TE Vwgh Erkenntnis 1994/2/23 93/09/0466

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Veröffentlicht am 23.02.1994
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
60/04 Arbeitsrecht allgemein;
62 Arbeitsmarktverwaltung;

Norm

AuslBG §28 Abs1 Z1 lita idF 1990/450;
AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §46;
AVG §66 Abs4;
VStG §24;
VStG §44a Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Fürnsinn und Dr. Höß als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Mag. Fritz, über die Beschwerde des S in W, vertreten durch Dr. Z, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 14. Oktober 1993, Zl. UVS-07/19/00419/93, betreffend Bestrafung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (weitere Partei: Bundesminister für Arbeit und Soziales), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.600,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer war unbestritten zur Tatzeit handelsrechtlicher Geschäftsführer der Firma X-Gesellschaft m.b.H. (in der Folge kurz: Ges.m.b.H.). Anläßlich einer Kontrolle durch das Landesarbeitsamt Wien am 10. Februar 1993 wurde in seinen Betriebsräumen u.a. die türkische Staatsbürgerin R.B. angetroffen. Auf Grund der gegen ihn erstatteten Anzeige, er habe R.B. ohne die nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) erforderliche Beschäftigungsbewilligung beschäftigt, wurde der Beschwerdeführer mit Schreiben der erstinstanzlichen Behörde vom 11. März 1993 zur Rechtfertigung aufgefordert. Diese Aufforderung wurde dem Beschwerdeführer am 16. März 1993 durch Hinterlegung zugestellt, er hat darauf nicht reagiert.

    Mit Bescheid vom 8. April 1993 wurde der Beschwerdeführer

hierauf vom Magistrat der Stadt Wien schuldig gesprochen, er

sei

"... als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit zur

Vertretung nach außen berufenes Organ der ... Ges.m.b.H. ...

dafür verantwortlich, daß diese Gesellschaft als Arbeitgeber am 10.2.93 die türkische Staatsbürgerin R.B. mit Zusammennähen und Bügeln von Frühjahrsmänteln beschäftigt hat, obwohl für diese weder eine Beschäftigungsbewilligung für diese Beschäftigung erteilt, noch eine Arbeitserlaubnis oder ein Befreiungsschein für diese Beschäftigung ausgestellt wurde."

Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a iVm § 3 Abs. 1 AuslBG begangen und werde hiefür mit einer Geldstrafe von S 10.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 10 Tage) belegt und zum Kostenersatz verhalten. Begründend führte die Behörde erster Instanz aus, das strafbare Verhalten des Beschwerdeführers sei durch ein Organ der Magistratsdirektion auf Grund eigener dienstlicher Wahrnehmung zur Anzeige gebracht worden; der Beschwerdeführer habe trotz gebotener Gelegenheit keine Stellungnahme zum gegen ihn erhobenen Vowurf erstattet. Die Tat sei daher als erwiesen zu erachten. Des weiteren wurde die Strafbemessung näher begründet.

In seiner gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung machte der Beschwerdeführer geltend, R.B. habe am 10. Februar 1993 nur ihren bei der Ges.m.b.H. tätigen Ehemann besucht und sei selbst nie Dienstnehmerin der Ges.m.b.H. gewesen.

Zu diesem Berufungsvorbringen gab das Landesarbeitsamt die Äußerung ab, der Beschwerdeführer habe anläßlich der Kontrolle eine Beschäftigung der R.B. als Schneiderin eingestanden.

Am 27. August 1993 gab M vom Landesarbeitsamt Wien vor der belangten Behörde als Zeugin an, R.B. habe am 10. Februar 1993 an einer Nähmaschine gearbeitet, außerdem habe der Beschwerdeführer in ihrer Gegenwart "einer weiteren Person, welche an der Kontrolle beteiligt war", gesagt, daß R.B. seit einem Jahr hier beschäftigt sei. Auch R.B. wurde als Zeugin vernommen und gab an, einen im Akt liegenden Erhebungsbogen geschrieben zu haben. Für eine weitere Aussage verlangte R.B. die Beiziehung eines Dolmetsch.

Am 9. September 1993 kam es vor der belangten Behörde zur Einvernahme der Zeugen OM, MB, MS, SC, OT und GE, die übereinstimmend die Berufungsbehauptung bestätigten, R.B. habe nicht bei der Ges.m.b.H. gearbeitet, sondern dort nur regelmäßig ihren Mann besucht.

Nach einer neuerlichen Vertagung der Berufungsverhandlung kam es am 12. Oktober 1993 zur neuerlichen Zeugeneinvernahme der R.B., die erklärte, den Beschwerdeführer nicht zu kennen; sie habe nie bei der Ges.m.b.H. gearbeitet, sie habe aber ihren Ehemann dort regelmäßig vor dem Abholen ihres Kindes aus dem Kindergarten besucht und ihm das Essen gebracht. Nach einer ergänzenden Einvernahme der Zeugin M, aus der nur hervorgeht, daß ihr Kind denselben Kindergarten besucht wie das der R.B., wurde das Beweisverfahren geschlossen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 14. Oktober 1993 gab die belangte Behörde der Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG mit der Maßgabe keine Folge, daß im Spruch an die Stelle der Worte "mit Zusammennähen und Bügeln" die Wendung "mit der Herstellung oder Bearbeitung" zu treten habe und die Anführung der verletzten Norm durch Hinzufügung des § 9 VStG zu ergänzen sei.

In der Begründung des angefochtenen Bescheides führte die belangte Behörde im wesentlichen aus, dem Beschwerdeführer sei es nicht gelungen, iS des § 5 Abs. 1 VStG glaubhaft zu machen, daß ihn an der Verletzung der Vorschriften des AuslBG kein Verschulden treffe. Die belangte Behörde habe der Aussage der Zeugin M folgen "müssen", die inhaltlich klar und widerspruchsfrei sowie unter Wahrheitspflicht erfolgt sei. Als qualifiziertes Organ der Arbeitsmarktverwaltung könne ihr zugebilligt werden, derartige Wahrnehmungen zu treffen und hierüber zutreffend Bericht zu erstatten. Auch habe die Aktenlage keinen Hinweis darauf ergeben, daß die Zeugin den Beschwerdeführer durch eine unrichtige Aussage wahrheitswidrig habe belasten wollen. Die Angaben der vom Beschwerdeführer geführten Zeugen hätten daran keinen Zweifel ausgelöst, weil sie "in wesentlichen Dingen widersprüchlich ergingen und inhaltlich keineswegs ein geschlossenes Bild abgaben". So sei R.B. niemals in Begleitung ihres Kindes im Betrieb gesehen worden, auch der von ihr dargestellte Tagesablauf habe in den Angaben der anderen (männlichen) Zeugen keine zweifelsfreie Deckung gefunden. Es widerspreche auch den Erfahrungen des täglichen Lebens, daß die Betriebsleitung ihre länger dauernde Anwesenheit in der Betriebsstätte und ihre mit den dort Beschäftigten geführte Konversation geduldet hätte. Der Beschwerdeführer selbst habe ausreichend Zeit und Gelegenheit gehabt, das Ergebnis der Beweisaufnahme zur Kenntnis zu nehmen. Im übrigen begründete die belangte Behörde noch die Strafbemessung näher.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Der Beschwerdeführer sei durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht darauf verletzt worden, nicht nach dem AuslBG bestraft zu werden, wenn das Tatbild der zur Last gelegten Verwaltungsübertretung nicht gegeben sei.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a AuslBG idF gemäß der Novelle BGBl. Nr. 450/1990 (diese Fassung ist im Beschwerdefall wegen des Tatzeitpunktes anzuwenden) begeht, soferne die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde zu bestrafen, wer entgegen dem § 3 einen Ausländer beschäftigt, für den weder eine Beschäftigungsbewilligung (§ 4) erteilt noch eine Arbeitserlaubnis (§ 14a) oder ein Befreiungsschein (§ 15) ausgestellt wurde, ...

bei unberechtigter Beschäftigung von höchstens drei Ausländern für jeden unberechtigt beschäftigten Ausländer mit Geldstrafe von 5.000 S bis zu 60.000 S, im Falle der erstmaligen und weiteren Wiederholung von 10.000 S bis zu 120.000 S, bei unberechtigter Beschäftigung von mehr als drei Ausländern für jeden unberechtigt beschäftigten Ausländer mit Geldstrafe von 10.000 S bis zu 120.000 S, im Falle der erstmaligen und weiteren Wiederholung von 20.000 S bis zu 240.000 S.

Gemäß § 3 Abs. 1 AuslBG darf ein Arbeitgeber, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, einen Ausländer nur beschäftigen, wenn ihm für diesen eine Beschäftigungsbewilligung erteilt wurde oder wenn der Ausländer eine für diese Beschäftigung gültige Arbeitserlaubnis oder einen Befreiungsschein besitzt.

Der Verwaltungsgerichtshof kann nicht finden, daß die dem Beschwerdeführer im angefochtenen Bescheid vorgehaltene Tat deswegen verjährt wäre, weil die belangte Behörde noch eine Umformulierung des Spruches vorgenommen hat, und weil die Tatzeit nicht mit der genauen Uhrzeit umschrieben worden ist. Die Neuformulierung des Spruches betrifft nur die für die Herstellung des gesetzlichen Tatbestandes unwesentliche Frage, mit welcher genauen Tätigkeit die ausländische Arbeitskraft befaßt war; die Feststellung der Tatzeit mit dem Kalendertag "10.2.93" wiederum schützt den Beschwerdeführer ausreichend davor, wegen einer Beschäftigung der R.B. an diesem Tage allenfalls neuerlich verwaltungsstrafrechtlich zur Verantwortung gezogen zu werden.

Das Hauptgewicht der Beschwerde liegt allerdings in der Bekämpfung des von der belangten Behörde dem Schuldspruch zugrunde gelegten Sachverhaltes. Nun beruhen die von der belangten Behörde getroffenen Feststellungen wohl auf der von ihr vorzunehmenden freien Beweiswürdigung, doch bedeutet der Grundsatz der freien Beweiswürdigung nicht, daß der in der Begründung des verwaltungsbehördlichen Bescheides niederzulegende Denkvorgang der Kontrolle des Verwaltungsgerichtshofes überhaupt nicht unterliegt. Zwar hat der Verwaltungsgerichtshof im Falle einer Bescheidbeschwerde nur eine nachprüfende Tätigkeit auszuüben und keinesfalls eine Sachentscheidung zu treffen; er kann aber die Beweiswürdigung jedenfalls insoweit überprüfen, als es sich um die Feststellung handelt, ob der Sachverhalt genügend erhoben wurde und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind (vgl. dazu die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, S. 548 f, angeführte Judikatur).

Diese Prüfung ergibt im Beschwerdefall, daß die von der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungen nicht ausgereicht haben, die von ihr (amtswegig) zu ermittelnde Wahrheit einwandfrei festzustellen. Es stehen nämlich, soweit sich die belangte Behörde mit dem Akteninhalt auseinandergesetzt hat, der einen belastenden Aussage der Zeugin M insgesamt nicht weniger als sieben ebenfalls unter Wahrheitspflicht und Strafdrohung abgelegte gegenteilige Aussagen gegenüber. Dabei können mögliche Widersprüche in der Frage des Tagesablaufes und in der im Beschwerdefall gänzlich unerheblichen Frage, ob R.B. die Betriebsstätte der Ges.m.b.H. jemals in Begleitung ihres Kindes betreten hat, noch nicht zur Widerlegung der im allein entscheidenden Punkt übereinstimmend gemachten Aussagen, R.B. habe nie bei der Ges.m.b.H. gearbeitet, ausreichen. Irrtümer sind bei in- wie ausländischen Zeugen gleichermaßen nicht auszuschließen.

Eine nähere Prüfung, welche der beiden einander widersprechenden Darstellungen über die Tätigkeit der R.B. bei der Ges.m.b.H. zutrifft, durfte deshalb nicht unterbleiben, weil die belangte Behörde von dem ihr zur Verfügung gestandenen Beweismaterial nur teilweise Gebrauch gemacht hat, ohne dafür im Rahmen ihrer Beweiswürdigung Gründe anzuführen. So erscheint es insbesondere unerklärlich, daß die belangte Behörde von einer Einvernahme des in der Berufungsverhandlung am 12. Oktober 1993 persönlich anwesend gewesenen Beschwerdeführers selbst Abstand genommen hat, obwohl dieser in erster Linie eine Erkenntnisquelle für die entscheidende Frage darstellt, ob R.B. nun bei der Ges.m.b.H. tätig gewesen ist oder nicht. Dem Beschwerdeführer wären bei einer solchen Einvernahme seine (im Akt nur in Fotokopie erliegende) Aussage vom 10. Februar 1993 sowie der R.B. betreffende "Erhebungsbogen" vom selben Tag vorzuhalten, zumal diese beiden Urkunden wiederum gewichtige Indizien für die von der belangten Behörde getroffene Feststellung darstellen. Ferner ist der belangten Behörde vorzuwerfen, daß sie es unterlassen hat, R.B. als Zeugin unter Zuziehung des Dolmetsch näher über das Zustandekommen eben dieses Erhebungsbogens zu befragen.

Der Beschwerdeführer zeigt daher im Ergebnis mit Recht auf, daß die belangte Behörde zu den entscheidenden Sachverhaltsfeststellungen in einem mangelhaften Verfahren gekommen ist. Da nicht auszuschließen ist, daß die belangte Behörde bei Vermeidung dieser Mängel zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid somit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. Bei diesem Verfahrensergebnis konnte von der vom Beschwerdeführer beantragten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof gemäß § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG abgesehen werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG iVm Art. I A Z. 1 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Besondere Rechtsprobleme Verwaltungsstrafrecht Beweismittel Zeugenbeweis Grundsatz der Gleichwertigkeit Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Beweismittel Zeugenbeweis Spruch der Berufungsbehörde Änderungen des Spruches der ersten Instanz

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1993090466.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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