TE Vwgh Erkenntnis 1994/3/2 93/03/0314

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Veröffentlicht am 02.03.1994
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §63 Abs3;
AVG §71 Abs1 lita;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 93/03/0315

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Baumgartner und die Hofräte DDr. Jakusch und Dr. Zorn als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Eigelsberger, über die Beschwerden des T in U, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in I, gegen die Bescheide des unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol je vom 2. November 1993, Zl. 16/118-5/1993, betreffend

1. Zurückweisung einer Berufung und 2. Verweigerung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund und dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von je S 2.782,50 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Reutte vom 21. Mai 1993 wurden über den Beschwerdeführer wegen einer Verwaltungsübertretung nach "§ 99 Abs. 3 lit. a StVO 1960 i. V.m. § 1b der Verordnung der Tiroler Landesregierung, LGBl. 8/90 i.d.F. LGBl. 20/92", und einer Verwaltungsübertretung nach § 82 Abs. 4 KFG 1967 Geldstrafen (Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt. Dieses Straferkenntnis wurde an der Anschrift des Beschwerdeführers durch das Postamt Ulm 1 durch Niederlegung bei diesem Postamt zugestellt und die Sendung am 7. Juni 1993 mit dem Vermerk "zurück - nicht abgefordert" an die Erstbehörde zurückgestellt. Am 14. Juni 1993 erging an den Beschwerdeführer die "Mahnung" wegen Bezahlung der über ihn verhängten Geldstrafen. Daraufhin richtete der Beschwerdeführer an die Erstbehörde ein Schreiben mit folgendem Inhalt:

"Antrag auf Wiedereinsetzung

Sehr geehrte Frau M,

aufgrund Ihrer Mahnung vom 14.6.93 erfuhr ich von einem vermeintlich rechtskräftigen Straferkenntnis, welches mir nach Ihrer Aussage zugestellt worden sei. Darüber war mir bisher nichts bekannt und ist für mich auch nicht nachvollziehbar. Ich hatte von einer Zustellung eines Straferkenntnisses bisher keine Kenntnis erlangt.

Die Situation ließe sich für mich allenfalls dadurch erklären, daß durch meine beruflich bedingte fast ständige Abwesenheit (Zweitwohnsitz in Stuttgart) und durch den Umstand, daß auf meinen Briefkasten in Ulm mehrere Personen Zugriff haben und eine davon im fraglichen Zeitraum ausgezogen ist, das Schriftstück verlustig gegangen ist.

Ich bin der Ansicht, daß dieser Lebenssachverhalt nicht in der Form nachteilige Konsequenzen für mich haben darf, und begehre durch diese Wiedereinsetzung die Möglichkeit zur Kenntnisnahme und Überprüfung des Sachverhalts.

Bitte senden Sie mir das vermeintliche Straferkenntnis zu, damit ich gegebenenfalls die erforderlichen Schritte einleiten kann. Ich werde meine Mitbewohner entsprechend informieren, damit eine Zustellung gewährleistet ist.

Rein vorsorglich lege ich gegen das vermeintlich rechtskräftig zugestellte Straferkenntnis das statthafte Rechtsmittel ein."

Mit Bescheid vom 27. Juli 1993 wies die Bezirkshauptmannschaft Reutte den Antrag des Beschwerdeführers vom 29. Juni 1993 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist für die Einbringung einer Berufung gegen das Straferkenntnis vom 21. Mai 1993 gemäß § 71 Abs. 1 lit. a und Abs. 4 AVG ab.

Mit dem einen der beiden angefochtenen Bescheide vom 2. November 1993 wies der unabhängige Verwaltungssenat in Tirol die Berufung des Beschwerdeführers gegen das erstbehördliche Straferkenntnis vom 21. Mai 1993 gemäß § 66 Abs. 4 AVG i.V.m. §§ 24, 51, 51c und 51e VStG als verspätet zurück. Mit dem anderen Bescheid vom 2. November 1993 wies der unabhängige Verwaltungssenat in Tirol die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Reutte vom 27. Juli 1993 gemäß § 66 Abs. 4 AVG i.V.m. § 71 Abs. 1 lit. a AVG und § 24 VStG als unbegründet ab.

Gegen den erstgenannten Bescheid richtet sich die zur hg. Zl. 93/03/0314 und gegen den zweitgenannten Bescheid die zur hg. Zl. 93/03/0315 protokollierte Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete Gegenschriften mit dem Antrag, die Beschwerden kostenpflichtig abzuweisen. Der Verwaltungsgerichtshof hat die beiden Beschwerden wegen ihres sachlichen und persönlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Beschlußfassung verbunden und darüber erwogen:

Nach der zufolge § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwendenden Bestimmung des § 63 Abs. 3 AVG hat die Berufung den Bescheid zu bezeichnen, gegen den sie sich richtet, und einen begründeten Berufungsantrag zu enthalten.

Zwar sind die Anforderungen an eine Berufung hinsichtlich des Inhaltserfordernisses eines begründeten Berufungsantrages nicht formalistisch auszulegen, jedoch muß die Berufung jedenfalls als Mindesterfordernis erkennen lassen, was die Partei anstrebt und womit sie ihren Standpunkt vertreten zu können glaubt (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 20. Jänner 1981, Slg. N.F. Nr. 10.343/A).

Diesen Anforderungen kommt der Inhalt des eingangs wörtlich wiedergegebenen Schriftsatzes des Beschwerdeführers vom 29. Juni 1993 mangels jeglicher Bezugnahme auf den Inhalt des damit bekämpften erstbehördlichen Straferkenntnisses nicht nach. Es wäre daher, hätte die belangte Behörde die Berufung nicht als verspätet zurückgewiesen, die Berufung - sofern sie nicht schon deshalb unzulässig war, weil das erstbehördliche Straferkenntnis mangels wirksamer Zustellung noch gar nicht erlassen war - aus diesem Grund zurückgewiesen werden müssen. Es kann daher dahingestellt sein, ob die Annahme der belangten Behörde, diese Berufung sei verspätet erhoben worden, zutrifft, weil wegen der zumindest schon in der Bestimmung des § 63 Abs. 3 AVG begründeten Unzulässigkeit der Berufung somit durch diesen angefochtenen Bescheid Rechte des Beschwerdeführers jedenfalls nicht verletzt wurden.

Aus dem gleichen Grund wurden auch durch die Entscheidung der belangten Behörde, dem Beschwerdeführer die Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Berufungsfrist nicht zu gewähren, Rechte des Beschwerdeführers nicht verletzt.

Da, wie sich aus Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG ergibt, nur die Verletzung eines subjektiven öffentlichen Rechtes des Beschwerdeführers durch den angefochtenen Bescheid zu dessen Aufhebung durch den Verwaltungsgerichtshof führt, erweisen sich schon aus den dargelegten Gründen die Beschwerden als nicht begründet. Sie waren daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen, ohne daß auf das Beschwerdevorbringen einzugehen war.

Bei dieser verfahrensrechtlichen Situation sieht sich der Verwaltungsgerichtshof zu der Bemerkung veranlaßt, daß es dem Beschuldigten grundsätzlich zusteht, bis zum Ablauf der durch eine wirksame Zustellung in Gang gesetzten Berufungsfrist eine den Inhaltsanforderungen des § 63 Abs. 3 AVG entsprechende Berufung zu erheben. Auch wird die Behörde zunächst jedenfalls über den vom Beschwerdeführer gestellten Antrag auf Zustellung des erstbehördlichen Straferkenntnisses zu entscheiden haben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1993030314.X00

Im RIS seit

03.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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