TE Vwgh Erkenntnis 1994/2/23 93/09/0193

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Veröffentlicht am 23.02.1994
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
60/04 Arbeitsrecht allgemein;
62 Arbeitsmarktverwaltung;

Norm

AuslBG §13a;
AuslBG §20 Abs1 idF 1991/684;
AuslBG §20 Abs3;
AuslBG §4 Abs6 idF 1991/684;
AVG §37;
AVG §45 Abs3;
AVG §46;
AVG §56;
B-VG Art144 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwGG §59 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Fürnsinn, Dr. Germ, Dr. Höß und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Mag. Fritz, über die Beschwerde der C in S, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in D, gegen den Bescheid des Landesarbeitsamtes Steiermark vom 15. Juli 1992, Zl. IIIe 6702 B - Sn/Pe, betreffend Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Begründung

Die Beschwerdeführerin, die in Stainz ein Gebäudereinigungsunternehmen betreibt, beantragte mit Schreiben vom 8. Mai 1992 die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung für den "jugoslawischen" Staatsangehörigen A.M. nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) für die Tätigkeit "Fensterreinigung; Grünanlagepflege (Mähen mit Hand)". In einem Begleitschreiben wies sie darauf hin, sie sei primär an der Beschäftigung von Inländern interessiert. Insbesondere für den Auftrag betreffend die Internatsschule L. sei es nicht möglich, inländische Arbeitskräfte zu bekommen, zumal die Arbeitszeit nur am Nachmittag in Form von Teilzeitarbeit geleistet werden könne und unregelmäßig Dienst zu leisten sei. Dazu komme, daß im Frühjahr und im Sommer das Gras zu mähen sei, was teilweise mit der Sense erfolgen müsse. Derartige Kenntnisse seien jedoch bei Arbeitssuchenden äußerst selten. Unter Hinweis auf § 4 Abs. 6 Z. 2 lit. b AuslBG machte die Beschwerdeführerin geltend, ihr erst 1986 gegründeter Betrieb wäre gefährdet, wenn der "Auftrag Liebenau" nicht erfüllt werden könne, da er die wirtschaftliche Situation ihres Betriebes wesentlich beeinflusse. Die Beschwerdeführerin beschäftige derzeit elf inländische und einen ausländischen Arbeitnehmer sowie zwei Angestellte. Sollte die beantragte Beschäftigungsbewilligung nicht erteilt werden, müßten vier inländische Arbeitnehmer gekündigt werden, da der Auftrag der Internatsschule L. verlorenginge. A.M. sei daher auch eine Schlüsselkraft im Sinne des § 4 Abs. 6 Z. 2 lit. a AuslBG.

Mit Bescheid vom 2. Juni 1992 lehnte das Arbeitsamt Graz diesen Antrag gemäß § 4 Abs. 6 AuslBG ab. Nach Darlegung der Rechtslage wies die Behörde erster Instanz in der Begründung darauf hin, der Vermittlungsausschuß habe die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung nicht befürwortet; darüber hinaus habe das "Ermittlungsverfahren" ergeben, daß keine der im § 4 Abs. 6 Z. 2 bis 4 AuslBG vorgesehenen Voraussetzungen vorlägen.

In ihrer Berufung brachte die Beschwerdeführerin vor allem vor, das Arbeitsamt habe keine Ermittlungsverfahren durchgeführt und sei auf ihr Vorbringen überhaupt nicht eingegangen. Sie benötige dringend zur Erhaltung des Auftrages in der Internatsschule L. weitere Reinigungskräfte, die bereit seien, ihre ganztägige Beschäftigung erst in den späten Nachmittags- und Abendstunden auszuüben. 1991 und 1992 habe sie bei den Arbeitsämtern Vermittlungsaufträge erteilt, doch hätten 20 (namentlich genannte) inländische Ersatzkräfte die angebotene Arbeit nicht angenommen. Es sei ihr daher nicht möglich, den in Aussicht genommenen Schlüsselarbeitsplatz durch einen Inländer oder einen gleichgestellten Ausländer zu besetzen. Sie habe derzeit vier inländische Arbeitskräfte in der Internatsschule L. beschäftigt; es bestehe jedoch die Gefahr, daß sie den Auftrag nicht vollständig zur Zufriedenheit des Auftraggebers erfüllen könne. Sie benötige daher jemanden, der imstande sei, die zu erbringenden Arbeiten selbständig und ohne Kontrolle ordnungsgemäß zu leisten; dazu sei A.M. imstande, dem eine Schlüsselposition zukomme, weil andernfalls (das heißt im Falle seiner Nichteinstellung) inländische Arbeitsplätze verlorengingen. Dies wäre insbesondere durch die Einvernahme des zuständigen Beamten im Internat L. zu klären gewesen. Die Beschwerdeführerin machte ferner geltend, das vom Sozialminister verordnete Kontingent für die Steiermark (gemeint ist damit - wie sich aus der Bezugnahme auf die Zahl 13.500 ergibt - die Landeshöchstzahl) sei nicht ausgeschöpft; Staats- und staatsnahe Betriebe würden erteilte Beschäftigungsbewilligungen nicht ausnützen und horten, um sie im Bedarfsfall zu verwenden. Trotz mehrmaliger Nachfrage bei den zuständigen Arbeitsämtern habe sie keine Auskunft erhalten bzw. sei ihr nicht bescheinigt worden, daß das Kontingent (die Landeshöchstzahl) "derzeit ausgelastet" sei. Da ihr auch nicht die Auswahlkriterien für die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung innerhalb der "Kontingente" bekannt gegeben worden seien, habe sie davon auszugehen, daß immer die gleichen Arbeitgeber bevorzugt werden würden, die schon bisher ausländische Arbeitskräfte eingestellt hätten. Abschließend betonte sie erneut, es handle sich bei dem zu besetzenden Arbeitsplatz um eine Schlüsselkraftposition zur Erhaltung von Arbeitsplätzen inländischer Arbeitnehmer, die für die wirtschaftliche Situation ihres Unternehmens von großer Bedeutung sei.

In ihrer "Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme" vom 30. Juni 1992 teilte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin im wesentlichen mit, ihr 1986 gegründeter Betrieb könne nicht als neu gegründeter Betrieb angesehen werden. Es erübrige sich daher die Beantwortung der Frage, ob ein neu gegründeter Betrieb in einem strukturell gefährdeten Gebiet, der die beantragte ausländische Arbeitskraft in einem strukturell nicht gefährdeten Betrieb in G. einsetzen wolle, überhaupt unter § 4 Abs. 6 Z. 2 lit. b AuslBG falle. Die Ausführungen der Beschwerdeführerin zu § 4 Abs. 1 AuslBG seien für sich allein gesehen richtig, doch sei diese Bestimmung nur eine Voraussetzung nach § 4 Abs. 6 AuslBG, müßten doch neben den Voraussetzungen nach § 4 Abs. 1 und 3 auch die nach § 4 Abs. 6 AuslBG vorliegen, wenn die Landeshöchstzahl überzogen sei, was derzeit der Fall sei ("... dzt. 19.600, somit mit 6.100 Ausländern überzogen"). Ein dringender Bedarf allein rechtfertige noch nicht eine weitere Belastung der Landeshöchstzahl. Dies sei auch das Kriterium für die Erteilung von Beschäftigungsbewilligungen im allgemeinen für die Erstzulassung von neuen Arbeitskräften auf dem Arbeitsmarkt. Im übrigen seien der Beschwerdeführerin 1992 vom Arbeitsamt zwei Arbeitskräfte vermittelt worden. Ein öffentliches bzw. gesamtwirtschaftliches Interesse gemäß § 4 Abs. 6 Z. 3 AuslBG sei nicht erkennbar, vielmehr könnten nur Firmeninteressen festgestellt werden.

In ihrer Stellungnahme vom 6. Juli 1992 erwiderte die Beschwerdeführerin, der zu vergebende Arbeitsplatz sei eine Schlüsselkraft zur Erhaltung inländischer Arbeitskräfte und regte eine Anfrage bei der Internatsschule L. an. Sie bestritt nach wie vor, die 1992 mit 13.500 festgesetzte Landeshöchstzahl sei derzeit zur Gänze ausgenutzt. Es möge durchaus zutreffen, daß 19.600 Beschäftigungsbewilligungen erteilt worden seien, doch würden diese von bestimmten Betrieben nicht ausgenutzt bzw. erfolgten keine Meldungen nach § 26 AuslBG. Bei Beachtung der Landeshöchstzahl sei aber nicht darauf abzustellen, wieviele Beschäftigungsbewilligungen erteilt worden seien, sondern wieviele ausländische Arbeitskräfte als beschäftigt gemeldet worden seien. Es sei auch nicht nachvollziehbar, wer (bei Überschreitung der Landeshöchstzahl) in den Genuß von Beschäftigungsbewilligungen komme.

Nach der Aktenlage wurde über ein mit Herrn M (Wirtschaftsleiter des Internates L.) am 14. Juli 1992 geführtes Telefonat ein Aktenvermerk angelegt. Sein Inhalt wurde jedoch in diesem Verfahren (anders als im Parallelverfahren, das unter Zl. 93/12/0192 protokolliert ist) der Beschwerdeführerin nicht zur Kenntnis gebracht.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 15. Juli 1992 wies die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführerin gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 4 Abs. 6 AuslBG als unbegründet ab. Nach Darlegung der Rechtslage führte sie im wesentlichen aus, die Landeshöchstzahl, die für die Steiermark

13.500 betrage (Hinweis auf BGBl. Nr. 598/1991) sei bei weitem überschritten. Sie sei zum Zeitpunkt der Entscheidung durch das Arbeitsamt Graz mit 19.195 und derzeit mit 20.207 belastet, daher mit 6.707 Ausländern überzogen, sodaß das strengere Verfahren nach § 4 Abs. 6 AuslBG anzuwenden sei. Es liege keine der in § 4 Abs. 6 AuslBG normierten zusätzlichen Voraussetzungen (für die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung im erschwerten Verfahren) vor. Eine Schlüsselkraft im Sinne des § 4 Abs. 6 Z. 2 lit. a AuslBG sei entweder eine Führungs- oder Fachkraft. A.M. verfüge über keinerlei Fachqualifikationen; eine solche sei bei der zu verrichtenden Arbeit in der Internatsschule L. auch nicht erforderlich. Wie der Wirtschaftsleiter der Internatsschule L. der belangten Behörde gegenüber erklärt habe, betrage die täglich zu leistende Arbeitszeit des Unternehmens der Beschwerdeführerin 16 Stunden. Ob dieser Umfang von zwei Arbeitskräften je acht Stunden oder von vier Arbeitskräften zu jeweils vier Stunden verrichtet werde, sei laut Vertragsvereinbarung unerheblich. Wie die Beschwerdeführerin in ihrer Berufung selbst ausgeführt habe, habe sie derzeit bei der Internatsschule vier Arbeitskräfte eingesetzt. A.M. sollte dort zusätzlich eingesetzt werden. Dies würde bei einer gleichmäßigen Verteilung der Arbeitsstunden bedeuten, daß A.M. täglich drei Stunden und 15 Minuten beschäftigt werde oder bei einer ganztätigen Beschäftigung von A.M., daß sich die Anteile der inländischen Arbeitskräfte auf die Hälfte reduzieren würden. Daß die Beschäftigung von A.M. damit zur Sicherung von vier inländischen Arbeitskräften diene, könne nicht anerkannt werden. Ebenso sei nicht glaubhaft gemacht worden, daß A.M. eine Schlüsselkraft sei. Ein öffentliches bzw. gesamtwirtschaftliches Interesse an der Beschäftigung A.M. liege nicht vor, vielmehr stünden ausschließlich Firmeninteressen im Vordergrund. Der Umstand, daß der vorliegende Arbeitsplatz bloß mit einer fallweisen Teilzeit (laut Vermittlungsauftrag vom 18. Dezember 1991) verbunden sei, führe dazu, daß ein öffentliches Interesse gar nicht bestehe. Es widerspreche dem öffentlichen bzw. dem gesamtwirtschaftlichen Interesse nämlich, wenn Arbeitskräfte, auch Ausländer, durch Teilzeitarbeit nicht in der Lage seien, ein dem Bedürfnis in Österreich entsprechendes Einkommen zu erzielen.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der jedoch deren Behandlung ablehnte (Beschluß vom 22. März 1993, B 1046/92, B 1381/92) und sie antragsgemäß an den Verwaltungsgerichtshof abtrat. In der über Aufforderung ergänzten Beschwerde macht die Beschwerdeführerin Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde sowie Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin bringt zunächst vor, die belangte Behörde sei zur Erlassung des angefochtenen (Berufungs)Bescheides unzuständig gewesen. Nach Überschreitung der Landeshöchstzahl habe nämlich über Anträge auf Sicherungsbescheinigung und auf Beschäftigungsbewilligungen (nach § 20 Abs. 1 letzter Satz AuslBG) das zuständige Landesarbeitsamt als Behörde erster Instanz zu entscheiden.

Dieses Vorbringen trifft nicht zu. Die Beschwerdeführerin geht nämlich von der Rechtslage gemäß dem AuslBG in der Fassung gemäß BGBl. Nr. 450/1990 aus und übersieht, daß gerade die hier relevante Bestimmung des § 20 AuslBG durch die Novelle BGBl. Nr. 684/1991, in einer für den Beschwerdefall bereits anzuwendenden Weise geändert worden ist.

Gemäß Art. I Z. 5 und 7 der genannten Novelle entfielen sowohl der letzte Satz in § 20 Abs. 1 AuslBG als auch der § 20 Abs. 4 AuslBG (siehe dazu auch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 13. März 1992, Zlen. G 23-34/92 u. a. und dessen Kundmachung im BGBl. Nr. 283/1992). Diese Änderung trat gemäß Art. II Abs. 1 der Novelle BGBl. Nr. 684/1991 mit 1. Jänner 1992 in Kraft, wobei der Beschwerdefall auch nicht unter die Übergangsbestimmung des Art. II Abs. 2 fällt.

Gemäß der in dieser Weise bereinigten Rechtslage war somit im Beschwerdefall gemäß § 20 Abs. 1 AuslBG in der Fassung BGBl. Nr. 684/1991, das Arbeitsamt in erster und gemäß § 20 Abs. 3 AuslBG das Landesarbeitsamt in zweiter und letzter Instanz zur Entscheidung zuständig (vgl. dazu auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. März 1993, Zl. 93/09/0058).

Die Beschwerdeführerin bringt weiters vor, die belangte Behörde habe zu ihrem Vorbringen nach § 4 Abs. 1 AuslBG kein Ermittlungsverfahren durchgeführt und sei darauf gar nicht eingegangen, sodaß sie zu einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung gelangt sei. Sie wirft der belangten Behörde aber auch vor, es sei ihr nicht nachgewiesen worden, daß die durch Verordnung des Bundesministers für Arbeit und Soziales für das Kalenderjahr 1992 angeordnete Landeshöchstzahl für das Bundesland Steiermark überschritten worden sei und tatsächlich mehr als 13.500 ausländische Beschäftigte in der Steiermark tätig gewesen seien.

Dem ist zu § 4 Abs. 1 AuslBG folgendes zu erwidern:

In dieser Beziehung geht das Vorbringen der Beschwerdeführerin schon deshalb ins Leere, weil die belangte Behörde die Versagung der beantragten Beschäftigungsbewilligung nicht auf das Nichtvorliegen einer der beiden in dieser Bestimmung genannten Voraussetzungen (Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes; Entgegenstehen wichtiger öffentlicher oder gesamtwirtschaftlicher Interessen) gestützt, sondern die Versagung ausschließlich mit § 4 Abs. 6 AuslBG begründet hat.

Diese Bestimmung (Z. 1 in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 684/1991, die übrigen Bestimmungen in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 450/1990) lautet:

"Über bestehende Kontingente (§ 12) hinaus sowie nach Überschreitung der Landeshöchstzahlen (§§ 13 und 13a) dürfen Beschäftigungsbewilligungen nur erteilt werden, wenn die Voraussetzungen der Abs. 1 und 3 vorliegen und

1.

bei Kontingentüberziehung und bei Überschreitung der Landeshöchstzahl der Vermittlungsausschuß gemäß § 44a des Arbeitsmarktförderungsgesetzes, BGBl. Nr. 31/1969, in der jeweils geltenden Fassung, einhellig die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung befürwortet, oder

2.

die Beschäftigung des Ausländers aus besonders wichtigen Gründen, insbesondere

a)

als Schlüsselkraft zur Erhaltung von Arbeitsplätzen inländischer Arbeitnehmer, oder

b)

in Betrieben, die in strukturell gefährdeten Gebieten neu gegründet wurden, oder

c)

als dringender Ersatz für die Besetzung eines durch Ausscheiden eines Ausländers frei gewordenen Arbeitsplatzes, oder

d)

im Bereich der Gesundheits- oder Wohlfahrtspflege erfolgen soll, oder

3.

öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen die Beschäftigung des Ausländers erfordern, oder

4.

die Voraussetzungen des § 18 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 4 gegeben sind."

Gemäß § 13a AuslBG kann der Bundesminister für Arbeit und Soziales u.a. zur Sicherung der Bundeshöchstzahl gemäß § 12a das für die einzelnen Bundesländer unter Bedachtnahme auf die örtliche Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes bestimmte Höchstausmaß beschäftigter und arbeitsloser Ausländer durch Verordnung bis spätestens 30. November für das nächstfolgende Jahr festsetzen (Landeshöchstzahlen). Der Bundesminister für Arbeit und Soziales hat mit Verordnung BGBl. Nr. 598/1991 die Landeshöchstzahl für das im Beschwerdefall maßgebende Jahr 1992 für die Steiermark mit 13.500 festgesetzt.

Die Anwendung des nach § 4 Abs. 6 AuslBG erschwerten Verfahrens für die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung setzt voraus, daß entweder eine Kontingentüberschreitung oder eine Überschreitung der Landeshöchstzahl vorliegt und daß es an einer einhelligen Befürwortung des Antrags durch den Vermittlungsausschuß fehlt.

Daß der Vermittlungsausschuß den vorliegenden Antrag "nicht befürwortet" hat, wurde bereits im Bescheid des Arbeitsamtes festgestellt; dieser Umstand ist von der Beschwerdeführerin nie in Zweifel gezogen worden.

Anders verhält es sich mit der von der belangten Behörde angenommenen Überschreitung der (infolge Erlassung des angefochtenen Bescheides in diesem Jahr maßgebenden) Landeshöchstzahl für 1992. Eine einschlägige Feststellung hat der erstinstanzliche Bescheid nicht enthalten, was die Beschwerdeführerin mit Recht in ihrer Berufung gerügt hat. Dem diesbezüglichen Vorhalt der belangten Behörde, der sich lediglich in der Nennung der Zahlen zu bestimmten Zeitpunkten erschöpfte, ist die Beschwerdeführerin in ihrer Stellungnahme vom 6. Juli 1992 gegenübergetreten, in der sie Zweifel am Zustandekommen dieser Zahlen geäußert hat, die im Ergebnis daraus hinauslaufen, offenzulegen, wie die Überschreitung der Landeshöchstzahl tatsächlich ermittelt wurde (vgl. insbesondere das Vorbringen, es komme nicht auf die Anzahl der erteilten Beschäftigungsbewilligungen, sondern auf die tatsächlich beschäftigten Ausländer an).

Gemäß § 37 AVG ist Zweck des Ermittlungsverfahrens, den für die Erledigung einer Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt festzustellen und den Parteien Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Rechte und rechtlichen Interessen zu geben.

Tatsachen, die bei der Behörde offenkundig sind, und solche, für deren Vorhandensein das Gesetz eine Vermutung aufstellt, bedürfen gemäß § 45 Abs. 1 AVG keines Beweises. Im übrigen hat die Behörde nach § 45 Abs. 2 AVG unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Gemäß § 45 Abs. 3 AVG ist den Parteien Gelegenheit zu geben, vom Ergebnis der Beweisaufnahme Kenntnis und dazu Stellung zu nehmen.

Als Beweismittel kommt gemäß § 46 AVG alles in Betracht, was zur Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes geeignet und nach Lage des einzelnen Falles zweckdienlich ist.

Die Feststellung der Überschreitung der mit Verordnung des Bundesministers für Arbeit und Soziales festgesetzten Landeshöchstzahl ist eine Sachverhaltsfeststellung und nicht etwa eine dem Parteiengehör nicht zu unterziehende rechtliche Beurteilung (siehe die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 1. Juli 1993, Zl. 93/09/0059, vom 1. Juli 1993, Zl. 93/09/0096, und vom 8. September 1993, Zl. 93/09/0245).

Die Überschreitung der Landeshöchstzahl ist weder offenkundig noch besteht für ihr Vorhandensein eine gesetzliche Vermutung. Sie ist daher von der Behörde in einem ordnungsgemäßen Verfahren nach den Grundsätzen der oben wiedergegebenen §§ 37, 45 Abs. 2 und 3 sowie 46 AVG zu ermitteln und festzustellen (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. November 1993, Zl. 93/09/0356).

Dem wird jedoch die oben genannte Vorgangsweise der belangten Behörde nicht gerecht. Trotz eines darauf abzielenden Vorbringens der Beschwerdeführerin hat sie es unterlassen, nach der Stellungnahme der Beschwerdeführerin vom 6. Juli 1992 in einem weiteren Ermittlungsverfahren darauf einzugehen und offenzulegen, wie es zu der von ihr genannten Zahl (Überschreitung der Landeshöchstzahl) gekommen ist. Sie ist auch im angefochtenen Bescheid darauf nicht eingegangen.

Die Feststellung der Überschreitung der Landeshöchstzahl ist daher im Beschwerdefall in einem im Sinn der obigen Ausführung mangelhaften Verfahren getroffen worden. Sollten die Bedenken der Beschwerdeführerin zutreffen und sollte demnach die Feststellung der der Landeshöchstzahl gegenüberzustellenden Zahl beschäftigter und arbeitsloser Ausländer (§ 13a AuslBG) nicht auf ausreichend sicheren tatsächlichen Anhaltspunkten beruhen, dann stünde dies einer Feststellung der Überschreitung der Landeshöchstzahl und damit auch einer darauf gestützten Abweisung des Antrages auf Beschäftigungsbewilligung gemäß § 4 Abs. 6 AuslBG entgegen.

Die Beschwerde zeigt daher in dieser Beziehung relevante Verfahrensmängel auf, bei deren Vermeidung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Der angefochtene Bescheid war deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Mangels eines Kostenantrages in der Beschwerdeergänzung - der Verweis auf die Ausführungen der Verfassungsgerichtshof-Beschwerde bezieht sich auf die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt - war ein Kostenersatz nicht zuzusprechen (vgl. dazu den Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Mai 1990, Zl. 89/01/0403).

Schlagworte

Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Parteiengehör Verletzung des Parteiengehörs Verfahrensmangel

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1993090193.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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