohngebietes übereinstimmt."

...

"Sollte die Anlage genehmigt werden, so möge durch Auflagen sichergestellt werden, daß im Hinblick auf Immissionen auf unsere Nachbarliegenschaft durch Erteilung von Auflagen z.B. Emissionsgrenzwerte, Vorschreibung von Betriebszeiten und Betriebsarten die Qualität der Nachbarliegenschaft zu Wohnzwecken sichergestellt ist."

...

"Die Absauganlage von den einzelnen im Befund des maschinenbautechnischen Amtssachverständigen aufgezeigten Holzbearbeitungsmaschinen bildet einen notwendigen Bestandteil der gegenständlichen Heizanlage bzw. Siloanlage. Aus diesem Grunde müssen die von dieser Absauganlage ausgehenden Emissionen in lärmtechnischer Hinsicht beurteilt werden."

Mit Bescheid vom 30. Oktober 1992 bewilligte die Bezirkshauptmannschaft der mitbeteiligten Partei gemäß §§ 74, 77, 81, 333 und 359 Abs. 1 GewO 1973" die gewerbebehördliche Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb der Erweiterung seiner Betriebsanlage um einen Spänesilo, einem Heizraum und einer Spänefeuerungsanlage, auf Grundstück Nr. 441, nach Maßgabe der mit Genehmigungsvermerk versehenen Projektsunterlagen, die einen Teil dieses Bescheides bilden, und der in der Begründung enthaltenen Betriebsbeschreibung" mit Auflagen.

Dagegen erhob die Beschwerdeführerin Berufung.

Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 21. Jänner 1993 wurde die Berufung der Beschwerdeführerin gemäß § 66 Abs. 4 AVG mangels Parteistellung (der Beschwerdeführerin) zurückgewiesen.

Mit Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 21. Juli 1993 wurde die Berufung der Beschwerdeführerin "aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Bescheides im Grunde des § 356 Abs. 3 GewO 1973 als unbegründet abgewiesen." Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, die Berufungswerberin habe im Rahmen der erstinstanzlichen Augenscheinsverhandlung keine die Voraussetzungen des § 356 Abs. 3 GewO 1973 erfüllenden Einwendungen erhoben zumal sie nicht zum Ausdruck gebracht habe, in welchem Recht sie sich verletzt erachte. Selbst wenn man das Vorbringen als Einwendung wegen befürchteter Lärmbelästigungen qualifizieren wollte, sei im Sinne der verwaltungsgerichtlichen Judikatur darauf zu verweisen, daß eine juristische Person diesbezüglich nicht belästigt werden könne. Auch dem Einwand, das Betriebsgrundstück befinde sich in einem reinen Wohngebiet, komme keine Relevanz zu, da ein derartiger Umstand nicht die im § 74 Abs. 2 GewO 1973 im Zusammenhalt mit § 356 Abs. 3 leg. cit. normierten subjektiv-öffentlichen Nachbarrechte betreffe.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete ebenso wie die mitbeteiligte Partei eine Gegenschrift mit dem Antrag auf Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin "in unserem in der Gewerbeordnung normierten Recht auf Erlangung der Parteistellung durch Erhebung von Einwendungen", sowie "in unserem Recht auf Ausübung unserer Parteienrechte" verletzt. In Ausführung des so formulierten Beschwerdepunktes bringt sie vor, ihrem Vorbringen bei der Augenscheinsverhandlung sei jedenfalls die Geltendmachung der Verletzung eines subjektiven Rechtes zu entnehmen. Ausdrücklich sei von ihr verlangt worden, durch die Vorschreibung entsprechender Auflagen die Qualität der Nachbarliegenschaft zu Wohnzwecken sicherzustellen. Gerade weil sie nicht rechtsfreundlich vertreten gewesen sei, seien diese Einwendungen jedenfalls als qualifiziert genug zu betrachten, um ihre Parteistellung im fortgesetzten Verfahren zu begründen. Unzweifelhaft ergebe sich aus der Formulierung die Einwendung, daß die Gefährdung ihres Eigentums durch die zu bewilligende Betriebsanlage geltend gemacht werde. Im Ergebnis habe sie jedenfalls auch geeignete Einwendungen hinsichtlich der von ihr befürchteten wesentlichen Beeinträchtigung der Nutzung ihres Grundstückes erhoben. Die belangte Behörde habe es in weiterer Folge zu Unrecht unterlassen, die materielle Wahrheit amtswegig zu erforschen und auf ihr Vorbringen meritorisch einzugehen. In der Berufung habe sie ihr Vorbringen insoferne konkretisiert, als genau dargelegt worden sei, durch welche Belästigungen sie ihr Eigentum im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1 GewO 1973 als gefährdet erachte.

Mit diesem Vorbringen vermag die Beschwerdeführerin eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht darzutun.

Zufolge der Regelung des § 356 Abs. 3 leg. cit. sind im Verfahren über ein Ansuchen um Genehmigung der Errichtung und des Betriebes einer Betriebsanlage oder um Genehmigung der Änderung der genehmigten Betriebsanlage nur Nachbarn, die spätestens bei der Augenscheinsverhandlung Einwendungen gegen die Anlage im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1, 2, 3 oder 5 erheben, Parteien, und zwar vom Zeitpunkt ihrer Einwendungen an.

Eine Einwendung muß, um auf Grund des § 356 Abs. 3 leg. cit. zu bewirken, daß ein Nachbar Parteistellung erlangt, somit auf einen oder mehrere der Tatbestände des § 74 Abs. 2 Z. 1, 2, 3 oder 5 leg. cit., im Falle des § 74 Abs. 2 Z. 2 auf einen oder mehrere der dort vorgesehenen Alternativtatbestände (Geruch, Lärm, Rauch, Staub, Erschütterung oder eine "in anderer Weise" auftretende Einwirkung) abgestellt sein. Wer eine solche Einwendung rechtzeitig erhebt, erlangt im Rahmen dieser Einwendungen als Nachbar Parteistellung (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Oktober 1993, Zl. 92/04/0237 und die dort zitierte Vorjudikatur).

Ausgehend von der vordargestellten Rechtslage kommt den in der Begründung des angefochtenen Bescheides dargestellten, in der mündlichen Augenscheinsverhandlung am 28. Oktober 1992 erhobenen "Einwendungen" eine derartige Qualifikation nicht zu, da sich aus ihnen eine Konkretisierung im Sinne der dargestellten gesetzlichen Tatbestandserfordernisse, insbesonders in Ansehung der hiefür erforderlichen sachverhaltsmäßigen Bezugspunkte als Voraussetzung für eine Gefährdung ihres Eigentums, nicht erkennen läßt, beschränkte sich ihr Vorbringen doch ausschließlich darauf, daß bei Genehmigung der Anlage durch Auflagen die Qualität der Nachbarliegenschaft zu Wohnzwecken sichergestellt werden möge. Aus diesem Vorbringen ist lediglich eine Erinnerung der Behörde an ihre Pflicht zu entnehmen, von Amts wegen durch Auflagen einer möglichen nachteiligen Änderung der bestehenden Immissionssituation durch die Erweiterung der Betriebsanlage der mitbeteiligten Partei zu begegnen. Den Nachbarn kommt aber ein Recht auf Vorschreibung bestimmter Auflagen nicht zu. Eine Konkretisierung von Einwendungen kommt nur dann in Betracht, wenn durch rechtzeitige Erhebung von Einwendungen im oben aufgezeigten Sinn ein Nachbar Parteistellung erlangte.

Wie bereits im angefochtenen Bescheid aufgezeigt, kann eine juristische Person eine Nachbarstellung wegen Gefährdung oder Belästigungen im Sinne des § 75 Abs. 2 erster Satz, erster Satzteil, und damit die Erlangung einer Parteistellung im Sinne des § 356 Abs. 3 GewO 1973 nicht erlangen, da eine persönliche Gefährdung oder Belästigung durch Lärm in Ansehung einer juristischen Person schon begrifflich nicht in Betracht kommt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. April 1990, Zl. 89/04/0178). Auf Einwände, daß eine Betriebsanlage für einen Standort nicht genehmigt werden dürfe, in dem durch bundes- oder landesrechtliche Vorschriften das Errichten oder Betreiben der Betriebsanlage verboten sei, kann schon aufgrund der durch die Gewerberechtsnovelle 1992, BGBl. Nr. 29/1993, erfolgten Änderung des § 77 Abs. 1 GewO 1973 im Rahmen eines gewerbebehördlichen Betriebsanlagengenehmigungsverfahrens nicht mehr eingegangen werden.

Da die Beschwerdeführerin somit mangels Erhebung geeigneter qualifizierter Einwendungen keine Parteirechte erwarb, konnte sie durch den angefochtenen Bescheid nicht in diesbezüglichen Rechten verletzt sein.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1993040202.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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