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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AuslBG §4 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Fürnsinn und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Mag. Fritz, über die Beschwerde des G in Ö, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Landesarbeitsamtes Steiermark vom 23. Februar 1993, Zl. IIIe 6702 B ABB-967 209 Le/Dr, betreffend Nichterteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, der einen Gasthof betreibt, beantragte mit Schreiben vom 7. Jänner 1993 die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) für die slowakische Staatsangehörge Z.M. für die berufliche Tätigkeit als Kellnerin (spezielle Kenntnisse: "Servieren").
Diesen Antrag wies das Arbeitsamt mit Bescheid vom 15. Jänner 1993 gemäß § 4 Abs. 6 AuslBG ab. Der Vermittlungsausschuß habe die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung nicht befürwortet; darüber hinaus habe "das Ermittlungsverfahren" ergeben, daß keine der im § 4 Abs. 6 Z. 2 bis 4 AuslBG vorgesehenen Voraussetzungen vorliege.
In seiner gegen diesen Bescheid erhobenen (als "Einspruch" bezeichneten) Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, es sei schwierig, qualifizierte österreichische Dienstnehmer für das Gastgewerbe zu bekommen; er sei daher gezwungen gewesen, sich um eine qualifizierte ausländische Kellnerin zu bemühen. Er benötige aus betrieblichen Gründen die beantragte Ausländerin. Außerdem lägen Gründe für die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung im Sinne des § 4 Abs. 2 Punkt b und Abs. 2 Punkt c (gemeint wohl: § 4 Abs. 6 Z. 2 lit. b und lit. c) vor. Z.M. werde als dringender Ersatz für eine (Anfang Dezember) ausgeschiedene ausländische Dienstnehmerin benötigt.
In ihrer "Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme" vom 11. Februar 1993 teilte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer mit, die Landeshöchstzahl für das Jahr 1993 sei für die Steiermark mit Verordnung, BGBl. Nr. 738/1992, mit
13.800 beschäftigten Ausländern festgesetzt; im Beschwerdefall sei unbestritten, daß die Landeshöchstzahl überschritten sei. Ein (vom Beschwerdeführer in seiner Berufung angeführter) dringender Bedarf stelle keinen Tatbestand gemäß § 4 Abs. 6 AuslBG dar, weil kein Dienstgeber ohne einen solchen Bedarf - allein schon aus Kostengründen - Arbeitskräfte einstellen würde. Es sei keineswegs ersichtlich, daß der Betrieb des Beschwerdeführers neu gegründet worden sei; die Übernahme durch einen neuen Dienstgeber sei möglich, doch sei dies rechtsunerheblich. Als dringender Ersatz für eine ausgeschiedene ausländische Arbeitskraft könne Z. M. ebenfalls nicht angesehen werden, weil der Beschwerdeführer einerseits für keinen seiner Betriebe einen Vermittlungsauftrag dem Arbeitsamt erteilt habe und andererseits der Beschwerdeführer die ausgeschiedene Arbeitskraft selbst gekündigt habe und diese jetzt im Bezug von Arbeitslosengeld stehe. Es sei daher nicht vertretbar, die bereits weit überzogene Landeshöchstzahl noch weiter zu überschreiten.
In seiner Stellungnahme vom 18. Februar 1993 wies der Beschwerdeführer darauf hin, daß nicht er, sondern die ausgeschiedene Ausländerin das Dienstverhältnis gekündigt habe; erst über telefonisches Ersuchen eines Mitarbeiters des Arbeitsamtes habe er die Arbeitsbestätigung neu ausgefüllt und auf einvernehmliche Lösung des Dienstverhältnisses abgeändert. Der Betriebsort sei eine Ortschaft mit ca. 1.500 Einwohnern, in dem es zwei Gasthöfe und ein Cafe gebe. Da die Infrastruktur hier nicht so sei wie jene z.B. in Sch., sei es fast unmöglich, einen inländischen Dienstnehmer zu bekommen.
Mit dem nunmehr bei dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 23. Februar 1993 (die Zustellung an den Beschwerdeführer erfolgte am 24. Februar 1993) gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 4 Abs. 6 AuslBG keine Folge.
In der Begründung führte die belangte Behörde aus, im Rahmen der Entscheidung über die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung sei nicht nur eine Prüfung der Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes zum Zeitpunkt der Erteilung der Beschäftigungsbewilligung, sondern eine solche auch unter Bedachtnahme auf die Entwicklung des Arbeitsmarktes erforderlich, sodaß der Entscheidung auch Erwägungen für einen überschaubaren zukünftigen Zeitraum zugrundegelegt werden müßten. Dabei sei nicht der bei einem Arbeitgeber auftretende individuelle Arbeitskräftebedarf allein maßgeblich. Der Bundesminister für Arbeit und Soziales habe mit "Kundmachung" vom 13. November 1992 gemäß § 13 a Z. 3 AuslBG, BGBl. Nr. 738, für jedes Bundesland für das Jahr 1993 eine Landeshöchstzahl für die Beschäftigung von Ausländern zur Sicherung der Bundeshöchstzahl gemäß § 12 a AuslBG festgesetzt. Diese Höchstzahl betrage für das Bundesland Steiermark 13.800 und sei bei weitem überschritten. Die Voraussetzungen nach § 4 Abs. 6 für die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung seien im Beschwerdefall nicht gegeben, weil solche wichtige Gründe, die eine Beschäftigung der ausländischen Arbeitskraft trotz Überschreitung der Landeshöchstzahl rechtfertigen könnten oder öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen, die die Beschäftigung von Ausländern erforderten, "nach ständiger Rechtsprechung" nicht vorlägen. Überdies habe schon der im Verfahren der ersten Instanz anzuhörende - paritätisch aus Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern zusammengesetzte - Unterausschuß des Vermittlungsausschusses aus arbeitsmarktpolitischen und volkswirtschaftlichen Erwägungen keine einhellige Zustimmung zur Ausstellung der Beschäftigungsbewilligung erteilt. Zum Berufungsvorbringen des Beschwerdeführers werde nochmals mitgeteilt, daß es arbeitsmarktpolitisch nicht vertretbar sei, neu eingereisten Ausländern eine Beschäftigungsbewilligung zu erteilen, wenn die Voraussetzungen des § 4 Abs. 6 AuslBG nicht erfüllt seien. Wie bereits "im Ermittlungsverfahren festgehalten", habe der Beschwerdeführer keinen der angeführten wichtigen Gründe geltend machen können bzw. hätten solche wichtigen Gründe auch nach ha. Überprüfung nicht festgestellt werden können. Bei der gegebenen Sach- und Rechtslage seien die Einwände des Beschwerdeführers in der Berufung nicht geeignet gewesen, eine andere Entscheidung herbeizuführen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Erteilung der beantragten Beschäftigungsbewilligung für Z.M. verletzt.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Die belangte Behörde hat den angefochtenen Bescheid ausschließlich auf § 4 Abs. 6 AuslBG gestützt.
Diese Bestimmung (Z. 1 idF der Novelle BGBl. Nr. 684/1991, die übrigen Bestimmungen idF der Novelle BGBl. Nr. 450/1990) lautet:
"Über bestehende Kontingente (§ 12) hinaus sowie nach Überschreitung der Landeshöchstzahlen (§§ 13 und 13a) dürfen Beschäftigungsbewilligungen nur erteilt werden, wenn die Voraussetzungen der Abs. 1 und 3 vorliegen und
1.
bei Kontingentüberziehung und bei Überschreitung der Landeshöchstzahl der Vermittlungsausschuß gemäß § 44a des Arbeitsmarktförderungsgesetztes, BGBl. Nr. 31/1969, in der jeweils geltenden Fassung, einhellig die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung befürwortet, oder
2.
die Beschäftigung des Ausländers aus besonders wichtigen Gründen, insbesondere
a)
als Schlüsselkraft zur Erhaltung von Arbeitsplätzen inländischer Arbeitnehmer, oder
b)
in Betrieben, die in strukturell gefährdeten Gebieten neu gegründet wurden, oder
c)
als dringender Ersatz für die Besetzung eines durch Ausscheiden eines Ausländers frei gewordenen Arbeitsplatzes, oder
d)
im Bereich der Gesundheits- oder Wohlfahrtspflege erfolgen soll, oder
3.
öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen die Beschäftigung des Ausländers erfordern, oder
4.
die Voraussetzungen des § 18 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 4 gegeben sind."
Gemäß § 13a AuslBG kann der Bundesminister für Arbeit und Soziales u.a. zur Sicherung der Bundeshöchstzahl gemäß § 12a das für die einzelnen Bundesländer unter Bedachtnahme auf die örtliche Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes bestimmte Höchstausmaß beschäftigter und arbeitsloser Ausländer durch Verordnung bis spätestens 30. November für das nächstfolgende Jahr festsetzen (Landeshöchstzahlen). Der Bundesminister für Arbeit und Soziales hat mit der Verordnung BGBl. Nr. 738/1992 die Landeshöchstzahl für das im Beschwerdefall maßgebende Jahr 1993 für die Steiermark mit 13.800 festgesetzt.
Die belangte Behörde hat dem Bescheid zugrunde gelegt, daß die Landeshöchstzahl für 1993 überschritten ist und somit die Voraussetzungen für die Anwendung des erschwerten Verfahrens nach § 4 Abs. 6 AuslBG vorliegen. Der Beschwerdeführer hat dagegen nichts vorgebracht und auch nicht bestritten, daß der Vermittlungsausschuß seinen Antrag nicht einhellig befürwortet hat.
Der Beschwerdeführer hat aber bereits in seiner Berufung das Vorliegen von besonders wichtigen Gründen i.S. des § 4 Abs. 6 AuslBG (so etwa Z. 2 lit. c, dringender Ersatz) behauptet. Er ist daher seiner Pflicht, Gründe vorzubringen, die für die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung im erschwerten Verfahren im Sinne des § 4 Abs. 6 AuslBG maßgebend sein könnten, nachgekommen.
Damit bestand jedoch die Verpflichtung der belangten Behörde, sich mit allen vorgebrachten Gründen auseinanderzusetzen (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 6. September 1993, 93/09/0139 und die dort zitierte Vorjudikatur). Die belangte Behörde hat sich jedoch mit keinem der in der Berufung vorgebrachten Gründe näher auseinandergesetzt, sondern sich mit der formelhaften Feststellung begnügt, wonach wichtige Gründe i.S.d. § 4 Abs. 6 AuslBG, die eine Beschäftigung der ausländischen Arbeitskraft trotz Überschreitung der Landeshöchstzahl rechtfertigen könnten, oder öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen, welche die Beschäftigung von Ausländern erforderten, im Beschwerdefall "nach ständiger Rechtsprechung" nicht vorlägen.
Bereits das Vorliegen einer der im § 4 Abs. 6 Z. 1 bis 4 AuslBG alternativ geregelten Voraussetzungen genügt, um die erschwerten Bedingungen im Landeshöchstzahlüberschreitungsverfahren zu erfüllen. Da aber jedenfalls das zu § 4 Abs. 6 Z. 2 lit. c (Ersatzkraft) erstattete Vorbringen geeignet ist, im Falle seines Zutreffens (was bisher ungeprüft blieb), diese Voraussetzung zu erfüllen (vgl. zu diesem Tatbestand die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. Oktober 1991, 91/09/0085, und vom 22. April 1993, 92/09/0387), kann im Beschwerdefall nicht davon ausgegangen werden, die Versagung der Beschäftigungsbewilligung hätte sich auf § 4 Abs. 6 AuslBG stützen können. Da die belangte Behörde insoweit die Rechtslage verkannt hat, war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Für das fortgesetzte Verfahren wird bemerkt, daß die Auffassung (so die belangte Behörde in ihrem Schreiben an den Beschwerdeführer vom 11. Februar 1993), wonach ein durch Kündigung eines Ausländers durch den Arbeitgeber freigewordener Arbeitsplatz nicht die Anwendbarkeit des § 4 Abs. 6 Z. 2 lit c AuslBG begründen könne, im Gesetzeswortlaut keine Deckung findet (vgl. dazu näher das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. November 1993, 93/09/0362). Ferner ist darauf hinzuweisen, daß es nicht etwa zusätzlich zum Antrag auf Beschäftigungsbewilligung eines "Vermittlungsauftrages" an das Arbeitsamt bedarf, weil das Ziel der Arbeitsvermittlung von Amts wegen durch das Arbeitsamt anzustreben ist (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. Oktober 1993, 93/09/0355).
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG iVm Art. I A Z. 1 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991. Das Mehrbegehren war zu abzweisen, weil die Vorlage der Beschwerdeschrift nur in dreifacher Ausfertigung erforderlich war.
Schlagworte
Stempelgebühren Kommissionsgebühren Barauslagen des Verwaltungsgerichtshofes Nicht erforderliche NICHTERFORDERLICHE Schriftsatzausfertigungen und BeilagenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1993090120.X00Im RIS seit
20.11.2000Zuletzt aktualisiert am
26.01.2011