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62 ArbeitsmarktverwaltungNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Keine Gleichheitswidrigkeit des §36 AlVG bzw keine Gesetzwidrigkeit des §6 NotstandshilfeV hinsichtlich der Anrechnung der niedrigeren Notstandshilfe eines Angehörigen auf die höhere NotstandshilfeSpruch
Die Anträge werden abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. Der Verwaltungsgerichtshof beantragt, den letzten Halbsatz des §36 Abs2 Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, BGBl. 609 (AlVG), in der Fassung der Novelle BGBl. 290/1987 als verfassungswidrig aufzuheben oder auszusprechen, daß diese Bestimmung verfassungswidrig war, und den zweiten Halbsatz des §6 Abs6 der Notstandshilfeverordnung, BGBl. 352/1973 (NHV), in der Fassung der Novelle BGBl. 417/1987 als gesetzwidrig aufzuheben oder auszusprechen, daß diese Bestimmung gesetzwidrig war. Er hat über die Beschwerde gegen einen im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landesarbeitsamtes Wien zu erkennen, womit die Notstandshilfe des Beschwerdeführers unter Anrechnung der Notstandshilfe seiner Ehegattin für die Zeit ab Oktober 1987 bemessen wird. Aus diesem Anlaß hat der Verwaltungsgerichtshof auch §56 Abs3 AlVG idF BGBl. 61/1983 und den ersten und zweiten Satz des §36 Abs3 litb sublit. a idF des Stammgesetzes sowie §6 Abs1, 3 und 4 NHV angefochten, doch sind diese weiteren Anträge zusammen mit früheren bereits in nichtöffentlicher Sitzung mit Erkenntnis G295/90 u.a. (hier G76/91) vom 28. Juni 1991 und nach öffentlicher mündlicher Verhandlung am 14. Juni 1991 mit Erkenntnis G179/90 u.a. (hier G77a/91) vom heutigen Tag erledigt worden.
§36 AlVG enthält Vorschriften für die vom zuständigen Bundesminister zu erlassenden Richtlinien über das Ausmaß und die Voraussetzungen der Notstandshilfe. Abs2 betrifft die Richtlinien über die näheren Voraussetzungen, unter denen Notlage (als Voraussetzung der Gewährung der Notstandshilfe) als gegeben anzunehmen ist. In der Stammfassung war nur bestimmt, daß bei Beurteilung der Notlage die gesamten wirtschaftlichen Verhältnisse des Arbeitslosen selbst sowie der Angehörigen des Arbeitslosen zu berücksichtigen sind, die zur gesetzlichen Unterhaltsleistung verpflichtet sind, wobei Lebensgefährten, Wahleltern, Stiefeltern, Wahlkinder und Stiefkinder den unterhaltspflichtigen Angehörigen gleichgehalten werden; im allgemeinen war nur das Einkommen der im gemeinsamen Haushalt mit dem Arbeitslosen lebenden Angehörigen heranzuziehen (dazu VfGH G114/90 u.a. vom 5. März 1991 und G179/90 u.a. vom heutigen Tag).
Die Novelle BGBl. 290/1987 fügte diesem Text folgenden Satz an (angefochtener Teil hervorgehoben):
"Als Einkommen gelten insbesondere auch Krankengeld und Wochengeld nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz, Beihilfe zur Deckung des Lebensunterhaltes nach dem Arbeitsmarktförderungsgesetz und Leistungen nach diesem Bundesgesetz; bei der Anrechnung von Notstandshilfe als Einkommen ist nur die niedrigere Notstandshilfe auf die höhere anzurechnen."
In Abs3 litB sublit. a war bis zu dieser Novelle nur bestimmt, daß vom Einkommen der Angehörigen und gleichgehaltenen Personen (Abs2) vor der Anrechnung ein zur Bestreitung des Lebensunterhaltes notwendiger Betrag (Freibetrag) freizulassen ist, der nach der Höhe des Einkommens, der Größe der Familie, dem Lebensalter und dem Angehörigkeitsverhältnis verschieden bemessen werden kann (vgl. auch dazu VfGH G179/90 u.a. vom heutigen Tag).
Diese Vorschrift wurde mit der genannten Novelle BGBl. 290/1987 durch folgenden Satz ergänzt:
"Bei der Anrechnung von Einkommen nach Abs2 letzter Satz muß die Notstandshilfe in der Höhe des Richtsatzes gemäß §293 Abs1 lita sublit. bb des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes freibleiben."
Schon mit der Novelle BGBl. 615/1987 wurde der letzte Satz des Abs2 in seinem zweiten Teil mit Wirkung vom 1. Jänner 1988 aber so textiert:
"... Arbeitsmarktförderungsgesetz, Leistungen nach diesem Bundesgesetz sowie gleichartige Leistungen; bei der Anrechnung von Notstandshilfe auf Notstandshilfe ist sicherzustellen, daß die Anrechnung nicht wechselseitig erfolgt"
und der letzte Satz des Abs3 litB sublit. a erhielt folgende Fassung:
"Für die Anrechnung von Einkommen nach Abs2 letzter Satz kann festgelegt werden, daß die Notstandshilfe in der Höhe eines bestimmten Betrages frei bleibt."
Seit 29. August 1987 lauteten die einschlägigen Abs6 und 7 des die Anrechnung des Einkommens betreffenden §6 der aufgrund des AlVG erlassenen NHV, BGBl. 352/1973, in der Fassung BGBl. 417/1987 so (angefochtener Teil hervorgehoben):
"(6) Als Einkommen gelten insbesondere auch Krankengeld und Wochengeld nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz, Beihilfen zur Deckung des Lebensunterhaltes nach dem Arbeitsmarktförderungsgesetz und Leistungen nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz; bei der Anrechnung von Notstandshilfe als Einkommen ist nur die niedrigere Notstandshilfe auf die höhere anzurechnen.
(7) Bei der Anrechnung von Einkommen nach Abs6 muß die Notstandshilfe in der Höhe des Richtsatzes gemäß §293 Abs1 lita sublit. bb des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes frei bleiben."
1. Gegen den letzten Halbsatz des §36 Abs2 AlVG idF BGBl. 290/1987 und den zweiten Halbsatz des §6 Abs6 NHV idF BGBl. 417/1987 trägt der Verwaltungsgerichtshof folgende Bedenken vor:
"2.3.5. Der Verwaltungsgerichtshof teilt vorläufig unter Bedachtnahme auf die vom Beschwerdeführer vorgetragenen Judikaturhinweise zum Unterhaltsrecht dessen Rechtsauffassung, daß dann, wenn beide Ehegatten Notstandshilfe beziehen, denjenigen, der den niedrigeren Betrag empfängt, keine Unterhaltspflicht in jenem Sinnverständnis, das der Regelung des §36 Abs2 zweiter Satz AlVG zugrundeliegt, trifft. Anders als dies die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift vermeint, kommt es für die Gewährung von Notstandshilfe nicht auf eine abstrakte und potentielle (wechselseitige) Unterhaltspflicht, sondern auf die für einen konkreten Bemessungszeitraum jeweils konkret realisierbare, aktuelle Unterhaltsverpflichtung an.
2.3.6.1. Hieraus folgt für den Zeitraum bis zum 31. Dezember 1987:
Der Gesetzgeber selbst hat hier das Konzept des §36 Abs2 zweiter Satz AlVG verlassen, wenn er in der Novelle BGBl. Nr. 290/1987 anordnet, daß nach dem neuangefügten letzten Halbsatz bei der Anrechnung von Notstandshilfe als Einkommen nur die niedrigere Notstandshilfe auf die höhere anzurechnen ist. Der vom Beschwerdeführer dargestellte Widerspruch des §6 Abs6 zweiter Halbsatz der Notstandshilfeverordnung in der Fassung BGBl. Nr. 417/1987 zum Gesetz besteht somit für diesen Zeitraum nicht.
Verfassungsrechtliche Bedenken sind allerdings gegen die gesetzliche Regelung selbst entstanden.
In seinem Erkenntnis vom 15. März 1988, Slg. 11.662, zum §4 Abs1 des Kärntner Sozialhilfegesetzes führte der Verfassungsgerichtshof aus, es sei nicht einzusehen, weshalb die haushaltszugehörigen Angehörigen (es handelte sich um die dem Hauptunterstützten gegenüber unterhaltsberechtigten Angehörigen) 'in jedem Fall mit ihren Einkünften unbeschränkt zum Lebensunterhalt der anderen Mitglieder der Haushaltsgemeinschaft beitragen sollen, und zwar auch dann, wenn sie ihnen gegenüber gar nicht unterhaltspflichtig sind'. Der Verfassungsgerichtshof vermißte daher eine sachliche Rechtfertigung der Anrechnungsregelung, die nur in der Unterhaltspflicht des Einkommensbeziehers dem Sozialhilfeempfänger gegenüber erblickt werden könnte. Dieses Bedenken erhebt sich auch gegen die vorliegende Anrechnungsregelung, wobei - wegen der an sich unsachlichen Anknüpfung 'nur' an die niedrigere Notstandshilfe und nicht an die Unterhaltspflicht (und damit an die höhere Notstandshilfe) - nicht ins Gewicht fällt, daß das Ausmaß der Anrechnung durch §36 Abs3 litB sublit. a letzter Satz AlVG in der Fassung BGBl. Nr. 290/1987 begrenzt ist.
Bei der gegebenen verfassungsrechtlichen Bedenklichkeit der gesetzlichen Regelung des §36 Abs2 letzter Halbsatz AlVG in der Fassung BGBl. Nr. 290/1987 erweist sich auch der hiemit übereinstimmende §6 Abs6 zweiter Halbsatz der Notstandshilfeverordnung in der Fassung BGBl. Nr. 417/1987 für dessen zeitlichen Geltungsbereich bis 31. Dezember 1987 als verfassungsrechtlich bedenklich.
2.3.6.2. Für den Zeitraum vom 1. Jänner 1988 bis zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung liegt in §36 Abs2 letzter Halbsatz AlVG in der Fassung BGBl. Nr. 615/1987 eine verfassungsrechtlich unbedenkliche gesetzliche Regelung vor, wenn es dort heißt, daß bei der Anrechnung von Notstandshilfe auf Notstandshilfe sicherzustellen ist, daß die Anrechnung nicht wechselseitig erfolgt.
Hingegen erweist sich ab dem 1. Jänner 1988 die Bestimmung des §6 Abs6 zweiter Halbsatz der Notstandshilfeverordnung in der Fassung BGBl. Nr. 417/1987 als nicht gesetzlich gedeckt. Auch dann, wenn sich die gesetzliche Regelung des AlVG bis 31. Dezember 1987 als verfassungskonform erwiese, stünde die Verordnungsstelle ab diesem Zeitpunkt mit dem Gesetz in Widerspruch. Durch die mit 1. Jänner 1988 in Kraft getretene Änderung des §36 Abs2 letzter Halbsatz AlVG wird nämlich bewirkt, daß auch für die Anrechnung von Notstandshilfe auf Notstandshilfe der Grundsatz des §36 Abs2 zweiter Satz AlVG zum Tragen kommt, nämlich daß die wirtschaftlichen Verhältnisse von Angehörigen zu berücksichtigen sind, die zur gesetzlichen Unterhaltsleistung verpflichtet sind. Damit steht die Anordnung des §6 Abs6 zweiter Halbsatz der Notstandshilfeverordnung in der Fassung BGBl. Nr. 417/1987 in Widerspruch, weil er die Anrechnung der niedrigeren Notstandshilfe, also des Einkommens des nicht (aktuell) unterhaltspflichtigen Ehegatten, auf die höhere Notstandshilfe anordnet.
Diese Verordnungsstelle ist daher - jedenfalls - ab dem 1. Jänner 1988 gesetzwidrig (geworden)."
2. Die Bundesregierung verteidigt die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes und weist einleitend darauf hin, daß der Verfassungsgerichtshof es im Erkenntnis G81/90 vom 28. Juni 1990 für unbedenklich gehalten hat,
"... wenn die verhältnismäßige Minderung des zur Befriedigung der notwendigen Lebensbedürfnisse erforderlichen Aufwandes durch die Tatsache des Zusammenlebens im gemeinsamen Haushalt zum Anlaß für eine Kürzung der Notstandshilfe genommen wird, und hat er in diesem Zusammenhang auch den Fürsorgecharakter der Sozialleistungen ins Treffen geführt. Da sich die verhältnismäßige Minderung des zur Befriedigung der notwendigen Lebensbedürfnisse erforderlichen Aufwandes unabhängig davon ergibt, ob die die Notstandshilfe beziehende Person mit einer anderen eine Notstandshilfe oder sonstige Transferleistungen im Sinne des §36 Abs2 vierter Satz AlVG beziehenden Person oder aber mit einer Person, die über ein sonstiges Einkommen verfügt, zusammenlebt, wurde eine Anrechnung grundsätzlich auch für jenen Fall vorgesehen, daß das Einkommen der mit einem Notstandshilfebezieher im gemeinsamen Haushalt lebenden Person ebenfalls aus dem Bezug von Notstandshilfe besteht. Dabei war jedoch durch eine gesetzliche Regelung auszuschließen, daß die Notstandshilfen wechselseitig solange angerechnet werden, bis die Freigrenzen erreicht sind. Diesem Anliegen trägt die angefochtene Regelung Rechnung, indem sie normiert, daß nur eine Notstandshilfe auf die andere angerechnet wird"
und fährt sodann fort:
"Die angefochtene Regelung, nach der bei der Anrechnung von Notstandshilfe auf Notstandshilfe nur die niedrigere Notstandshilfe auf die höhere Notstandshilfe anzurechnen ist, sollte nicht nur die wechselseitige Anrechnung der Notstandshilfe vermeiden: Die Regelung ist getragen von der Überlegung, aus sozialen Erwägungen die für die Bezieher von Notstandshilfe günstigere Regelung zu treffen, sodaß bei dieser Art der Anrechnung ein höheres Familieneinkommen verbleibt, als im umgekehrten Fall der Anrechnung der höheren Notstandshilfe auf die niedrigere. (Es ist einzuräumen, daß es unter weiterer Berücksichtigung des §36 Abs3 litB sublit. a letzter Satz AlVG zu einer - freilich nicht gravierenden - Verzerrung dieser Relation kommen kann.)
Dies mögen folgende Beispiele verdeutlichen:
1.
Die Notstandshilfe des Gatten beträgt S 10.000,--
Die Notstandshilfe der Gattin beträgt S 4.500,--
a) Anrechnung der niedrigeren Notstandshilfe:
Zunächst ist die Freigrenze gem. §6 Abs3 der Notstandshilfeverordnung von der niedrigeren Notstandshilfe abzuziehen. Die Freigrenze betrug 1987 S 4.267,-- monatlich, als anrechenbare Notstandshilfe der Gattin verbleiben daher S 233,--. Das Familieneinkommen beträgt daher S 14.267,--.
b) Anrechnung der höheren Notstandshilfe:
Nach Abzug der Freigrenze vom Einkommen des Gatten wären S 5.733,-- auf die Notstandshilfe der Gattin anzurechnen. Die Gattin hätte daher keinen Anspruch auf Notstandshilfe. Das Familieneinkommen betrüge - ohne Berücksichtigung des §36 Abs3 litB sublit. a letzter Satz des Arbeitslosenversicherungsgesetzes 1977, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 290/1987, wonach bei der Anrechnung von Einkommen nach Abs2 letzter Satz die Notstandshilfe in der Höhe des Richtsatzes gemäß §293 Abs1 lita sublit. bb ASVG freibleiben muß - S 10.000,--; mit Berücksichtigung dieser Regelung S 14.500,--.
2.
Die Notstandshilfe des Gatten beträgt S 8.000,--
Die Notstandshilfe der Gattin beträgt S 6.000,--
a) Anrechnung der niedrigeren Notstandshilfe:
Vom Einkommen der Gattin sind nach Abzug der Freigrenze S 1.733,-- anzurechnen, die Notstandshilfe des Gatten vermindert sich auf S 6.267,--. Das Familieneinkommen beträgt daher S 12.267,--.
b) Anrechnung der höheren Notstandshilfe:
Vom Einkommen des Gatten wären S 3.733,-- anzurechnen, die Notstandshilfe der Gattin würde sich - ohne Berücksichtigung des §36 Abs3 litB sublit. a letzter Satz AlVG - auf S 2.267,-- vermindern. Das Familieneinkommen betrüge daher S 10.267,-- bzw. mit Berücksichtigung der zitierten Bestimmung S 12.868,--.
Der mit dem Bundesgesetz BGBl. Nr. 290/1987 eingefügte §36 Abs3 litB sublit. a letzter Satz AlVG relativiert demnach die unterschiedlichen Ergebnisse der beiden möglichen Anrechnungsmodelle ganz erheblich. So resultiert aus der Berücksichtigung der Freigrenze in Höhe des Richtsatzes gemäß §293 Abs1 lita sublit. bb ASVG (Wert 1987: S 4.868,--) in den Rechenbeispielen bei Anrechnung der höheren Notstandshilfe auf die niedrigere ein geringfügig höheres Familieneinkommen als bei der Anrechnung der niedrigeren Notstandshilfe. Bei einer Durchschnittsbetrachtung unter Zugrundelegung verschiedener Rechenvarianten kann somit davon ausgegangen werden, daß die beiden Anrechnungsmethoden (niedrigere Notstandshilfe auf die höhere oder umgekehrt) unter Berücksichtigung des §36 Abs3 litB sublit. a letzter Satz AlVG annähernd zu gleichen Ergebnissen führen, was die Höhe des Familieneinkommens betrifft.
Dieses Ergebnis wird auch durch die beiden Rechenvarianten im Anlaßfall gestützt:
Notstandshilfe Ehegatte: S 8.454,--
Notstandshilfe Ehegattin: S 7.212,--
Bei der Anrechnung der niedrigeren Notstandshilfe auf die höhere Notstandshilfe ist zunächst die Freigrenze gemäß §6 Abs3 der Notstandshilfeverordnung in Abzug zu bringen. Diese betrug 1987 S 4.267,--. Als anrechenbare Notstandshilfe verbleiben sohin S 2.945,--. Die Notstandshilfe des Ehegatten vermindert sich um diesen Betrag auf S 5.509,--. Das Familieneinkommen beträgt daher S 12.721,--.
Bei der Anrechnung der höheren Notstandshilfe auf die niedrigere Notstandshilfe ist von der Notstandshilfe des Ehegatten zunächst die Freigrenze in Abzug zu bringen, sodaß ein anrechenbarer Betrag von S 4.187,-- verbleibt. Die Notstandshilfe der Ehegattin würde sich auf S 3.025,-- vermindern und das Familieneinkommen S 11.479,-- betragen.
Gemäß §36 Abs3 litB sublit. a letzter Satz AlVG, wonach die Notstandshilfe in der Höhe des Richtsatzes freibleiben muß, kann die Notstandshilfe jedoch nicht unter S 4.868,-- (Wert: 1987) sinken, sodaß die Notstandshilfe der Ehegattin S 4.868,-- und das Familieneinkommen S 13.322,-- betragen würde.
Die Berechnungen zeigen somit, daß die vom Gesetz in der angefochtenen Fassung vorgesehene Anrechnungsmethode im Regelfall zu keiner gravierenden Schlechterstellung der Notstandshilfebezieher führt, sofern man von einer Gesamtbetrachtung des Familieneinkommens und nicht von einer Einzelbetrachtung der Notstandshilfebezieher ausgeht.
Gerade eine derartige Gesamtbetrachtung des Familieneinkommens scheint aber im Hinblick auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 29. Juni 1990, G91/90 u.a., S. 20, vertretbar zu sein und auch nicht in Widerspruch mit den Grundsätzen des zivilrechtlichen Unterhaltsrechts zu stehen:
Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß die Anrechnung einer Notstandshilfe auf die andere nur eine fiktive, rechentechnische Methode sein kann, die - wie oben ausgeführt - gewährleisten soll, daß einerseits die aus der gemeinsamen Lebensführung von Ehepartnern oder Lebensgefährten resultierenden Ersparnisse bei der Bemessung der subsidiären Fürsorgeleistung des Staates berücksichtigt werden, andererseits aber auch nicht eine wechselseitige Anrechnung von Notstandshilfen vorgenommen wird. Aus einer derartigen fiktiven Anrechnungsregelung können jedoch keine zwingenden Rückschlüsse auf etwaige zivilrechtliche Unterhaltsverpflichtungen gezogen werden, ja vielmehr werden die zivilrechtlichen Unterhaltsverpflichtungen gerade erst eine Folge der nach ganz anderen - im konkreten Fall vom Unterhaltsrecht unabhängigen - Berechnungen zu ermittelnden Notstandshilfe sein.
Maßstab des zivilrechtlichen Unterhaltsrechtes ist der Beitrag zur Deckung der gemeinsamen Bedürfnisse nach den Kräften der Ehepartner, während das Arbeitslosenversicherungsgesetz auf die Voraussetzung der Notlage abstellt und dabei davon ausgeht, daß Zusammenlebende gewisse Bedürfnisse gemeinsam decken können und damit eine gewisse Kürzung ihrer Notstandshilfe gerechtfertigt ist.
Unbeschadet dessen wird aber die gegenständliche Anrechnungsregelung aus folgenden Gründen in Einklang mit den zivilrechtlichen Unterhaltsgrundsätzen sein:
Gemäß §94 ABGB haben die Ehegatten nach ihren Kräften und gemäß der Gestaltung ihrer ehelichen Lebensgemeinschaft zur Deckung der ihren Lebensverhältnissen angemessenen Bedürfnisse gemeinsam beizutragen. Gleiches muß für die Lebensgemeinschaft angenommen werden (vgl. VwGH vom 6.2.1957, Zl. 2474/55/2, sowie vom 24.9.1969, Zl. 205/69/2). Nach Pichler, in Rummel, Kommentar zum Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch, Bd. 1, (1983), §94 Rz 1, haben die Ehegatten gemeinsam nach ihren Kräften zum gemeinsamen Unterhalt beizutragen, nicht aber hat jeder Ehegatte zunächst sich selbst zu unterhalten, weil die primäre Deckung nur des eigenen Unterhaltes dem Beistandsgrundsatz widerspräche. Nach dem Einvernehmlichkeitsgrundsatz ist jede Erwerbstätigkeit danach einzurichten, daß die gemeinsamen ehelichen Bedürfnisse gedeckt werden. Die Kräfte bestimmen sich aber - so Pichler - unter anderem auch nach der Arbeitsmöglichkeit. Darunter muß wohl auch die Möglichkeit, einen Arbeitsplatz zu finden, fallen. Auch dem zivilrechtlichen Unterhaltsrecht liegt - soweit Ehepartner betroffen sind - somit im Rahmen des Beistandsgrundsatzes der Gedanke einer gemeinschaftlichen Bedarfsdeckung zugrunde. Ein fiktives Familieneinkommen nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz, dessen Aufteilung den Ehepartnern dann nach unterhaltsrechtlichen Grundsätzen zukommt, kann diesen Grundsätzen daher nicht widersprechen.
Daß in einem konkreten Fall die Grundsätze des Unterhaltsrechts, wie sie vor dem Notstandshilfebezug durch beide Ehepartner bestanden, auch nach Notstandshilfebezug durch beide Ehepartner aufrecht bleiben, wovon der Beschwerdeführer beim antragstellenden Verwaltungsgerichtshof offenbar auszugehen scheint, entspricht nach Ansicht der Bundesregierung nicht den zivilrechtlichen Grundsätzen des Unterhaltsrechts. Denn die Gestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft, wie auch die daraus erfließenden Unterhaltsverpflichtungen können wohl nur bei unveränderten Umständen gleichbleibend sein (vgl. Pichler in Rummel, aaO, §94 Rz 2 mwH.). Gerade der Verlust des Arbeitsplatzes und der daraus entstehende Bezug von Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe stellt aber eine gravierende Änderung der Lebensumstände dar, die wohl auch nicht ohne Rückwirkung auf die Unterhaltsverpflichtungen bleiben kann."
3. Der Bundesminister für Arbeit und Soziales verteidigt die Gesetzmäßigkeit der Verordnung und führt insbesondere aus, daß der Gesetzgeber aus sozialen Erwägungen die für die Bezieher von Notstandshilfe günstigere Regelung gewählt habe und der Verordnungsgeber aus eben diesen sozialen Erwägungen die Regelung auch in Ausführung des §36 Abs2 AlVG idF BGBl. 615/1987 und 364/1989 beibehalten habe.
II. Die Anträge sind zulässig.
Es hat sich nichts ergeben, was gegen die Zulässigkeit der Anträge sprechen würde. Der Verfassungsgerichtshof kann den Darlegungen des Verwaltungsgerichtshofes, er habe die angefochtenen Normen in den angeführten Fassungen bei Beurteilung der anhängigen Beschwerde anzuwenden, nicht entgegentreten.
III. Die Anträge sind aber nicht begründet. Die vom Verwaltungsgerichtshof vorgetragenen Bedenken sind nicht geeignet, einen Gleichheitsverstoß des Gesetzes und die Gesetzwidrigkeit der Verordnung darzutun.
Die Bedenken des Verwaltungsgerichtshofes gehen ausschließlich dahin, daß die Anrechnung der niedrigeren Notstandshilfe auf die höhere Notstandshilfe mit dem zivilrechtlichen Unterhaltsrecht in Widerspruch stehe. Damit verkennt der Verwaltungsgerichtshof - wie schon in den zu G179/90 u.a. vom heutigen Tag erledigten Anträgen -, daß es sich bei den Vorschriften über die Anrechnung von Einkommen Angehöriger im allgemeinen und von Notstandshilfe im besonderen nur um eine Methode der Berechnung der Notstandshilfe handelt, die nicht etwa zu einer Unterhaltsverpflichtung des die niedrigere Notstandshilfe beziehenden Angehörigen, sondern nur zur Kürzung oder zum Wegfall der Notstandshilfe des die höhere Notstandshilfe beziehenden Anspruchswerbers führt. Es gilt daher das im Erkenntnis G179/90 u.a. Gesagte auch für die Anrechnung von Notstandshilfe. Da sie den Freibetrag ebenso übersteigen kann wie ein Arbeitseinkommen, ist der Gesetzgeber berechtigt, die Ersparnis durch das Zusammenleben im gemeinsamen Haushalt in gleicher Weise zu berücksichtigen wie dort, und es der (zivilrechtlichen) Beziehung zwischen Arbeitslosen und (gleichfalls arbeitslosen) unterhaltspflichtigen Angehörigen zu überlassen, wie sie die gemeinsamen Bedürfnisse aus ihren jeweiligen Einkommen decken.
Demnach ist das Gesetz in der Fassung bis 31. Dezember 1987 nicht verfassungs- und die ihm entsprechende Verordnung nicht gesetzwidrig, aber auch die Verordnung in der Fassung BGBl. 417/1987 ungeachtet der Neufassung des Gesetzestextes seit 1. Jänner 1988 gesetzmäßig. Die von der Verordnung gewählte Methode, sicherzustellen, daß die Anrechnung nicht wechselseitig erfolgt, bleibt jedenfalls unter den vom Verwaltungsgerichtshof ins Treffen geführten Gesichtspunkten im Rahmen des - insoweit verfassungsrechtlich unbedenklichen - Gesetzes.
Auch die vorliegenden Anträge sind daher abzuweisen.
Da von einer mündlichen Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht zu erwarten war, hat der Verfassungsgerichtshof von einer mündlichen Verhandlung abgesehen.
Schlagworte
Arbeitslosenversicherung, Ehe und Verwandtschaft, NotstandshilfeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1991:G77b.1991Dokumentnummer
JFT_10088998_91G0077B_00