TE Vwgh Erkenntnis 1994/2/23 93/01/0586

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Veröffentlicht am 23.02.1994
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1968 §1;
AsylG 1991 §1 Z1;
AsylG 1991 §25 Abs1;
AVG §66 Abs4;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
VwGG §34 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Kremla, Dr. Händschke und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde der G in L, vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 30. März 1993, Zl. 4.337.513/3-III/13/92, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 505,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 30. März 1993 wurde ausgesprochen, daß Österreich der Beschwerdeführerin - einer Staatsangehörigen "der jugoslawischen Föderation", die am 5. Mai 1992 in das Bundesgebiet eingereist ist und am 14. Mai 1992 den Asylantrag gestellt hat - kein Asyl gewähre.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Die belangte Behörde ist in der Begründung des angefochtenen - die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 3. Juni 1992 erledigenden - Bescheides davon ausgegangen, daß von ihr bereits das Asylgesetz 1991 anzuwenden sei, dies im Hinblick auf die Bestimmung des § 25 Abs. 2 erster Satz dieses Gesetzes, weil das gegenständliche Asylverfahren "am bzw. nach dem 1. Juni 1992 beim Bundesministerium für Inneres anhängig war". Dieser Auffassung vermag sich der Verwaltungsgerichtshof auf Grund der durch ihn bereits erfolgten Auslegung der genannten Bestimmung sowie der des § 25 Abs. 1 erster Satz Asylgesetz 1991 nicht anzuschließen (vgl. das Erkenntnis vom 31. März 1993, Zl. 92/01/0831, auf welches des näheren gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird). Die Beschwerdeführerin wurde jedoch dadurch nicht in ihren Rechten verletzt, obwohl die belangte Behörde demnach zu Unrecht auch von dem ihrer Meinung nach vorliegenden Ausschließungsgrund des § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 (Verfolgungssicherheit in einem anderen Staat, nämlich in Ungarn) Gebrauch gemacht hat und die Beschwerde damit in diesem Punkt im Ergebnis berechtigt ist. Die aufgezeigte Rechtswidrigkeit käme aber deshalb, weil der Flüchtlingsbegriff des § 1 Asylgesetz, BGBl. Nr. 126/1968, in Verbindung mit Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention durch den (von der belangten Behörde angewendeten) § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 inhaltlich keine Änderung erfahren hat, dann nicht zum Tragen, wenn die belangte Behörde die Frage der Flüchtlingseigenschaft der Beschwerdeführerin richtig beurteilt hätte (vgl. unter anderem das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. Juni 1993, Zl. 92/01/1007).

Dazu ist vorweg zu bemerken, daß die von der Beschwerdeführerin - sowohl bei ihrer niederschriftlichen Vernehmung am 18. Mai 1992 als auch in der Berufung - angeführten Probleme, die sich ergeben hätten, nachdem sie mit ihren Kindern nach Kauf einer Wohnung durch ihren Gatten in Sarajevo Mitte April 1992 den Kosovo, wo sie bis dahin gelebt habe, verlassen habe und zu ihm dorthin gezogen sei, ihre Flüchtlingseigenschaft nicht zu begründen vermögen. Abgesehen davon, daß sich die Beschwerdeführerin ab diesem Zeitpunkt in Bosnien-Herzegowina, einem seit 3. März 1992 unabhängigen (und als solcher von Österreich am 7. April 1992 anerkannten) Staat, befunden hat, weshalb sich die Frage stellen würde, ob eine allfällige Verfolgung ihrem Heimatland zuzurechnen gewesen wäre, handelte es sich ausschließlich darum, daß die Beschwerdeführerin durch die in Sarajevo stattfindenden, weiter anhaltenden kriegerischen Auseinandersetzungen, in deren Zuge sie zufolge der Zerstörung des betreffenden Hauses am 26. April 1992 auch ihre Wohnung wieder verloren hat, in Mitleidenschaft gezogen worden ist. Darin sind jedenfalls - wie die belangte Behörde richtig erkannt hat - keine gegen die Beschwerdeführerin selbst gerichteten Verfolgungshandlungen, sondern vielmehr Aktivitäten, die von der dort lebenden Bevölkerung erduldet werden müssen, zu erblicken (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Dezember 1989, Zlen. 89/01/0283 bis 0286, und vom 26. Jänner 1994, Zl. 93/01/0291), zumal jeglicher Hinweis darauf fehlt, daß sie mit der Zugehörigkeit der Beschwerdeführerin zur albanischen Volksgruppe oder auch zur Religionsgemeinschaft der Moslems in Zusammenhang gestanden sind.

Weiters läßt sich eine gegen die Beschwerdeführerin gerichtete Verfolgung aus einem der maßgebenden Gründe weder daraus, daß - im Sinne ihrer erstinstanzlichen Angaben - seit Anfang des Jahres 1992 immer wieder, zuletzt sogar nachts, Soldaten der Bundesarmee zu ihr nach Hause gekommen seien und ihren (schon viele Jahre in Sarajevo lebenden) Gatten hätten abholen wollen (wobei sie jedoch seinen Aufenthaltsort nicht verraten habe), noch daraus, daß - im Sinne des Berufungsvorbringens - eine Rückkehr in ihre Heimat nicht möglich sei, weil ihr Gatte sofort zum Militär einrücken und gegen seine Landsleute kämpfen müßte und ihn die serbischen Behörden bereits gesucht hätten, ableiten. Ob auf Grund dieser Umstände dem Gatten der Beschwerdeführerin die Flüchtlingseigenschaft zukäme, ist lediglich Gegenstand des ihn betreffenden, beim Verwaltungsgerichtshof (zur Zl. 93/01/0618) anhängigen Beschwerdeverfahrens, weshalb auf die diesbezüglichen Ausführungen in der Begründung des angefochtenen Bescheides und in der Beschwerde nicht einzugehen ist, die Beschwerdeführerin aber auf die Möglichkeit einer Antragstellung nach § 4 Asylgesetz 1991 (im Falle des Erfolges jener Beschwerde) verwiesen wird. Wenn die Beschwerdeführerin ins Treffen führt, daß "selbst für den Fall, daß das Militär zu Recht den Gatten der Beschwerdeführerin suchen und verfolgen würde, das Militär nicht direkt gegen die Beschwerdeführerin vorgehen darf, und die jugoslawische Föderation bzw. Restjugoslawien die Beschwerdeführerin vor diesen ungerechtfertigten Repressalien schützen müßte", so ist ihr entgegenzuhalten, daß die Anwendung derartiger "Repressalien", die gegen sie gerichtete Verfolgungsmaßnahmen dargestellt und überdies eine entsprechende Intensität erreicht hätten, von ihr nie behauptet worden sind. Ihre Verfahrensrüge, sie sei nicht befragt worden, "ob auf Grund des Nichtantrittes des Militärdienstes durch den Gatten der Beschwerdeführerin Repressalien gegen die Beschwerdeführerin erfolgt sind", ist verfehlt, weil die belangte Behörde mangels jeglichen Hinweises in dieser Richtung zu keinen weiteren Ermittlungen auf Grund der §§ 37, 39 Abs. 2 AVG verpflichtet war, wozu noch kommt, daß nicht einmal in der Beschwerde konkret aufgezeigt wird, was sie vorgebracht hätte, wenn sie dazu befragt worden wäre.

Der (in der Berufung geltend gemachte) Umstand, daß die Beschwerdeführerin keine Chance gehabt habe, im Kosovo Arbeit zu finden, da die serbischen Behörden die Serben bevorzugen würden, kann schon deshalb nicht zur Anerkennung der Beschwerdeführerin als Flüchtling führen, weil auf Grund der Aktenlage kein Anhaltspunkt dafür besteht, daß damit eine massive Bedrohung ihrer Lebensgrundlage verbunden gewesen sei. Daß - wie die Beschwerdeführerin gleichfalls in der Berufung vorgebracht hat - ihre Kinder "eine schöne Kindheit ohne Krieg haben sollten" und "es ab Herbst keinen Schulunterricht mehr in albanischer Sprache gibt", sondern "alle serbokroatisch lernen müssen", betrifft - ungeachtet der Frage, ob darin eine asylrechtlich relevante Verfolgung gelegen wäre - nicht die Beschwerdeführerin selbst.

Die belangte Behörde hat zwar die (in der Berufung aufgestellte) Behauptung der Beschwerdeführerin, als sie noch in ihrer Heimat gewesen sei, sei ihr Haus von den serbischen Behörden nach Waffen durchsucht und die Einrichtung zerstört worden, (nach dem anfangs Gesagten) zu Unrecht als eine nach § 20 Abs. 1 Asylgesetz 1991 unzulässige Neuerung gewertet. Sie hat allerdings "darüber hinaus" damit argumentiert, daß die Beschwerdeführerin "keine daraus für sie resultierenden asylrelevanten negativen Konsequenzen dargetan" habe. Diesbezüglich wirft die Beschwerde der belangten Behörde nur vor, daß aus der Niederschrift über die Vernehmung der Beschwerdeführerin "nicht einmal hervorgeht, ob physische Gewalt gegen die Einschreiterin angewendet worden ist oder nicht", und "die Asylbehörde es nicht für notwendig erachtet hat, dies zu fragen". Auch hier gilt, wie überhaupt - entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin - ganz allgemein, daß es dem Asylwerber obliegt, alles Zweckdienliche für die Erlangung der von ihm angestrebten Rechtsstellung vorzubringen, und eine allfällige weitere Ermittlungspflicht der Behörde voraussetzt, daß sein Vorbringen einen hinreichend deutlichen Hinweis auf einen Sachverhalt enthält, der für die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolung aus einem der hiefür maßgeblichen Gründe in Betracht kommt (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 4. November 1992, Zl. 92/01/0514, mit weiteren Judikaturhinweisen). Selbst wenn (auf Grund der allgemein bekannten politischen Situation im Kosovo) eine gedankliche Verbindung zwischen diesem Vorfall und der Zugehörigkeit der Beschwerdeführerin zur albanischen Volksgruppe in ihrem Heimatland hergestellt werden könnte, fehlten entsprechende Behauptungen (auch in der Beschwerde), aus denen Rückschlüsse darauf gezogen werden könnten, daß dadurch aus objektiver Sicht ein weiterer Verbleib in ihrem Heimatland für die Beschwerdeführerin unerträglich gewesen wäre, sie weitere derartige Vorfälle zu erwarten gehabt hätte und sie in zeitlichem Konnex dazu aus diesem Grunde ihr Heimatland verlassen habe.

Da sich somit die Beschwerde als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Beachtung einer Änderung der Rechtslage sowie neuer Tatsachen und Beweise Rechtliche Wertung fehlerhafter Berufungsentscheidungen Rechtsverletzung durch solche Entscheidungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1993010586.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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