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19/05 Menschenrechte;Norm
FrG 1993 §18 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer, Dr. Graf und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des Y in S, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in F, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg vom 11. Juni 1993, Zl. Frb-4250/93, betreffend Aufenthaltsverbot, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg (der belangten Behörde) wurde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 18 Abs. 1 und 2 Z. 1 in Verbindung mit § 21 Abs. 1 FrG ein unbefristetes Aufenthaltsverbot für das Bundesgebiet erlassen. Nach der Begründung sei der Beschwerdeführer mit Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 30. Juni 1992 wegen des Verbrechens der Körperverletzung mit tödlichem Ausgang nach den §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 2 Z. 1, 86 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren verurteilt worden. Dieser Verurteilung liege zugrunde, daß der Beschwerdeführer am 20. Februar 1992 in H K durch Führung eines wuchtigen Stiches mit einem Jausenmesser mit 8,7 cm langer Klinge in die Herzgegend, also mit einem solchen Mittel und auf solche Weise, womit in der Regel Lebensgefahr verbunden ist, vorsätzlich am Körper verletzt, wobei die Tat den Tod des Geschädigten zur Folge hatte. Aufgrund dieser rechtskräftigen Verurteilung sei die Annahme gerechtfertigt, daß gemäß § 18 Abs. 1 FrG durch den Aufenthalt des Beschwerdeführers die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährdet sei. Durch die Setzung dieser Tat sei zweifellos auch ein Eingriff der Behörde in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers gemäß Art. 8 MRK zulässig. Bei der Abwägung der Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie mit den nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes sei auf folgendes Bedacht zu nehmen:
Der Beschwerdeführer sei im August 1989 nach Österreich eingereist und arbeite seit dem 3. September 1990 bei einer namentlich genannten Firma in H als Hilfsarbeiter. Die Eltern und die Ehegattin des Beschwerdeführers lebten nach wie vor in der Türkei. Lediglich drei seiner acht Geschwister lebten in Vorarlberg, wobei zwei Brüder schon zwanzig Jahre hier beschäftigt seien. Auch wenn er zu diesen drei Brüdern ein sehr enges Verhältnis habe, müßte jedoch davon ausgegangen werden, daß der Mittelpunkt seines familiären Lebens in der Türkei sei, da dort seine Ehegattin und seine Eltern lebten. Daß gerade die Beziehung des Beschwerdeführers zu seiner Ehegattin sehr intensiv sei, gehe daraus hervor, daß er geplant habe, diese nach Österreich zu holen. Die Dauer des Aufenthaltes des Beschwerdeführers von seiner Einreise bis zu seiner Verhaftung aufgrund der genannten Straftat erreiche zweieinhalb Jahre. In Anbetracht dieser Tatsachen sei nicht davon auszugehen, daß die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von seiner Erlassung. Da es sich beim gegebenen Sachverhalt um einen Fall des § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG handle, habe ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen werden können.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:
In der Beschwerde wird die von der belangten Behörde als maßgeblicher Sachverhalt angenommene rechtskräftige Verurteilung des Beschwerdeführers nicht in Abrede gestellt; ebensowenig wird die rechtliche Beurteilung, daß durch diese Verurteilung der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG verwirklicht worden sei, bekämpft. Auch der Verwaltungsgerichtshof hegt weder gegen diese maßgebliche Sachverhaltsfeststellung noch gegen diese Subsumtion rechtliche Bedenken.
Der Beschwerdeführer vertritt die Auffassung, daß er trotz seiner Verurteilung zu einer dreijährigen Freiheitsstrafe keine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit darstelle. Die belangte Behörde habe lediglich auf die äußerlichen "Fakten" abgestellt und habe seine innere Einstellung völlig außer Betracht gelassen. Er habe die Tat lediglich aufgrund der langandauernden Provokation des Getöteten und laut nervenfachärztlichem Sachverständigengutachten im Zustand einer einmaligen Situation, in welcher sein Dispositionsvermögen höhergradig eingeschränkt gewesen sei, begangen. Daß er die Tat zutiefst bereue und keinerlei Gefahr eines neuerlichen Verstoßes gegen die österreichische Rechtsordnung bestehe, gehe nicht nur aus dem im Strafverfahren erstatteten nervenfachärztlichen Sachverständigengutachten hervor, sondern dürfte mittlerweile auch der Anstaltsleitung des Landesgefangenenhauses Feldkirch - Außenstelle Dornbirn - deutlich geworden sein, habe diese doch sein Gnadengesuch an den Bundespräsidenten unterstützt, wenn dieses auch abgelehnt worden sei.
Ausgehend von der festgestellten bestimmten Tatsache im Sinne des § 18 Abs. 1 FrG ist die Annahme der belangten Behörde, daß der (weitere) Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährde, nicht rechtswidrig. Aufgrund der rechtskräftigen gerichtlichen Verurteilung des Beschwerdeführers zu einer Freiheitsstrafe, die das für das Vorliegen einer bestimmten Tatsache im Sinne des § 18 Abs. 1 FrG erforderliche Ausmaß um ein Vielfaches überschreitet, ist die in dieser Gesetzesstelle umschriebene Annahme gerechtfertigt. Dies sowohl im Grunde der Z. 1 (Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit) als auch im Grunde der Z. 2 (Verhinderung strafbarer Handlungen). Die Schwere dieses strafbaren Verhaltens rechtfertigt auch unter Berücksichtigung der vom Beschwerdeführer angeführten Umstände nicht nur die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme, sondern läßt das Aufenthaltsverbot auch im Grunde des § 19 FrG zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele dringend geboten erscheinen. Die massiven öffentlichen Interessen an der Erlassung des Aufenthaltsverbotes erfahren weder dadurch, daß der Beschwerdeführer diese Tat zutiefst bereue, noch dadurch, daß die Anstaltsleitung des Landesgefangenenhauses Feldkirch sein Gnadengesuch unterstützt habe, eine wesentliche Abschwächung. Allein daraus können noch keine verläßlichen Schlüsse auf eine Änderung der Wesensart des Beschwerdeführers gezogen werden. Andererseits ist der seit der Begehung der Straftat verstrichene Zeitraum dafür viel zu kurz und wurde diese Zeit darüberhinaus in Strafhaft zugebracht.
Die Annahme der belangten Behörde, daß der mit dem Aufenthaltsverbot verbundene Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers - er hielt sich bis zu seiner Verhaftung zweieinhalb Jahre im Inland auf - im Grunde des § 19 FrG zur Erreichung der im Art. 8 MRK genannten Ziele dringend geboten sei, ist demnach unbedenklich.
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die gemäß § 20 Abs. 1 FrG vorgenommene Interessenabwägung. Hiezu führt er aus, daß der Mittelpunkt seines familiären Lebens seit vier Jahren zweifelsohne Vorarlberg und seine Bindung zu seinen drei Brüdern wesentlich stärker als zu den übrigen Familienmitgliedern in der Türkei sei.
Der Beschwerdeführer ist im Hinblick auf die nach § 20 Abs. 1 FrG wesentlichen Kriterien der Dauer des Aufenthaltes und des Ausmaßes der Integration darauf zu verweisen, daß sein rund zweieinhalbjähriger Aufenthalt in Österreich - seine in Haft zugebrachte Zeit hat insoweit außer Betracht zu bleiben - keinen hohen Integrationsgrad zu bewirken vermag. Daß die belangte Behörde angesichts des großen Gewichtes der maßgeblichen öffentlichen Interessen (hier insbesondere an der Verhinderung von strafbaren Handlungen) die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers gegenüber den nachteiligen Folgen der Abstandnahme von seiner Erlassung nicht als schwerer wiegend erachtet hat, begegnet somit keinen Bedenken. Die vom Beschwerdeführer geltend gemachte Bindung an seine in Österreich lebenden Brüder tritt nach Lage des Falles in diesem Zusammenhang in den Hintergrund.
Dem Vorbringen des Beschwerdeführers, daß er im Fall einer Abschiebung in seinen Heimatstaat dort keinerlei Aussicht auf einen Arbeitsplatz habe und dadurch sein und der Unterhalt seiner Frau erheblich gefährdet wäre, mangelt die rechtliche Relevanz. Mit dem Aufenthaltsverbot wird nicht auch die Abschiebung des Fremden in ein bestimmtes Land angeordnet, vielmehr ausschließlich das Verbot, sich weiter in Österreich aufzuhalten, ausgesprochen.
Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1993180345.X00Im RIS seit
20.11.2000