TE Vwgh Erkenntnis 1994/2/22 93/07/0154

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Veröffentlicht am 22.02.1994
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
81/01 Wasserrechtsgesetz;

Norm

VwGG §49 Abs1;
WRG 1959 §138 Abs1 lita;
WRG 1959 §138 Abs1;
WRG 1959 §138 Abs4;
WRG 1959 §138;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Fürnsinn, Dr. Hargassner, Dr. Bumberger und Dr. Pallitsch als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Möslinger-Gehmayr, über die Beschwerde der A in X, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in X, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 6. September 1993, Zl. Wa-101576/4-1993/Spi/Lin, betreffend einen wasserpolizeilichen Auftrag, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.420,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die Marktgemeinde Vorchdorf teilte der Bezirkshauptmannschaft Gmunden (BH) mit Schreiben vom 13. September 1989 mit, daß bei einem näher bezeichneten Wohnhaus, dessen Eigentümer die Beschwerdeführerin und ihr Ehemann seien, eine Kläranlage in Form eines Dreikammersystems mit Überlauf in die Laudach bestehe. Diese Anlage sei laut Auskunft der Mieter dieses Hauses undicht. Die Marktgemeinde ersuchte die BH, die Anlage einer Überprüfung zu unterziehen und auch festzustellen, ob für diese eine wasserrechtliche Genehmigung vorliege.

Am 20. November 1989 führte die BH eine Überprüfung der Abwasserbeseitigung aus dem besagten Wohnhaus durch. Dabei wurde festgestellt, daß die Fäkalabwässer aus den WC-Anlagen in eine Senkgrube, die Bad- und Waschwässer aber über einen Ableitungskanal in den in unmittelbarer Nähe gelegenen Laudachfluß eingeleitet würden. Die Senkgrube weise an der Außenwand im Bereich der Garageneinfahrt Bauschäden auf, austretende Abwässer hätten aber im Zuge des Lokalaugenscheines nicht festgestellt werden können.

Mit Bescheid der BH vom 13. Juni 1991 wurde der Beschwerdeführerin gemäß den §§ 98 und 138 Abs. 1 des Wasserrechtsgesetzes 1959 (WRG 1959) in Verbindung mit § 32 leg. cit. aufgetragen, bis zum 31. Juli 1991 die Einleitung der Abwässer aus der Liegenschaft W. 49 in den Laudachfluß einzustellen.

In der Begründung heißt es, das Ermittlungsverfahren habe ergeben, daß durch die gegenständliche Abwasserbeseitigungsanlage eine bewilligungspflichtige Einwirkung auf die Beschaffenheit eines Gewässers erfolge. Da jedoch die derzeit bestehende Anlage auf Grund ihrer baulichen Ausführung nicht bewilligungsfähig erscheine, sei im öffentlichen Interesse eine angemessene Frist zu bestimmen gewesen, innerhalb derer die Abwasserableitung einzustellen sei.

Die Beschwerdeführerin berief und brachte vor, sie habe niemals Abwässer in den Laudachfluß eingeleitet und werde auch in Zukunft keine Abwässer in dieses Gewässer einleiten. Sie habe das gesamte Haus W. 49 vermietet und es sei ihr, wie sich in der Vergangenheit bereits gezeigt habe, nicht möglich, "auf den Mieter insoweit Einfluß zu nehmen, daß er Aufträge, die mir als Hauseigentümerin von Verwaltungsbehörden gemacht worden sind, befolgt bzw. befolgen läßt". Die mit dem bekämpften Bescheid gesetzte Frist sei viel zu kurz und nicht angemessen.

Die belangte Behörde holte eine gutachtliche Äußerung eines Amtssachverständigen für Wasserbautechnik dazu ein, ob die gegenständliche Abwasserbeseitung einen bewilligungspflichtigen Tatbestand nach § 32 WRG 1959 darstelle, ob die für die Einstellung der Ableitung gesetzte Frist ausreiche, wer die der Abwasserbeseitigung dienenden Anlagen errichtet habe, ob die derzeit bestehenden, der Abwasserbeseitigung dienenden Anlagen auf Grund ihrer baulichen Ausführung nachträglich wasserrechtlich bewilligt werden könnten und ob die anfallenden Bade- und Waschwässer ohne besondere Vorreinigung über einen Ableitungskanal in den Laudachfluß eingeleitet werden.

Der Amtssachverständige führte in seiner gutachtlichen Äußerung vom 9. Juni 1992 aus, das Wohnobjekt W. 49 sei mittlerweile an J.L. veräußert worden. Gemeinsam mit diesem neuen Eigentümer seien am 3. Juni 1992 ein Ortsaugenschein sowie Erhebungen am Gemeindeamt durchgeführt worden. Am Besichtigungstag sei die Senkgrube vollständig gefüllt gewesen. Die letzte Räumung sei laut Angabe des neuen Eigentümers vor zwei Monaten erfolgt. Bei dem zur Zeit gegebenen Abwasseranfall von rund 600 l/Tag (vier ständige Bewohner) sei eine Räumung bei völliger Dichtheit der Anlage jedenfalls in Intervallen zwischen zwei und drei Wochen erforderlich. Die Senkgrube dürfte somit undicht sein und eine Versickerung in den Untergrund erfolgen. Die Bade- und Waschwässer des Erdgeschosses würden laut Auskunft des neuen Eigentümers ohne besondere Vorreinigung in die Laudach eingeleitet.

Die Festlegung der für die Einstellung der Ableitung gesetzten Frist sei durch die BH erfolgt; dem Amtssachverständigen seien die näheren Bewertungskriterien für die Fristsetzung daher nicht bekannt.

Die der Abwasserbeseitigung dienenden Anlagen seien, soweit aus dem Bauakt der Gemeinde feststellbar, von M.J. errichtet worden.

Eine nachträgliche Bewilligung der derzeit bestehenden, der Abwasserbeseitigung dienenden Anlagen erscheine aus wasserbautechnischer Sicht nicht möglich. Es wären hiefür umfangreiche Umbau- und Adaptierungsarbeiten erforderlich, um die geforderten Ablaufwerte zu erreichen bzw. einzuhalten.

Die anfallenden Bade- und Waschwässer des Erdgeschosses würden ohne besondere Vorreinigung in die Laudach eingeleitet, die des Obergeschosses in die Senkgrube entsorgt.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 6. September 1993 wurde die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid der BH vom 13. Juni 1991 abgewiesen.

In der Begründung wird zu dem Berufungsvorbringen der Beschwerdeführerin, sie selbst habe niemals Abwässer in den Laudachfluß eingeleitet bzw. es sei ihr nicht möglich, auf den Mieter der Liegenschaft Einfluß zu nehmen, daß er Aufträge, die der Beschwerdeführerin als Hauseigentümerin erteilt würden, befolge, ausgeführt, daß der Eigentümer einer Liegenschaft bzw. eines Gebäudes, auch wenn dieses vermietet sei, weiterhin für eine ordnungsgemäße Benützung dieses Objektes verantwortlich sei. Da mit einem Wohnhaus auch eine bestimmte Form der Abwasserbeseitigung bzw. Abwasserbeseitigungsanlage verbunden sei, sei demzufolge der Eigentümer eines vermieteten Gebäudes auch weiterhin für eine ordnungsgemäße Abwasserbeseitigung dieser Liegenschaft verantwortlich, zumal der Bestandnehmer vom Bestandgegenstand auch nur so Gebrauch machen könne, wie ihm dieser übergeben worden sei. Darüber hinaus stelle nicht nur die unmittelbare Herbeiführung eines wasserrechtlich bewilligungsbedürftigen Zustandes ohne diese Bewilligung, sondern auch die Aufrechterhaltung, Duldung oder Nutzung eines solchen konsenslos geschaffenen und bestehenden Zustandes eine Übertretung von Bestimmungen im Sinne des § 138 Abs. 1 WRG 1959 dar. Der belangten Behörde sei bekannt, daß die Beschwerdeführerin seit Ende 1991 nicht mehr Eigentümerin der gegenständlichen Liegenschaft sei. Da jedoch die wesentliche Funktion der Berufungsbehörde darin bestehe, den vorinstanzlichen Bescheid auf seine Rechtmäßigkeit zu prüfen, sei der Berufungsentscheidung jener Sachverhalt zugrunde zu legen gewesen, der für die Unterbehörde bei Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides maßgeblich gewesen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit seines Inhaltes geltend gemacht wird. Die Beschwerdeführerin bringt vor, sie sei unbestritten seit Ende 1991 nicht mehr Eigentümerin der gegenständlichen Liegenschaft. Die belangte Behörde hätte daher den ihr bekannten Sachverhalt (Änderung der Eigentumsverhältnisse) berücksichtigen müssen.

Die Beschwerdeführerin habe niemals eigenmächtig Neuerungen vorgenommen. Vielmehr hätten die seinerzeitigen Mieter eigenmächtig Abwässer in den Laudachfluß eingeleitet und wären deshalb die Mieter als "diejenigen, die die Bestimmungen des WRG übertreten haben", zu verhalten gewesen, auf ihre Kosten diese eigenmächtig vorgenommenen Neuerungen zu beseitigen.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 138 Abs. 1 lit. a WRG 1959 ist unabhängig von Bestrafung und Schadenersatzpflicht derjenige, der die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes übertreten hat, wenn das öffentliche Interesse es erfordert oder der Betroffene es verlangt, von der Wasserrechtsbehörde zu verhalten, auf seine Kosten eigenmächtig vorgenommene Neuerungen zu beseitigen oder die unterlassenen Arbeiten nachzuholen.

Als "eigenmächtige Neuerung" ist die Errichtung von Anlagen oder die Setzung von Maßnahmen zu verstehen, für die eine wasserrechtliche Bewilligung einzuholen gewesen wäre, eine solche aber nicht erwirkt wurde (vgl. das hg. Erkenntnis vom 8. Februar 1974, Slg. NF 8.551/A u.a.).

Daß im Beschwerdefall eine eigenmächtige Neuerung in Form einer ohne die erforderliche wasserrechtliche Bewilligung erfolgenden Einleitung häuslicher Abwässer in den Laudachfluß vorliegt, ist unbestritten. Strittig ist, ob der wasserpolizeiliche Auftrag zu Recht an die Beschwerdeführerin gerichtet wurde.

Verpflichteter von Aufträgen nach § 138 ist nach Abs. 1 "derjenige, der die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes übertreten hat", also derjenige, der eigenmächtig eine Neuerung vorgenommen hat. Von dieser Regel macht § 138 Abs. 4 eine Ausnahme. Nach dieser Bestimmung kann, wenn das öffentliche Interesse die Beseitigung eigenmächtig vorgenommener Neuerungen, das Nachholen unterlassener Arbeiten oder die Sicherung von Ablagerungen oder Bodenverunreinigungen verlangt und der nach Abs. 1 Verpflichtete nicht dazu verhalten oder zum Kostenersatz herangezogen werden kann, an seiner Stelle dem Liegenschaftseigentümer der Auftrag erteilt oder der Kostenersatz auferlegt werden, wenn er die eigenmächtige Neuerung, das Unterlassen der Arbeit oder die Bodenverunreinigung ausdrücklich gestattet hat oder wenn er der Ablagerung zugestimmt oder sie freiwillig geduldet und ihm zumutbare Abwehrmaßnahmen unterlassen hat. Dies gilt bei Ablagerungen auch für Rechtsnachfolger des Liegenschaftseigentümers, wenn sie von der Ablagerung Kenntnis hatten oder bei gehöriger Aufmerksamkeit Kenntnis haben mußten.

Der Eigentümer einer Liegenschaft kann daher nach § 138 WRG in zweifacher Hinsicht Adressat eines wasserpolizeilichen Auftrages sein. Ist er derjenige, der die eigenmächtige Neuerung selbst "vorgenommen" hat, dann findet auf ihn § 138 Abs. 1 lit. a WRG 1959 Anwendung, und zwar ohne die Einschränkungen des Absatzes 4. Wurden hingegen die eigenmächtigen Neuerungen nicht von ihm vorgenommen, dann kann er nur unter den eingeschränkten Voraussetzungen des § 138 Abs. 4 in Anspruch genommen werden. Der Ausdruck "Vornahme von Neuerungen" umfaßt nicht nur die unmittelbar der Herstellung einer solchen Neuerung dienenden Maßnahmen, wie etwa Arbeiten an einer Anlage u.dgl., sondern auch alle jene Akte, die erforderlich sind, um die Neuerung zu realisieren. Der Liegenschaftseigentümer kann daher auch dann Adressat eines wasserpolizeilichen Auftrages nach § 138 Abs. 1 lit. a WRG 1959 sein, wenn die Neuerung auf seinen Auftrag zurückgeht oder auf die Tätigkeit von Personen, deren Verhalten ihm zuzurechnen ist, wie z.B. Gehilfen.

Im vorliegenden Fall haben die Ermittlungen des Sachverständigen ergeben, daß die inkriminierten Abwasserbeseitigungsanlagen nicht von der Beschwerdeführerin, sondern von einer anderen Person errichtet wurden. Daß dies auf Veranlassung der Beschwerdeführerin geschehen sei, ist im Verfahren nicht hervorgekommen. Die Beschwerdeführerin hat behauptet, nicht sie habe Abwässer in die Laudach eingeleitet, sondern ihre Mieter und sie könne sich dagegen nicht einmal wehren. Diese Behauptung wurde von der belangten Behörde nicht widerlegt. Es ist daher nicht ersichtlich, inwiefern die Beschwerdeführerin die eigenmächtige Neuerung aufrechterhalten oder genutzt haben soll. Angesichts dieses Sachverhaltes kann nicht davon gesprochen werden, daß die Beschwerdeführerin die eigenmächtige Neuerung vorgenommen habe. Die von der belangten Behörde für die Zurechnung dieser Neuerung zur Beschwerdeführerin vorgetragene Begründung, mit einem Wohnhaus sei auch eine bestimmte Form der Abwasserbeseitigung bzw. Abwasserbeseitigungsanlage verbunden, sodaß der Eigentümer eines vermieteten Gebäudes auch weiterhin für eine ordnungsgemäße Abwasserbeseitigung dieser Liegenschaft verantwortlich sei, zumal der Bestandnehmer vom Bestandgegenstand auch nur so Gebrauch machen könne, wie ihm dieser übergeben worden sei, ist jedenfalls in dieser Allgemeinheit und für den Beschwerdefall unzutreffend.

Einer solchen Auffassung steht insbesondere auch § 138 Abs. 4 WRG 1959 entgegen. Wenn in dieser Bestimmung das ausdrückliche Gestatten einer eigenmächtigen Neuerung durch den Liegenschaftseigentümer als Kriterium für eine subsidiäre Haftung desselben angeführt wird, dann folgt daraus, daß selbst ein solches Verhalten, nämlich ein ausdrückliches Gestatten einer eigenmächtigen Neuerung, nicht mehr als Vornahme einer solchen Neuerung im Sinn des § 138 Abs. 1 angesehen werden kann. Umso weniger kann der bloße Umstand, daß der Liegenschaftseigentümer die Liegenschaft vermietet hat, dazu führen, daß eine vom Mieter ohne Zustimmung des Grundeigentümers vorgenommene eigenmächtige Neuerung auch als durch den Grundeigentümer vorgenommen angesehen wird. Ein wasserpolizeilicher Auftrag ist dann nicht an den Eigentümer zu richten, wenn ein Dritter über die Anlage oder die Liegenschaft rechtlich und tatsächlich selbständig verfügungsberechtigt ist, insbesondere als Bestandnehmer (vgl. Raschauer, Wasserrecht, Rz 20 zu § 138) und nicht Umstände vorliegen, die trotzdem eine (Mit)Inanspruchnahme des Liegenschaftseigentümers rechtfertigen. Solche Umstände hat die belangte Behörde aber nicht dargetan.

Aus den angeführten Gründen erweist sich der angefochtene Bescheid als inhaltlich rechtswidrig, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Dem obsiegenden Beschwerdeführer gebührt im verwaltungsgerichtlichen Verfahren kein Ersatz der Umsatzsteuer (vgl. die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, S. 697 angeführte Rechtsprechung). Das diesbezügliche Mehrbegehren war daher abzuweisen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1993070154.X00

Im RIS seit

12.11.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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