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31 BundeshaushaltNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Keine Gleichheitswidrigkeit der aufgrund der "Volkszahl" und des Bevölkerungszuwachses erfolgten Verteilung von Wohnbauförderungsmitteln des Bundes an die Länder; Interpretation des - finanzausgleichsrechtlichen - Wohnbauförderungs-ZweckzuschußG im Rahmen der finanzausgleichsrechtlichen Gesamtordnung; sachgerechte Anknüpfung an den "abgestuften Bevölkerungsschlüssel"; keine Bedenken gegen die Nichtberücksichtigung von Bewohnern einer Zweitwohnung; keine willkürliche Ignorierung der Interessenlage eines Finanzausgleichspartners aufgrund der vorangegangenen Verhandlungen; Aufteilung der Zuschüsse nach dem Steueraufkommen im Hinblick auf die vorangegangene Paktierung während der Laufzeit unbedenklichSpruch
Der Antrag wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Die Niederösterreichische Landesregierung stellt aufgrund ihres Beschlusses vom 13. März 1990 gemäß Art140 Abs1 B-VG den Antrag, der Verfassungsgerichtshof wolle §2 Abs2 des Bundesgesetzes vom 29. November 1988, BGBl. 691/1988, mit dem den Ländern Zweckzuschüsse des Bundes für die Förderung des Wohnbaues und der Wohnhaussanierung gewährt werden (Wohnbauförderungs-Zweckzuschußgesetz 1989 - WBF-ZG), als verfassungswidrig aufheben.
Sie steht auf dem Standpunkt, daß die Art und Weise, wie die Zweckzuschüsse nach §2 Abs2 WBF-ZG aufgeteilt werden, unsachlich sei. Diese Gesetzesbestimmung verletze daher §4 F-VG 1948. Die Aufteilung der Zweckzuschüsse dürfe keines der betroffenen Länder unsachlich benachteiligen. Die Verteilungskriterien, die in der angefochtenen Bestimmung enthalten sind, stünden in keiner Beziehung zu einem Bedarf der Länder an Mitteln, die zur Förderung des Wohnbaues oder der Wohnhaussanierung benötigt werden. Der im §2 Abs2 WBF-ZG vorgesehene Aufteilungsschlüssel gehe bis auf §5 Abs3 des WohnbauförderungsG 1968 zurück; die damalige Regelung sei im wesentlichen stets fortgeschrieben worden, ohne auf die in der Zwischenzeit eingetretenen Änderungen der Bevölkerungsstruktur Bedacht zu nehmen.
Die Landesregierung führt diese allgemeinen Bedenken jeweils zu den einzelnen Ziffern des §2 Abs2 WBF-ZG näher aus (s.u. II.2. bis II.4., jeweils lita).
Mit Schriftsatz vom 23. Juli 1990 ergänzte sie ihr Vorbringen.
2. Die Bundesregierung erstattete eine Äußerung, in der sie begehrt, §2 Abs2 WBF-ZG nicht als verfassungswidrig aufzuheben. Sie nahm auch zum soeben erwähnten Schriftsatz der antragstellenden Landesregierung Stellung.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über den - zulässigen - Gesetzesprüfungsantrag erwogen:
1.a) Bis einschließlich 1988 gewährte der Bund im Rahmen der jeweiligen (befristeten) Finanzausgleichsgesetze (zuletzt durch §22a FAG 1985 idF der Novelle BGBl. 607/1987) den Ländern Zweckzuschüsse für die Förderung des Wohnbaues.
Seit dem Bundesverfassungsgesetz BGBl. 640/1987 fallen alle Angelegenheiten der Förderung des Wohnbaus und der Wohnhaussanierung in die ausschließliche Gesetzgebungs- und Vollziehungszuständigkeit der Länder.
Den Erläuterungen zur Regierungsvorlage betreffend das nachmalige WBF-ZG, 765 BlgNR, 17. GP, S 3,4 zufolge soll der Bund zwar die bisherige Finanzierung weiterführen; es erschien jedoch zweckmäßig, die Regelung der Zweckzuschüsse für diese Förderung nicht mehr in das neue Finanzausgleichsgesetz (das FAG 1989) aufzunehmen, sondern in einem eigenen Bundesgesetz (dem WBF-ZG) zusammenzufassen und - im Hinblick auf die Notwendigkeit der mittelfristigen Planung - die Geltungsdauer der Regelung hier (im Unterschied zum FAG) zeitlich nicht zu begrenzen.
Die Regierungsvorlage betont, daß die Regelung der von Bund, Ländern und Gemeinden am 7. September 1988 getroffenen Übereinkunft über einen neuen Finanzausgleich für die Jahre 1989 bis 1992 entspreche.
b) Nach §1 WBF-ZG gewährt der Bund den Ländern (insgesamt) zum Zwecke der Finanzierung der Förderung des Wohnbaues und der Wohnhaussanierung jährlich einen Zweckzuschuß in der Höhe eines bestimmten Prozentsatzes des Aufkommens an Einkommensteuer, an Körperschaftsteuer und an Wohnbauförderungsbeitrag.
Dem §2 Abs1 leg.cit. zufolge sind die Zweckzuschüsse den Ländern vierteljährlich in Teilzahlungen zu überweisen.
Der von der Niederösterreichischen Landesregierung angefochtene §2 Abs2 WBF-ZG regelt die Aufteilung der Zweckzuschüsse auf die einzelnen Länder:
"(2) Die Aufteilung der Teilzahlung auf die einzelnen Länder ist nach folgenden Berechnungsgrundlagen vorzunehmen:
1. 50 % nach der Summe, die sich aus der Volkszahl gemäß der entsprechenden Bestimmung des jeweils geltenden Finanzausgleichsgesetzes, vermehrt um 50 % des Bevölkerungszuwachses, ergibt; als Bevölkerungszuwachs gilt die Differenz von dem vom Österreichischen Statistischen Zentralamt auf Grund der letzten Volkszählung festgestellten Ergebnis gegenüber dem unmittelbar vorangegangenen;
2. 35 % nach dem jeweils für die Endabrechnung der Ertragsanteile an den gemeinschaftlichen Bundesabgaben für die Zuteilung der Mittel des zweitvorangegangenen Jahres maßgeblichen abgestuften Bevölkerungsschlüssel gemäß der entsprechenden Bestimmung des jeweils geltenden Finanzausgleichsgesetzes;
3. 15 % nach dem länderweisen Aufkommen an veranlagter Einkommensteuer einschließlich Abzugsteuer und an Lohnsteuer unter Zugrundelegung der Endabrechnung der Ertragsanteile an den gemeinschaftlichen Bundesabgaben des für die Berechnung der Länderanteile zweitvorangegangenen Jahres.
Die Volkszahl gemäß Z1 bestimmt sich nach dem vom Österreichischen Statistischen Zentralamt auf Grund der letzten Volkszählung festgestellten Ergebnis. Dieses Ergebnis wirkt mit dem Beginn des dem Stichtag der Volkszählung nächstfolgenden Kalenderjahres. Ausgangspunkt bei der Ermittlung der Berechnungsgrundlagen gemäß Z2 und 3 ist jenes Jahr, in welchem die Teilzahlung fällig ist."
2.a) Die antragstellende Landesregierung begründet die behauptete Verfassungswidrigkeit des im §2 Abs2 Z1 im Zusammenhalt mit §2 Abs2 drittletzter Satz WBF-ZG vorgesehenen Anknüpfens an die Volkszahl zunächst damit, daß diese Gesetzesbestimmung - in Widerspruch zu Art18 Abs1 B-VG - offen lasse, ob damit die Zahl der Staatsbürger nach §2 Abs3 des VolkszählungsG 1980 gemeint sei oder die tatsächliche Bevölkerungszahl.
Aber auch wenn man davon ausgehe, daß damit die aufgrund des Ergebnisses der Volkszählung festgestellte Zahl der Wohnbevölkerung gemeint sei, sei dieses Anknüpfen nicht sachgerecht: Aus §2 Abs4 VolkszählungsG 1980 folge, daß bei der Ermittlung der Zahl der Wohnbevölkerung nur ein einziger Wohnsitz jedes Einwohners zu erheben sei, er daher nur an einem einzigen Ort gezählt werden könne. Wenn daher die angefochtenen Bestimmungen eine Verteilung von Zweckzuschüssen nach dem Ergebnis der Volkszählung vorsähen, so werde nur jenes Land beteilt, in dem der Einwohner mit seinem ordentlichen Wohnsitz gezählt wurde, nicht aber (auch) jenes Land, in dem der Einwohner einen weiteren ordentlichen Wohnsitz hat. Auch jene Personen, die nach dem VolkszählungsG nicht der Bevölkerung eines Landes zuzurechnen sind, weil sie dort bloß einen weiteren ordentlichen Wohnsitz haben, verursachten jedoch den gleichen Aufwand an benötigten Förderungsmitteln wie die der Bevölkerung dieses Landes nach dem VolkszählungsG zuzuzählenden Personen.
Mit Schriftsatz vom 23. Juli 1990 ergänzte die Landesregierung diese Ausführungen durch Übermittlung einer die sogenannten "Zweitwohnungsbesitzer" betreffenden, die Jahre 1980 bis 1990 erfassenden, statistischen Unterlage. Diese - unbestritten gebliebene - Aufstellung zeigt, daß die Zahl der Ansuchen um Eigenheimförderung von Personen mit dem ordentlichen Wohnsitz in Wien relativ hoch ist und weit über der Zahl liegt, die den statistisch ausgewiesenen Bevölkerungszuwachs darstellt.
Nach Ansicht der antragstellenden Landesregierung sei die Heranziehung der jeweiligen Volkszählungsergebnisse aber auch schon deshalb unsachlich, weil Volkszählungen in einem Intervall von 10 Jahren stattfinden. Bei der Nachfrage nach Wohnungen und bei der Sanierung verfallener Bausubstanz handle es sich um Sektoren, die sehr starken Veränderungen unterliegen. Die Regelung des §2 Abs2 Z1 WBF-ZG werde diesem Umstand unsachlicherweise keinesfalls gerecht, wenn notwendige Änderungen in der Zuschußverteilung aufgrund dieser Bestimmung erst in einem Abstand von jeweils 10 Jahren durchgeführt würden.
Der Aufteilungsschlüssel berücksichtige dieses progressive Element der Bevölkerungsveränderung nur unzureichend, wenn vor der Aufteilung der Zweckzuschüsse auf die einzelnen Länder die Hälfte des Bevölkerungszuwachses (der in den letzten 10 Jahren stattgefunden hat) zur Volkszahl hinzugerechnet wird, weil damit wieder nur eine Reaktion auf die Bevölkerungsveränderung in den letzten 10 Jahren erfolge.
Dazu komme noch, daß der Gesetzgeber bei der Aufteilung nur den Bevölkerungszuwachs, nicht aber die negative Bevölkerungsveränderung berücksichtige, wie dies aus Gründen der Gleichbehandlung notwendig wäre.
Nach Ansicht der Niederösterreichischen Landesregierung sei aber vor allem die Gewichtung, aufgrund der die gesamten Zweckzuschüsse nur zu 50 % nach der Summe aus der Volkszahl und der Hälfte des Bevölkerungszuwachses auf die einzelnen Länder aufgeteilt werden, willkürlich gewählt. Die Verteilung der Finanzmittel für Zwecke der Wohnbauförderung und der Wohnhaussanierung dürfe sich nur nach dem Bedarf der Länder richten. Dieser Bedarf sei aber zur Gänze abhängig von der Bevölkerungszahl und deren Entwicklung.
Die geltende Berechnungsmethode berücksichtige die tatsächliche Bevölkerungsstruktur nicht.
b) Der Verfassungsgerichtshof teilt diese Bedenken nicht:
aa) Zunächst ist festzuhalten, daß das WBF-ZG zwar formal ein eigenes, außerhalb das FAG 1989 stehendes Gesetz ist, daß es aber dennoch ein Gesetz mit typisch finanzausgleichsrechtlichem Inhalt ist, mit dem der Bund den Ländern Zweckzuschüsse gewährt (§3 Abs1, §§12 und 13 F-VG 1948). Das WBF-ZG ist also ein Teil der seit 1989 geltenden Finanzausgleichsordnung, die nur als Gesamtkomplex gesehen und beurteilt werden kann; dies nach jenen Kriterien, wie sie der Verfassungsgerichtshof gerade in letzter Zeit entwickelt hat. Eine isolierte Betrachtung - allein des WBF-ZG - wäre mithin verfehlt.
bb) Der Verfassungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 12. Oktober 1990, G66/90, S 46, dargetan, daß und weshalb er die damals gleichfalls von der Niederösterreichischen Landesregierung ob der Verfassungsmäßigkeit der mit der Volkszahl zusammenhängenden Regelungen des FAG 1989 vorgetragenen Bedenken nicht teilt.
Entgegen der von der antragstellenden Landesregierung vertretenen Meinung ist - wie schon eine Wortinterpretation eindeutig ergibt - unter dem Begriff "Volkszahl" in §2 Abs2 Z1 WBF-ZG die Wohnbevölkerung und nicht die Zahl der Staatsbürger zu verstehen. Wenn die Regel für die Aufteilung der vom Bund für die Wohnbauförderung vorgesehenen Zweckzuschüsse u.a. an die - so verstandene - Volkszahl anknüpft, ist dies nicht unsachlich, weil bei einer Durchschnittsbetrachtung der Bedarf nach geförderten Wohnungen eng mit der Zahl der Wohnbevölkerung zusammenhängt. An sich ist es daher sachlich, daß das Gesetz bei Gewährung von Wohnbauförderungs-Zweckzuschüssen an die Bevölkerungszahl anknüpft.
Wenn in diesem Zusammenhang Personen, die in einer Gemeinde (bloß) den zweiten Wohnsitz haben, der Wohnbevölkerung nicht zugezählt werden, kann zwar einerseits gegen eine solche Regelung ins Treffen geführt werden, daß unter bestimmten Konstellationen das Begründen von Zweitwohnsitzen für die ortsansässigen Wohnungssuchenden nachteilige Auswirkungen auf dem Wohnungsmarkt haben mag - etwa dann, wenn als Zweitwohnsitze Mietwohnungen in bereits bestehenden Gebäuden in Anspruch genommen werden und diese Wohnungen daher der ortsansässigen Bevölkerung nicht zur Verfügung stehen, sodaß deren Wohnbedarf anderweitig gedeckt werden muß; andererseits aber liegt es im Rahmen vernünftiger Rechtspolitik, Zweitwohnungen gar nicht oder geringer zu fördern als Erstwohnungen.
Auch wenn die Regelung tatsächlich dem Bedarf an Wohnbauförderungsmitteln nicht vollständig und exakt entsprechen sollte, berücksichtigt sie doch wesentliche, die speziellen Bedürfnisse nach Wohnbauförderung konstituierende Elemente, wie die Volkszahl und den Bevölkerungszuwachs (s. hiezu die folgenden Absätze), und kommt daher nicht in Widerspruch zu den verfassungsrechtlichen Vorgaben.
Entgegen der Meinung der Niederösterreichischen Landesregierung ist die Regelung des §2 Abs2 Z1 WBF-ZG (wonach grundsätzlich an die Ergebnisse der nur alle zehn Jahre stattfindenden Volkszählung anzuknüpfen ist) sachlich zu rechtfertigen:
Der Gesetzgeber hat bei Festlegung des Aufteilungsschlüssels - wie soeben dargetan - sachgerecht an die Bevölkerungszahl angeknüpft. Die Bevölkerungszahl ist wesensnotwendig variabel. Es ist verwaltungsökonomisch praktisch ausgeschlossen, daß jede Änderung sofort zu einer Änderung der den Ländern gebührenden Zahlungen führt. Die bestehende Regelung ist umso eher sachlich rechtfertigbar, als der zwischen der letzten und der vorletzten Volkszählung eingetretene Bevölkerungszuwachs (der in der Regel eine rasche und starke Zunahme des Wohnbedarfes hervorruft) besonders berücksichtigt wird. Wenn das Gesetz nicht vorsieht, daß sich auch eine Bevölkerungsabnahme in gleicher Weise auf die Verteilung der Zuschüsse auswirkt, kann dies damit begründet werden, daß ein Bevölkerungsrückgang - wenn überhaupt - erst mittel- oder längerfristig zu einem Rückgang des Wohnbedarfes führt; diesem Umstand trägt aber die Grundsatzregelung des ersten Halbsatzes im §2 Abs2 Z1 WBF-ZG ohnehin Rechnung.
3.a) Die antragstellende Landesregierung leitet die Begründung für ihre Behauptung, es sei nicht sachgerecht, wenn in §2 Abs2 Z2 an den abgestuften Bevölkerungsschlüssel angeknüpft werde, wie folgt ein:
"§2 Abs2 Z2 WBF-ZG knüpft insoferne an §8 Abs3 FAG 1989 an, als bei der Aufteilung der Teilzahlungen auf die einzelnen Länder 35 % nach dem jeweils für die Endabrechnung der Ertragsanteile an den gemeinschaftlichen Bundesabgaben für die Zuteilung der Mittel des zweitvorangegangenen Jahres maßgeblichen abgestuften Bevölkerungsschlüssel gemäß der entsprechenden Bestimmung des jeweils geltenden Finanzausgleichsgesetzes bemessen werden.
Gegen die Anknüpfung sprechen folgende Argumente:
Der abgestufte Bevölkerungsschlüssel ist für Mittelzuweisungen an die Gebietskörperschaften insgesamt nicht sachgerecht."
Sodann bringt die Landesregierung inhaltlich dieselben Bedenken vor, mit denen sie ihren auf Aufhebung von Bestimmungen des FAG 1989 gerichteten, zu G66/90 eingebrachten Gesetzesprüfungsantrag begründet hatte.
Im nunmehr vorliegenden Antrag wird außerdem geltend gemacht, es bestehe kein Zusammenhang zwischen dem System des abgestuften Bevölkerungsschlüssels und dem Finanzbedarf der Länder auf dem Gebiet der Wohnbauförderung (s.u. litb)bb)).
b) aa) Soweit im vorliegenden Antrag Bedenken gegen den abgestuften Bevölkerungsschlüssel an sich enthalten sind, die der Sache nach mit jenen identisch sind, welche den zu G66/90 eingebrachten Antrag begründet hatten, wird auf die betreffende Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vom 12. Oktober 1990, G66/90, verwiesen, mit der diese Bedenken als unbegründet erkannt wurden.
bb) b1) Hingegen ist der von der antragstellenden Landesregierung erhobene Vorwurf näher zu behandeln, es sei unsachlich, bei der Verteilung von Zweckzuschüssen, die der Wohnbauförderung dienen, an den abgestuften Bevölkerungsschlüssel - mag dieser auch in anderem Zusammenhang gerechtfertigt sein - anzuknüpfen, weil die Errichtung von Wohnraum unabhängig davon, ob in einer einwohnerstarken oder einwohnerschwachen Gemeinde gebaut werde, den gleichen Finanzbedarf (pro zu schaffender Wohneinheit) erfordere; diese Bedenken wurden nämlich im Erkenntnis G66/90 nicht erörtert.
Die Bundesregierung macht in ihrer Äußerung auf die Funktion des Wohnbauförderungs-Zweckzuschusses aufmerksam, die Haushalte der Länder zu entlasten, um ihnen - auch - eine Wohnbauförderungspolitik zu ermöglichen, ohne daß die anderen Aufgaben vernachlässigt werden müßten; die teilweise Anknüpfung bei der Verteilung dieses Zweckzuschusses an Kriterien, die in erster Linie auf den Finanzierungsbedarf des Gesamthaushalts einer Gebietskörperschaft abstellen, sei daher nicht unsachlich.
Damit wird aber nicht nachgewiesen, daß eine größere Einwohnerzahl einen überproportionalen Bedarf nach Wohnbauförderungsmitteln bewirkt.
b2) Dennoch sieht sich der Verfassungsgerichtshof nicht veranlaßt, §2 Abs2 Z2 WBF-ZG wegen Widerspruches zu §4 F-VG 1948 und zu Art7 B-VG aufzuheben.
Zur Entstehungsgeschichte des WBF-ZG ist zunächst auf die obigen Ausführungen unter II.1.a zu verweisen. Das Gesetzesprüfungsverfahren hat ergeben, daß dem FAG 1989 und dem WBF-ZG (das die finanzausgleichsrechtlichen Regelungen über die Bundeswohnbauförderung formal aus dem FAG ausnimmt und - zeitlich unbegrenzt - sondergesetzlich regelt) Beratungen der Finanzausgleichspartner vorausgingen; das WBF-ZG entspricht der von ihnen am 7. September 1988 getroffenen Übereinkunft (vgl. die Erläuterungen zur Regierungsvorlage betreffend das nachmalige WBF-ZG, 765 BglNR, 17. GP, S 3,4).
Das Resümeeprotokoll über die Paktierung des Finanzausgleiches ab dem Jahr 1989 hält dazu - wie die Bundesregierung in ihrem Schriftsatz vom 23. November 1990 ausführt (diese Behauptungen blieben unbestritten) - in Pkt. 1.4. fest:
"Die derzeit im §22a Finanzausgleichsgesetz 1985 in der Fassung BGBl. Nr. 607/1987 und im ArtII Z2 des VI. Abschnittes des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 607/1987 geregelten Zuschüsse des Bundes an die Länder zur Förderung des Wohnbaues und der Wohnhaussanierung werden außerhalb des Finanzausgleichsgesetzes in einem eigenen Bundesgesetz (Wohnbauförderungs-Zweckzuschußgesetz 1989) festgelegt, das unbefristet in Kraft gesetzt wird. Änderungen dieses Gesetzes werden nur im Einvernehmen mit den Ländern vorgenommen.
Die Bemessungsgrundlage für die Zuschüsse des Bundes an die Länder bleibt gegenüber der gesetzlichen Regelung des §22a Finanzausgleichsgesetz 1985 in der Fassung BGBl. Nr. 607/1987 unverändert. Es wird einvernehmlich festgehalten, daß die Kapitalertragsteuer II nicht in die Bemessungsgrundlage für die Wohnbauförderungs-Zweckzuschüsse einbezogen wird."
Gleichzeitig fanden zwischen dem Bund und allen Ländern Beratungen über den Abschluß einer auf Art15a B-VG gestützten Vereinbarung betreffend die Förderung des Wohnbaues und der Wohnhaussanierung statt. Am 29. November 1988 wurde die Vereinbarung abgeschlossen (BGBl. 390/1989). Die einschlägigen Bestimmungen enthält Artikel 3 dieser Vereinbarung.
b3) Unter diesen Umständen kommt den im Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 12. Oktober 1990, G66/90 (dessen Leitgedanken im Erkenntnis vom 27. Juni 1991, G158-162/91, bekräftigt wurden), angestellten Überlegungen besondere Bedeutung zu:
"Das allgemeine Gleichheitsgebot des Art7 B-VG gilt auch für den Finanzausgleichsgesetzgeber. Es wird für den Bereich des Finanzausgleiches durch §4 F-VG 1948 zum Ausdruck gebracht;
...
Art und Ausmaß der Lasten wie der Einnahmen werden von den einzelnen Gebietskörperschaften teils autonom, teils heteronom bestimmt, wobei zahlreiche Wechselbeziehungen und gegenseitige Einwirkungen bestehen, die bei Regelung des Finanzausgleiches Rücksichtnahme auf die Interessen der anderen Gebietskörperschaften erfordern.
Schließlich geht aus §4 F-VG 1948 hervor, daß die einzelnen finanzverfassungsrechtlichen Bestimmungen nicht isoliert betrachtet werden dürfen; vielmehr hat - unter Beachtung der beiden erwähnten Faktoren - die Finanzausgleichsgesetzgebung insgesamt ein System zu entwickeln, das dem Gebot des §4 F-VG 1948 und des Art7 B-VG entspricht.
All das aber bedeutet, daß die Bundesverfassung dem Finanzausgleichsgesetzgeber einen weiten Gestaltungsspielraum läßt und ihm nur minimale Handlungsanweisungen erteilt, wie die einzelnen finanzausgleichsrechtlichen Regeln inhaltlich zu fassen sind.
So steht dem Finanzausgleichsgesetzgeber ein weiter rechtspolitischer Freiraum in der Auswahl sowohl der mit dem Finanzausgleich anzustrebenden Ziele als auch des hiebei eingesetzten Instrumentariums zu.
Die vorgesehenen Mittel dürfen nur nicht von vornherein zur Zielerreichung und zur Herstellung des oben geschilderten angemessenen Ausgleiches zwischen den (divergierenden) finanzpolitischen Interessen der Gebietskörperschaften ungeeignet sein oder sonst dem Gleichheitsgrundsatz widerstreiten (vgl. zB VfSlg. 8457/1978, 9280/1981).
Ein dem Gebot des §4 F-VG entsprechendes, sachgerechtes System des Finanzausgleiches setzt schon im Vorfeld der Gesetzgebung eine Kooperation der Gebietskörperschaften voraus, die durch politische Einsicht und gegenseitige Rücksichtnahme bestimmt ist. Ein solches komplexes System kann nur bei eingehender Kenntnis der bestehenden weitverzweigten, komplizierten Rechtsordnung und der gegenwärtigen und künftig zu erwartenden wirtschaftlichen und politischen Gegebenheiten und Interessen sowie durch gegenseitige Rücksichtnahme und einen das Gesamtwohl beachtenden Ausgleich der (allenfalls divergierenden) Interessen der Gebietskörperschaften geschaffen werden.
Vor Erlassung des Finanzausgleichsgesetzes sind also entsprechende Beratungen zwischen den Vertretern der Gebietskörperschaften unabdingbar (wobei die Gemeinden durch den Österreichischen Gemeindebund und den Österreichischen Städtebund zu vertreten sind - Art115 Abs3 B-VG). Führen diese Gespräche zumindest in den wesentlichen, grundsätzlichen Belangen zu einem Einvernehmen, so kann in aller Regel davon ausgegangen werden, daß eine dem Art4 F-VG 1948 entsprechende Gesamtregelung getroffen wurde. Es ist nämlich nicht anzunehmen, daß die mit der Sach-, Rechts- und Interessenslage vertrauten Vertreter der Gebietskörperschaften bei den auf Erzielung eines Konsenses abzielenden Verhandlungen zu einem Ergebnis gelangen, dem entgegenhalten werden könnte, es sei exzessiv unrichtig.
Ein - den Art7 B-VG und den §4 F-VG 1948 verletzender - Fehler des Gesetzgebers liegt im gegebenen Zusammenhang demnach nur dann vor, wenn einzelne (nicht das Gesamtsystem berührende) Bestimmungen zueinander in sachlich nicht rechtfertigbarem Widerspruch stehen (wie etwa bei Benachteiligung zweier Städte mit eigenem Statut ohne Bundespolizeibehörden - VfSlg. 10633/1985), oder aber wenn die Partner der Finanzausgleichsverhandlungen von völlig verfehlten Prämissen ausgingen oder die artikulierte Interessenlage eines Partners geradezu willkürlich ignoriert oder mißachtet wurde.
....".
b4) Derartige Fehler sind dem §2 Abs2 Z2 WBF-ZG nicht anzulasten:
Die Finanzausgleichspartner schlossen - wie unter litb2 geschildert - auf zwei Rechtsebenen je ein Paktum, wobei jene Probleme, die Gegenstand dieses Verfahrens sind, bei den den erwähnten Vereinbarungen vorangegangenen Verhandlungen (den dem Verfassungsgerichtshof zur Verfügung stehenden Unterlagen zufolge) keine Rolle spielten, weshalb denn auch die Verhandlungspartner zu einer Einigung gelangten. Unter diesen Umständen kann nicht die Rede davon sein, daß die artikulierte Interessenlage eines Partners geradezu willkürlich ignoriert oder mißachtet wurde.
Das WBF-ZG 1989 trat am 1. Jänner 1989 in Kraft. Erst in der Folge stellten sich die soeben geschilderten Bedenken heraus. Seither ist noch ein zu kurzer Zeitraum verflossen, um die tatsächlichen Verhältnisse mit Sicherheit überblicken zu können und um die Pflicht des Gesetzgebers entstehen zu lassen, das WBF-ZG den neuen Einsichten entsprechend zu ändern.
Auch §2 Abs2 Z2 WBF-ZG war sohin nicht als verfassungswidrig aufzuheben.
4.a) Schließlich meint die Niederösterreichische Landesregierung, daß auch die im §2 Abs2 Z3 WBF-ZG vorgesehene Berücksichtigung des Steueraufkommens unsachlich sei:
Der Steuerertrag, den ein Land erwirtschaftet, stehe mit dem im §4 F-VG 1948 festgeschriebenen Prinzip der Lastenadäquanz in keinem Zusammenhang. Die Verteilungskriterien müßten sich nach dem Bedarf an Förderungsmitteln richten und dürften nicht von Faktoren abhängig gemacht werden, die die Einnahmenseite (die Mittelaufbringung) berücksichtigen. Darin liege gerade das Wesen des finanzverfassungsrechtlich vorgeschriebenen Finanzausgleichs, der für eine lastenadäquate, also ausgabenorientierte Finanzmittelverteilung sorgen müsse.
Die Berechnung des Faktors nach §2 Abs2 Z3 WBF-ZG gehe unter anderem vom Steuerertrag jedes Landes bei der Lohnsteuer aus. Die Formulierung "länderweises Aufkommen an Lohnsteuer" im Gesetzestext lasse nun keine andere Auslegung zu, als daß die Einnahmen an Lohnsteuer dem Land zugerechnet werden, in dem sie an die Finanzbehörden abgeführt werden. Diese örtliche Zuordnung des Steueraufkommens sei zufällig und nicht sachgerecht. Durch diese Regelungen würden jene Länder unsachlich benachteiligt, die einen hohen Anteil an Pendlern haben - also an Personen, die in einem anderen Bundesland ihre Erwerbstätigkeit ausüben; deren Lohnsteuer komme nämlich bei der Berechnung nach diesem Faktor dem "Gastland" zugute.
Schließlich sei die Auswahl der Steuerarten bei der in §2 Abs2 Z3 WBF-ZG enthaltenen Regelung nach Ansicht der Niederösterreichischen Landesregierung willkürlich und ohne inhaltlichen Bezug auf die für die Förderung des Wohnbaus bereitgestellten Zweckzuschüsse getroffen worden. So würde etwa der Steuerertrag aus der Grunderwerbsteuer viel eher in einem inhaltlichen Zusammenhang zum Wohnbau stehen als die Lohn- oder Einkommensteuer.
b) aa) Zwar ist - worauf die Bundesregierung zutreffend verweist - einer der Grundsätze, auf denen der - auf einen Pakt der Finanzausgleichspartner zurückgehende, für die Zeit ab 1989 geltende - Finanzausgleich (zu dem auch - wie dargetan - das WBF-ZG gehört) beruht, daß jeder am Finanzausgleich beteiligten Gebietskörperschaft ein Ertragsanteil jenes Steueraufkommens zurückerstattet wird, das in ihrem Gebiet erzielt wurde (vgl. zB §8 Abs2 FAG 1989 - in diesem Sinne schon Pfaundler, Die Finanzausgleichsgesetzgebung 1948/582, Wien 1958, S 95).
Dennoch ist nicht erkennbar, weshalb gerade ein hohes Aufkommen an Einkommensteuer und Lohnsteuer ein Indikator für einen besonderen Bedarf an Wohnbauförderungsmitteln (die vor allem der einkommensschwächeren Bevölkerung zugutekommen sollen) sein kann.
bb) Weiters hat das Verfahren zwar den von der antragstellenden Landesregierung erhobenen Vorwurf bestätigt, die örtliche Zuordnung des Steueraufkommens sei vielfach ein Ergebnis des Zufalls; die in §2 Abs2 Z3 WBF-ZG vorgenommene Verknüpfung ist also an sich sachlich nicht zu rechtfertigen. Gleichwohl ist aber die Regelung im Hinblick auf die geschilderte Paktierung (s.o. II.3.b)bb) b2) und b4)) während der Laufzeit des derzeit geltenden Finanzausgleichsgesetzes nicht als verfassungswidrig aufzuheben.
5. Die von der Niederösterreichischen Landesregierung gegen die Verfassungsmäßigkeit des WBF-ZG vorgebrachten Bedenken treffen also insgesamt nicht zu.
Der Antrag war mithin abzuweisen.
Schlagworte
Finanzverfassung, Finanzausgleich, Auslegung, Invalidation, VfGH / Prüfungsmaßstab, Finanzzuweisungen, Zuschüsse (Finanzausgleich), Wohnbauförderung, Bevölkerungsschlüssel abgestufter, Volkszahl, Wohnsitz Zweit-European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1991:G39.1990Dokumentnummer
JFT_10088998_90G00039_00