TE Vwgh Erkenntnis 1994/3/3 94/18/0017

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Veröffentlicht am 03.03.1994
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Index

19/05 Menschenrechte;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1993 §19;
FrG 1993 §20 Abs1 Z1;
FrG 1993 §20 Abs1;
MRK Art8 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer, Dr. Graf und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des M in W, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 14. Juli 1993, Zl. SD 129/93, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 14. Juli 1993 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen jugoslawischen Staatsangehörigen, gemäß § 18 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 und 2 des Fremdengesetzes-FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen.

Der Beschwerdeführer sei im Jahr 1990 "ohne Reisepaß, illegal und unter Umgehung der Grenzkontrolle" in Österreich eingereist. Er habe zuletzt eine Aufenthaltsberechtigung bis Ende 1991 erhalten. Seit Jänner 1992 halte er sich unrechtmäßig im Bundesgebiet auf und sei deswegen zweimal rechtskräftig bestraft worden. Nach rechtskräftiger Verurteilung wegen vorsätzlicher Körperverletzung (§ 83 Abs. 1 StGB) im Jahr 1991 sei der Beschwerdeführer mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 25. März 1993 wegen schwerer Sachbeschädigung (§ 126 Abs. 1 Z. 5 StGB), Sachbeschädigung (§ 125 StGB), tätlichen Angriffes auf Beamte (§ 270 Abs. 1 StGB) und vorsätzlicher Körperverletzung (§ 83 Abs. 1 StGB) im Zustand voller Berauschung (§ 287 StGB) zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von vier Monaten, unter bedingter Strafnachsicht, rechtskräftig verurteilt worden. Der Beschwerdeführer sei somit mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen rechtskräftig verurteilt worden. Aufgrund dieses Sachverhaltes seien die Voraussetzungen des § 18 Abs. 2 Z. 1 und 2 FrG gegeben; auch die im § 18 Abs. 1 umschriebene Annahme sei gerechtfertigt.

Zur Zulässigkeit des Aufenthaltsverbotes führte die belangte Behörde aus, daß der Beschwerdeführer ledig sei, zwei seiner Geschwister in Wien, hingegen alle übrigen Angehörigen (die Eltern und weiteren Geschwister) in seiner Heimat lebten. Der Beschwerdeführer sei im Bundesgebiet eine Lebensgemeinschaft mit einer österreichischen Staatsbürgerin eingegangen; diese erwarte von ihm ein Kind. Soweit man überhaupt von einem relevanten Eingriff in das Privat- bzw. Familienleben des Beschwerdeführers sprechen könne, sei die Erlassung des Aufenthaltsverbotes zur Verhinderung strafbarer Handlungen sowie zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer (Art. 8 Abs. 2 MRK) dringend geboten. Die Dauer des (rechtmäßigen) Aufenthaltes des Beschwerdeführers in Österreich sowie das Ausmaß der Integration und die Intensität der Bindungen ließen die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf seine Lebenssituation nicht als schwerer wiegend erscheinen als die nachteiligen Folgen einer Abstandnahme von dieser Maßnahme. Darauf, daß der Beschwerdeführer in Österreich einer Beschäftigung nachgehe, habe ebenso wenig Bedacht genommen werden können, wie auf die Situation in seinem Heimatland.

2. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der diese nach Ablehnung von deren Behandlung dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat (Beschluß vom 30. November 1993, B 1479/93).

Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren macht der Beschwerdeführer inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und begehrt, den angefochtenen Bescheid aus diesen Gründen aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Die Beschwerde wirft der belangten Behörde eine rechtswidrige Anwendung des § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG vor. Der Beschwerdeführer habe nämlich zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung "lediglich eine einzige rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilung über (sich) ergehen lassen müssen", wobei auch diese Verurteilung das Ausmaß von vier Monaten bedingter Freiheitsstrafe nicht überschritten habe.

1.2. Dieses Vorbringen steht mit dem Inhalt der (dem Verwaltungsgerichtshof vom Verfassungsgerichtshof direkt übermittelten) Verwaltungsakten nicht in Einklang. Nach Ausweis der Akten ging der rechtskräftigen Verurteilung des Beschwerdeführers wegen (u.a.) § 83 Abs. 1 StGB aus dem Jahr 1993 eine rechtskräftige Verurteilung gleichfalls wegen Körperverletzung im Jahr 1991 (Urteil des Bezirksgerichtes Donaustadt vom 26. November 1991) voraus. Damit sah die belangte Behörde den Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 1 dritter Fall FrG zutreffend als verwirklicht an. Daß durch die - im übrigen unbestritten gebliebene - zweimalige rechtskräftige Bestrafung des Beschwerdeführers wegen unrechtmäßigen Aufenthaltes in Österreich darüber hinaus der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 2 FrG erfüllt sei, wird in der Beschwerde - zu Recht - nicht bekämpft.

1.3. Aufgrund des Vorliegens einer "bestimmten Tatsache" i.S. des § 18 Abs. 1 FrG (in zweifacher Hinsicht) durfte die belangte Behörde, ohne rechtswidrig zu handeln, zu dem Ergebnis gelangen, daß der (weitere) Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstelle.

2.1. § 19 FrG hält die Beschwerde dadurch für verletzt, daß das Aufenthaltsverbot einerseits empfindlich in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers eingreife (Lebensgemeinschaft mit einer österreichischen Staatsangehörigen, die von ihm ein Kind erwarte; Aufenthalt seines Bruders in Österreich), andererseits nicht dringend geboten sei.

2.2. Die belangte Behörde hielt die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes über den Beschwerdeführer - gleichgültig, ob damit ein Eingriff in sein Privat- oder Familienleben verbunden sei oder nicht - jedenfalls für dringend geboten. Damit machte sie von § 19 FrG in rechtsrichtiger Weise Gebrauch, denn wie stark immer eine (allfällige) Beeinträchtigung des Privat- und/oder Familienlebens durch ein Aufenthaltsverbot sein mag - diese Maßnahme ist zulässig, wenn sie zum Schutz von im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten öffentlichen Interessen erforderlich ist. Dagegen aber, daß die belangte Behörde unter den Gesichtspunkten der Verhinderung strafbarer Handlungen und des Schutzes der Rechte Dritter das Aufenthaltsverbot als notwendig ansah, bestehen keine Bedenken; dazu kommt noch, daß auch das Ziel des Schutzes der - durch den seit Jänner 1992 unbefugten Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich beeinträchtigten - öffentlichen Ordnung (konkret: eines geordneten Fremdenwesens) für das Dringend-geboten-sein und damit die Zulässigkeit des Aufenthaltsverbotes im Grunde des § 19 FrG spricht.

3.1. Nach Meinung des Beschwerdeführers verstößt die Verhängung des Aufenthaltsverbotes über ihn auch gegen § 20 Abs. 1 FrG. Es sei evident, daß die Auswirkungen dieser Maßnahme auf seine und seiner Familie Lebenssituation ungleich schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihr. Was die Dauer des Aufenthaltes des Beschwerdeführers in Österreich anlange, so habe die belangte Behörde durch das Abstellen lediglich auf den rechtmäßigen Aufenthalt den Sinn des Gesetzes gänzlich verfehlt. Es sei in jedem Fall "lächerlich", annehmen zu wollen, daß die Unterlassung der Verhängung eines Aufenthaltsverbotes mehr Schaden anrichten könne als die Erlassung desselben, wenn man die daraus resultierenden "katastrophalen" Auswirkungen auf die Lebensgefährtin und vor allem das Kind des Beschwerdeführers betrachte.

3.2. Daß bei der Abwägung der für und gegen die Zulässigkeit eines Aufenthaltsverbotes im Grunde des § 20 Abs. 1 FrG sprechenden Interessen zugunsten des betreffenden Fremden auf die Dauer bloß des rechtmäßigen (und nicht auch des unrechtmäßigen) Aufenthaltes im Bundesgebiet Bedacht zu nehmen ist, entspricht der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa die zu § 3 Abs. 3 Z. 1 FrPolG ergangenen, aufgrund der unverändert gebliebenen Rechtlage nach § 20 Abs. 1 Z. 1 FrG auch hier zum Tragen kommenden Erkenntnisse vom 4. September 1992, Zl. 92/18/0316, und vom 3. Dezember 1992, Zl. 92/18/0466). Abgesehen davon wäre auch der insgesamt ca. zweieinhalbjährige Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich keineswegs ausreichend, um diesem Kriterium des § 20 Abs. 1 Z. 1 FrG großes Gewicht beimessen zu können. Was die Beeinträchtigung der Lebenssituation der Familie des Beschwerdeführers anlangt, so konnte die belangte Behörde nach der Aktenlage im Zeitpunkt ihrer Entscheidung nicht von einem "bereits geborenen Kind" des Beschwerdeführers ausgehen, sprach doch der Beschwerdeführer selbst noch in seiner Berufung davon, daß seine Lebensgefährtin "derzeit ein von mir gezeugtes Kind (erwartet)", und weist auch in der Beschwerde darauf hin, daß der belangten Behörde die "Tatsache der Schwangerschaft meiner Lebensgefährtin" habe bekannt sein müssen. Der mithin zugunsten des Beschwerdeführers zu berücksichtigen gewesene Umstand einer ca. zweijährigen Lebensgemeinschaft, der Schwangerschaft seiner Lebensgefährtin sowie sein kurzer rechtmäßiger Aufenthalt in Österreich wiegen entgegen der Auffassung der Beschwerde keineswegs schwerer als die (oben aufgezeigten) erheblichen öffentlichen Interessen an der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes. Somit erweist sich diese Maßnahme auch aus dem Blickwinkel des § 20 Abs. 1 FrG als zulässig.

4. Da nach dem Gesagten die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt - was bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt -, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1994180017.X00

Im RIS seit

20.11.2000

Zuletzt aktualisiert am

27.10.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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