TE Vwgh Erkenntnis 1994/2/23 93/01/0131

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Veröffentlicht am 23.02.1994
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1991 §1 Abs1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Kremla, Dr. Händschke und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde des G in S, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 12. Jänner 1993, Zl 4.316.516/2-II/13/91, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 21. Augst 1991 ab und sprach aus, daß Österreich dem Beschwerdeführer kein Asyl gewähre.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der "ehemaligen SFRJ", der am 3. Juni 1991 in das Bundesgebiet eingereist ist, hat anläßlich seiner Erstbefragung am 11. Juni 1991 bei der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich angegeben, er gehöre in seinem Heimatland der albanischen Minderheit an. Im Dezember 1989 habe er an einer großen Demonstration in Pristina teilgenommen, sei jedoch nicht ausgeforscht worden und habe keine Probleme mit der Miliz gehabt. Seit September 1990 sei er Mitglied "der demokratischen Bewegung" und deren Leiter in seinem Heimatort gewesen. Aus diesem Grund hätten am 15. Mai 1991 40 serbische Milizbeamte bei ihm eine Hausdurchsuchung vorgenommen und auch nach ihm selbst gesucht. Er habe jedoch entkommen können. Sie hätten eine Schreibmaschine beschlagnahmt. Von da an habe er versteckt gelebt und sei schließlich nach Österreich geflüchtet. In seiner Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid wies der Beschwerdeführer auf die allgemeine Lage der albanischen Minderheit hin und führte aus, daß diese nicht gewillt sei, auf Befehl der serbischen Führung zu Mördern zu werden. Verweigerten Angehörige dieser Minderheit dies aber, würden sie unterdrückt, mißhandelt und gefoltert. In Jugoslawien habe er kein Recht auf ein freies Leben gehabt.

Im angefochtenen Bescheid sprach die belangte Behörde zunächst dem Vorbringen des Beschwerdeführers insgesamt die Glaubwürdigkeit ab. Darin kann ihr jedoch nicht beigepflichtet werden. Erachtet sie das Vorbringen des Beschwerdeführers nämlich deshalb als unglaubwürdig, weil er "nicht habe erklären können, wie seine Mitgliedschaft innerhalb der Gesamtpartei evident gehalten" worden sei, "wie er in so kurzer Zeit eine solche politische Funktion habe erlangen können, und welche Aufgaben er konkret in dieser Eigenschaft besorgt hätte", ist darauf zu verweisen, daß sich dem Akteninhalt nicht entnehmen läßt, daß er dazu überhaupt befragt worden wäre. Auch die Feststellung der belangten Behörde, wonach eine Verfolgung wegen einer Mitgliedschaft bei der "LDK" grundsätzlich nicht stattfinde, entbehrt jeglicher Sachverhaltsgrundlage und wäre überdies dem Beschwerdeführer im Rahmen des ihm zu gewährenden Parteiengehörs gemäß §§ 20 Abs. 2, 16 Abs. 1 AsylG 1991 vorzuhalten und ihm Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben gewesen. Diese der belangten Behörde unterlaufenen Verfahrensmängel erweisen sich als wesentlich, weil die belangte Behörde bei deren Unterlassung zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können. Hinzu kommt, daß auch die von der belangten Behörde herangezogenen Erwägungen zur Beweiswürdigung im Rahmen der vom Verwaltungsgerichtshof vorzunehmenden Prüfung (vgl. z.B. hg. Erkenntnisse vom 5. November 1992, Zl. 92/01/0706 und vom 15. Dezember 1993, Zl. 93/01/0019), nicht zu überzeugen vermögen. Allein aus der Tatsache der Vornahme der Hausdurchsuchung sowie der Suche nach dem Beschwerdeführer - daß dies nur zum Zwecke der "beabsichtigten Befragung" erfolgt sei, geht aus der Aktenlage nicht hervor - und der Beschlagnahme der Schreibmaschine durch 40 serbische Milizbeamte kann auf eine generelle Unglaubwürdigkeit des Beschwerdeführers nicht ohne weiteres geschlossen werden, da insbesondere die von der belangten Behörde als "unglaubwürdige Übertreibung" bezeichnete Anzahl der involvierten serbischen Milizbeamten bereits durch die doch relativ hohe Stellung des Beschwerdeführers als Ortsgruppenleiter der "LDK" indiziert sein mochte.

Aus den dargelegten Gründen belastete die belangte Behörde ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, sodaß er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1993010131.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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