Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §37;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Fürnsinn und Dr. Germ als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Mag. Fritz, über die Beschwerde des R in E, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Salzburg vom 22. September 1993, Zl. UVS-11/134/3-1993, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einer Verwaltungsstrafsache nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (weitere Partei: Bundesminister für Arbeit und Soziales), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer wurde mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft (BH) Salzburg-Umgebung vom 8. März 1993 wegen mehrerer Verstöße gegen das Ausländerbeschäftigungsgesetz zu Geldstrafen verurteilt. Gemäß dem im Verwaltungsakt liegenden Rückschein wurde dieser Bescheid dem Beschwerdeführer am 17. März 1993 an der Adresse E, R-Straße 6, durch Hinterlegung zugestellt.
Am 7. April 1993 langte bei der BH ein vom Beschwerdeführer an diesem Tage zur Post gegebener "Einspruch" ein, in welchem der Beschwerdeführer die Zuständigkeit der BH sowie sein Verschulden an den ihm vorgeworfenen Verstößen bestritt. Einleitend wurde dieser Einspruch als "in offener Frist" erhoben bezeichnet.
Nach Vorlage dieser Berufung an die belangte Behörde erhob diese, daß die am 17. März 1993 hinterlegte Sendung am 25. März 1993 beim Postamt E dem Beschwerdeführer ausgefolgt wurde. Dieses Ermittlungsergebnis hielt die belangte Behörde dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom 14. September 1993 unter Hinweis darauf zur Stellungnahme vor, daß die Berufung als verspätet angesehen werden müsse.
Diesen Vorhalt beantwortete der Beschwerdeführer mit seiner
Stellungnahme vom 17. September 1993 wie folgt:
"...
-
Zum Zeitpunkt der Hinterlegung war ich vom 16.3.1993 bis 20.3.1993 ortsabwesend. Aus diesem Grund war ich auch nicht in Kenntnis der Hinterlegung.
-
Das Schriftstück wurde am 5.4.1993 abgeholt, als ich im Zuge von anderen Schriftstücken - welche ich beim Postamt
persönlich abholte - auf die Hinterlegung ... aufmerksam
gemacht wurde.
..."
Der Beschwerdeführer beantragte deshalb, über seine
Berufung inhaltlich stattgebend zu entscheiden.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 22. September 1993 wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 63 Abs. 5 sowie § 66 Abs. 4 AVG iVm § 24 VStG als verspätet zurück. Begründend verwies die belangte Behörde auf § 17 Abs. 3 ZustG. Nach den eigenen Angaben des Beschwerdeführers über seine Rückkehr an die Abgabestelle sei die erstinstanzliche Entscheidung mit Montag, dem 22. März 1993, als zugestellt zu betrachten. Demnach habe die zweiwöchige Berufungsfrist am 5. April 1993 geendet, doch habe der Beschwerdeführer seine Berufung erst am 7. April 1993 eingebracht.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde, in welcher der Beschwerdeführer erneut die Zuständigkeit der BH bekämpft. Zur Rechtzeitigkeit seiner Berufung geht der Beschwerdeführer davon aus, daß er erst am 25. März 1993, somit nicht rechtzeitig, durch Zufall von der Sendung Kenntnis erlangt habe. Eine schriftliche Anzeige von der Zustellung habe er nicht vorgefunden. All dies wäre bei Erhebungen der belangten Behörde beim Postamt E zum Vorschein gekommen. Es werde daher Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die in der Beschwerde zur angeblichen Unzuständigkeit der BH als Strafbehörde erster Instanz enthaltenen Ausführungen sind nicht zielführend, weil der Verwaltungsgerichtshof nur den letztinstanzlichen angefochtenen Bescheid zu prüfen hat. Die belangte Behörde ist ungeachtet einer allfälligen Unzuständigkeit der BH gemäß § 51 Abs. 1 VStG zur Erledigung der Berufung zuständig gewesen, weil im erstinstanzlichen Bescheid ein in Salzburg gelegener Tatort genannt worden ist. Von der Unzulässigkeit der Berufung wegen Verspätung ausgehend, hatte die belangte Behörde gar nicht die rechtliche Möglichkeit, auf die Berufungsausführungen zum Tatort meritorisch einzugehen (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. April 1993, 92/09/0377).
Zu prüfen ist somit, ob die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers zu Recht als verspätet zurückgewiesen hat.
Ausgehend vom unbestrittenen Hinterlegungsdatum (17. März 1993) wäre die Berufungsfrist mit dem 31. März 1993 abgelaufen, die Berufung somit ohne jeden Zweifel verspätet. Der Beschwerdeführer hat jedoch in seiner Berufung den Hinweis "in offener Frist" angebracht, was zu behördlichen Erhebungen über die Rechtzeitigkeit oder Verspätung dieses Rechtsmittels Anlaß gab (vgl. dazu die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 9. März 1988, 87/03/0138, und vom 18. Mai 1988, 88/02/0010).
Der in der Beschwerde erhobene Vorwurf, die belangte Behörde habe solche Ermittlungen unterlassen, ist jedoch unbegründet, denn die belangte Behörde hat sowohl Nachforschungen beim Postamt E durchgeführt als auch dem Beschwerdeführer Gelegenheit gegeben, zur möglichen Verspätung seiner Berufung Stellung zu nehmen. In seiner Stellungnahme vom 17. September 1993 hat der Beschwerdeführer allerdings nur völlig unsubstantiiert "Ortsabwesenheit" vom 16. bis zum 20. März 1993 behauptet, ohne zu konkretisieren, wo er sich in dieser Zeit aufgehalten habe und welche Nachweise er dafür ins Treffen führe. Damit ist aber die Unwirksamkeit der Hinterlegung noch nicht begründet (vgl. dazu etwa die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. Jänner 1988, 87/02/0197, vom 30. Oktober 1991, 91/03/0170, und vom 13. März 1991, 87/13/0196).
Die belangte Behörde ist dessenungeachtet ohnehin von der behaupteten Ortsabwesenheit des Beschwerdeführers ausgegangen. Sie ist aber auch unter Zugrundelegung der diesbezüglichen Angaben des Beschwerdeführers unter Heranziehung des § 17 Abs. 3 ZustG zu dem Ergebnis gelangt, daß die Berufung verspätet eingebracht worden ist.
Gemäß § 17 Abs. 3 ZustG ist die hinterlegte Sendung mindestens zwei Wochen zur Abholung bereit zu halten. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem die Sendung erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Hinterlegte Sendungen gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt. Sie gelten als nicht zugestellt, wenn sich ergibt, daß der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem die hinterlegte Sendung behoben werden konnte.
Geht man von der Ortsabwesenheit des Beschwerdeführers vom
16. bis zum 20. März 1993 aus, dann galt die am 17. März 1993 hinterlegte Sendung iS dieser Gesetzesstelle noch nicht als zugestellt. Die Sendung konnte jedoch ab dem innerhalb der Abholfrist gelegenen Montag, dem 22. März 1993, vom Beschwerdeführer behoben werden.
Gegen diese - von der belangten Behörde dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegte - Annahme bringt der Beschwerdeführer, und zwar erstmalig in der Beschwerde, vor, ihm sei am 22. März 1993 keine "Zustellungsverständigung" vorgelegen oder bekannt gewesen. Diese Behauptung enthält implizit die Bestreitung der Angabe im Rückschein, die Verständigung von der Hinterlegung sei an der Abgabestelle zurückgelassen worden. Dieser Rückschein ist eine öffentliche Urkunde, die nach § 47 AVG iVm § 292 ZPO die Vermutung der Richtigkeit für sich hat. Diese Vermutung ist zwar widerlegbar, doch wäre die Bestreitung der Richtigkeit der öffentlichen Urkunde durch gegenteilige Behauptungen entsprechend zu begründen, und es wären Beweise dafür anzuführen, die die vom Gesetz aufgestellte Vermutung zu widerlegen geeignet erscheinen. Die bloße Behauptung des Empfängers, eine Hinterlegungsanzeige nach seiner Rückkehr nicht vorgefunden zu haben, reicht nicht aus, die Angaben des Zustellers im Rückschein zu entkräften. Grundsätzlich kommt es im Falle der Ortsabwesenheit gemäß § 17 Abs. 3 ZustG auf den Zeitpunkt der Rückkehr an die Abgabestelle und nicht auf das tatsächliche Zukommen der Hinterlegungsanzeige an (vgl. zu diesen Ausführungen die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. Jänner 1988, 87/02/0076, vom 18. Oktober 1989, 89/02/0117, und vom 13. November 1991, 91/03/0134).
Die im Wege der Hinterlegung vorgenommene Zustellung ist gemäß § 17 Abs. 4 ZustG auch dann gültig, wenn die im Abs. 2 oder im § 21 Abs. 2 genannte Verständigung beschädigt oder entfernt wurde.
Bei dieser Rechtslage bedarf der Umstand keiner weiteren Erörterung, daß der Beschwerdeführer den Tag, an dem er von der Hinterlegung erfahren habe, im Verwaltungsverfahren mit dem 5. April 1993, davon abweichend aber in der Beschwerde mit dem 25. März 1993 bezeichnet hat.
Die belangte Behörde hat daher das Gesetz nicht dadurch verletzt, daß sie im angefochtenen Bescheid davon ausgegangen ist, die am 7. April 1993 zur Post gegebene Berufung sei verspätet eingebracht worden.
Die Beschwerde war deshalb gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG iVm Art. I B Z. 4 und 5 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.
Schlagworte
Beweismittel UrkundenBeweismittel Zeugenbeweis Zeugenaussagen von AmtspersonenInhalt der Berufungsentscheidung Voraussetzungen der meritorischen Erledigung Zurückweisung (siehe auch §63 Abs1, 3 und 5 AVG)Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung BeweislastBeweismittel BeschuldigtenverantwortungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1993090462.X00Im RIS seit
27.11.2000Zuletzt aktualisiert am
10.10.2010