Index
001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
ABGB §1002;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Bernard und Dr. Riedinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Strohmaier, über die Beschwerde des J in N, vertreten durch Dr. N, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg vom 26. August 1993, Zl. 1-521/93/K3, betreffend Abweisung eines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und Zurückweisung einer Berufung in Angelegenheit Übertretung des Arbeitsverfassungsgesetzes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Aus der Beschwerde im Zusammenhang mit dem Inhalt des angefochtenen Bescheides ergibt sich folgender Sachverhalt:
Mit Straferkenntnis der BH Dornbirn vom 8. Juni 1993 wurde der Beschwerdeführer wegen einer Übertretung des Arbeitsverfassungsgesetzes bestraft. Dieses Straferkenntnis wurde am 16. Juni 1993 durch einen Postbevollmächtigten für den Beschwerdeführer übernommen. Am 1. Juli 1993 erhob der Beschwerdeführer gegen dieses Straferkenntnis Berufung mittels Telefax. Mit Schreiben vom 12. Juli 1993 hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Vorarlberg dem Beschwerdeführer vorgehalten, seine Berufung sei verspätet erhoben, weshalb beabsichtigt sei, diese zurückzuweisen. Es wurde ihm Gelegenheit geboten, dazu binnen 2 Wochen Stellung zu nehmen. Der Beschwerdeführer brachte daraufhin einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ein und führte hiezu im wesentlichen aus, es sei durch ein "unverschuldetes und unabwendbares" Ereignis irrtümlich eine falsche Fristenberechnung vorgenommen worden, er habe als anwaltlich nicht Vertretener den Mitarbeiter der Rechtsabteilung seines Arbeitgebers, der Firma F.M. Z. Gesellschaft m.b.H., Mag. S gebeten, eine Berufung gegen das Straferkenntnis erheben zu lassen und einen Rechtsanwalt mit der Verfassung derselben fristgerecht zu beauftragen. Dabei sei von ihm das Straferkenntnis vom 8. Juni 1993 der Sekretärin V übergeben worden. Sowohl V als auch Mag. S seien langjährige Mitarbeiter, die sich als äußerst verläßlich und zuverlässig und rechtskundig erwiesen hätten. Durch einen Irrtum sei offenbar das von ihm genannte Zustelldatum falsch eingetragen und der Bescheid mit einem insoweit unrichtigen Stempel versehen worden, als als Eingang der 17. Juni 1993 und nicht der 16. Juni 1993 vermerkt worden sei, woraus sich eine Fristenberechnung für den 1. Juli 1993 ergeben habe. Aufgrund dieses Umstandes sei die vom Rechtsanwalt bereits am 30. Juni 1993 diktierte Berufung nach Vorlage der Korrekturen erst am 1. Juli 1993 zur Post gegeben worden. Die entsprechende Stampiglie der Firma F.M. Z. Gesellschaft m.b.H. mit Fristberechnung und Eingang befinde sich auf dem der Äußerung beiliegenden Straferkenntnis. Durch diesen Irrtum, der nicht als von ihm verschuldet angesehen werden könne, sondern einen Abstempelungsfehler einer weiteren Sekretärin darstelle, sei er an der Erhebung des Rechtsmittels gehindert worden, wobei er keine Veranlassung gehabt habe, nach Übergabe des Bescheides und Bekanntgabe, daß er diesen gestern erhalten habe, an der fristgerechten Erhebung zu zweifeln. Aufgrund einer kurzfristigen Abwesenheit von Mag. S dürfte daher das Zustelldatum falsch weitergeleitet worden sein.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einbringung der Berufung ab und die Berufung als verspätet zurück.
Hiegegen richtet sich die vorliegende Beschwerde über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Gemäß § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG (§ 24 VStG) ist gegen die Versäumung einer Frist auf Antrag einer Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten, und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft. Der Begriff des minderen Grades des Versehens wird in der zu § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG (sowie zum vergleichbaren § 46 Abs. 1 VwGG) ergangenen Rechtsprechung als leichte Fahrlässigkeit im Sinne des § 1332 ABGB verstanden. Der Wiedereinsetzungswerber darf also nicht auffallend sorglos gehandelt haben. Auffallend sorglos handelt ein Wiedereinsetzungwerber, wenn er die im Verkehr mit Gerichten oder mit Verwaltungsbehörden für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer acht läßt (vgl. etwa die hg. Entscheidungen vom 22. April 1992, Zl. 91/03/0345, und vom 21. Oktober 1992, Zl. 92/02/0122, 0222). Irrtümer und Fehler von Hilfskräften stehen einer Wiedereinsetzung nicht im Weg, wenn sie trotz Einhaltung der zumutbaren Kontrolle des Wiedereinsetzungswerbers geschehen. Was der Wiedereinsetzungswerber in Erfüllung einer nach der Sachlage gebotenen Pflicht zur Überwachung allfälliger für ihn tätig gewordener Hilfskräfte hinsichtlich der Wahrung eines Termines vorgekehrt hat, hat er im Wiedereinsetzungsantrag substantiiert zu behaupten (vgl. dazu den Beschluß vom 21. Oktober 1992, Zl. 92/02/0122, 0222).
Es blieb dem Beschwerdeführer auch unbenommen, mit der Vornahme aller zur rechtzeitigen Einbringung der Berufung gegen das ihn betreffende Straferkenntnis notwendigen Schritte die Rechtsabteilung bzw. einen ihrer Mitarbeiter zu betrauen. Aus den Behauptungen des Beschwerdeführers in seinem Wiedereinsetzungsantrag, die die belangte Behörde ihrer Entscheidung zugrunde gelegt hat, folgt jedoch, daß der Beschwerdeführer die Rechtsabteilung keineswegs nur mit der Weiterleitung des Straferkenntnisses an den Rechtsanwalt der Gesellschaft betraut hatte. Dadurch, daß der Beschwerdeführer die Rechtsabteilung (Mag. S) eingeschaltet hat - bei gleichzeitiger Übergabe des Straferkenntnisses vom 8. Juni 1993 unter Bekanntgabe, daß er dieses "gestern" erhalten habe - verbunden mit der Absprache, es sei eine Berufung gegen das Straferkenntnis zu erheben und ein Rechtsanwalt mit der Verfassung derselben fristgerecht zu beauftragen, kam zwischen dem Beschwerdeführer und der Rechtsabteilung (Mag. S) ein Bevollmächtigungsvertrag im Sinne des § 1002 ABGB zustande. Die solcherart von der Rechtsabteilung (Mag. S) übernommene Verpflichtung zur Vornahme einer Rechtshandlung, nämlich der Beauftragung eines von ihr auszuwählenden Rechtsanwaltes und nicht bloß zur Überbringung einer Erklärung des Beschwerdeführers, schloß es aus, sie als Boten zu qualifizieren (vgl. Erkenntnis vom 25. Februar 1993, Zl. 92/18/0175). Die die Rechtsabteilung (Mag. S) als Bevollmächtigter des Beschwerdeführers treffende Sorgfaltspflicht hätte es erfordert, daß diese nach der Mitteilung des Beschwerdeführers, wann ihm dieses Straferkenntnis zugestellt worden sei, den Zustelltag festzuhalten und den ausgewählten und beauftragten Rechtsanwalt darüber zu informieren hatte, um damit überhaupt die Voraussetzung für eine fristgerechte Erhebung der Berufung zu schaffen. Es kann daher nicht davon gesprochen werden, daß es sich bei der unkontrolliert gebliebenen Anbringung des Eingangsstempels vom 17. Juni 1993 und der dadurch hervorgerufenen irrigen Annahme, es sei dies der für den Beginn des Laufes der Berufungsfrist maßgebende Tag, um ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis gehandelt habe, das nicht von der Rechtsabteilung verschuldet worden sei. Da sich aber der Machtgeber das Verschulden des Machthabers zurechenen lassen muß, sind die Voraussetzungen des § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG nicht erfüllt, zumal das Verschulden keineswegs als Versehen minderen Grades gewertet werden kann, erfordert doch gerade die Einhaltung von Rechtsmittelfristen von der Partei die größtmögliche Sorgfalt.
Unter dem Gesichtspunkt der Verletzung von Verfahrensvorschriften rügt der Beschwerdeführer schließlich, daß es die belangte Behörde unterlassen habe, eine mündliche Verhandlung anzuberaumen. Mit dem allgemein gehaltenen Vorbringen, der angenommene Sachverhalt wäre im Zuge einer mündlichen Verhandlung genauer zu erheben gewesen, gelingt es dem Beschwerdeführer nicht, die Wesentlichkeit des behaupteten Verfahrensmangels darzutun. Das aber wäre, wie in allen anderen Fällen behaupteter Verletzung von Verfahrensvorschriften, auch in bezug auf die hier gerügte Unterlassung der Abhaltung einer mündlichen Verhandlung erforderlich gewesen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 18. September 1991, Zl. 91/03/0165). Es braucht daher nicht geprüft zu werden, welche Auswirkungen sein ausdrücklich erklärter Verzicht auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung auf seine subjektiven Rechte hatte.
Die Abweisung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und damit verbunden die Zurückweisung der Berufung als verspätet erweisen sich damit im Ergebnis als nicht rechtswidrig.
Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1993020256.X00Im RIS seit
11.07.2001