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90/01 Straßenverkehrsordnung;Norm
StVO 1960 §82 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Stoll, Dr. Bernard, Dr. Riedinger und Dr. Holeschofsky als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Strohmaier, über die Beschwerde der O Gesellschaft m.b.H. in L, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 28. Jänner 1993, Zl. MA 64-2/247/92, betreffend Bewilligung gemäß § 82 StVO, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat der Bundeshauptstadt (Land) Wien Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Am 8. August 1981 brachte die nunmehrige Beschwerdeführerin einen Antrag auf Erteilung einer straßenpolizeilichen Bewilligung im Sinne des § 82 StVO ein. Sie führte darin aus, daß sie in L den Lebensmittelhandel und das konzessionierte Gastgewerbe betreibe und beabsichtige, in Wien
1. in der "Erzherzog-Karl-Straße, Kreuzungsbereich Donaustadtstraße, jeweils 100 m vom Kreuzungsmittelpunkt in beide Fahrtrichtungen und ebenso Donaustadtstraße, Kreuzungsbereich Erzherzog-Karl-Straße ",
2. auf dem "Kagraner Platz, in jede Fahrtrichtung 100 m vom Kreuzungsmittelpunkt",
3. im "Kreuzungsbereich U-Bahn Zentrum Kagran, in jede Fahrtrichtung 100 m vom Kreuzungsmittelpunkt",
4. "Am Spitz Floridsdorf, in jede Fahrtrichtung 100 m vom Kreuzungsmittelpunkt",
5. auf dem "Matzleinsdorfer Platz, in jede Fahrtrichtung 100 m vom Kreuzungsmittelpunkt", und
6. auf dem "Neubaugürtel, Kreuzungsbereich Mariahilfer Straße, jeweils 100 m vom Kreuzungsmittelpunkt in beide Fahrtrichtungen"
täglich in der Zeit von 06.00 Uhr bis 09.00 Uhr sowie von 16.00 Uhr bis 19.00 Uhr Gebäck (Semmeln, Milchweckerl, Kipferl), Kaffee und Tee in verschlossenen Gefäßen und kalte nichtalkoholische Getränke gleichfalls in verschlossenen Gefäßen zu vertreiben. Es sei beabsichtigt, die oben angeführten Waren im Rahmen des Kleinverkaufes, "in gleicher Art und Weise, wie der Verkauf der Tageszeitungen "Kurier" und "Neue Kronen Zeitung" erfolgt, durchzuführen."
Am 3. Juli 1992 langte bei der belangten Behörde als Oberbehörde der Devolutionsantrag der nunmehrigen Beschwerdeführerin ein.
Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag gemäß § 82 Abs. 5 StVO (in Verbindung mit § 73 Abs. 2 AVG) ab; die Bewilligung sei nicht zu erteilen gewesen, da durch die geplante Art der Straßenbenützung die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs im Sinne des § 82 Abs. 5 StVO sehr wesentlich beeinträchtigt werde. Zum Unterschied vom Vertrieb von Tageszeitungen, wo der Kaufpreis von vornherein dem Kraftfahrzeuglenker bekannt sei, lasse sich dies beim Verkauf der Getränke und des Gebäcks nicht sagen. Die entsprechende Kaufentscheidung setze eine Auswahl aus dem Angebot und auch eine Überlegung über die gewünschte Menge auf der Angebotspalette voraus, wozu dann noch die Preisberechnung komme. In diesem Zusammenhang erscheine es im Hinblick auf die zu befürchtende lange Verweildauer der Kaufinteressenten in ihren Fahrzeugen auf der Fahrbahn vor allem zu den Verkaufsspitzen unerheblich, ob zur Erzielung eines "Zeitgewinnes", die Preise jeweils S 5 oder ein Vielfaches davon betragen würden.
Auch aus dem Vergleich mit der Zeitungskolportage sei wegen der dort wesentlich kürzeren Verweildauer für die nunmehrige Beschwerdeführerin nichts zu gewinnen.
Die Erteilung von Auflagen komme nicht in Betracht, da unklar sei, wieweit diese Auflagen reichen müßten oder auch reichen dürften, wenn nicht die beantragte Tätigkeit durch die Einschränkung letztlich völlig ihren angestrebten Sinn verlieren solle.
Der Verfassungsgerichtshof lehnte die Behandlung der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 2 B-VG ab (Beschluß vom 21. Juni 1993, Zl. B 447/93-3) und trat sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof ab.
In ihrem - über Auftrag des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. September 1993 erstatteten - ergänzenden Schriftsatz vom 20. Oktober 1993 zur Beschwerde erklärte die Beschwerdeführerin, durch den angefochtenen Bescheid "in dem ihr gemäß § 82 StVO gewährleisteten Recht auf Benützung von Straßen zu verkehrsfremden Zwecken verletzt" zu sein und beantragte die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat dazu erwogen:
Das gesamte Beschwerdevorbringen läßt sich dahin zusammenfassen, daß die Beschwerdeführerin der Ansicht ist, durch den von ihr beabsichtigten Vertrieb von Gebäck, Kaffee und Tee sowie nichtalkoholischen Getränken auf der Fahrbahn könne von einer wesentlichen Beeinträchtigung der Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs nicht die Rede sein. Sie bekämpft insbesondere die Argumentation der belangten Behörde, wonach die von ihr geplante Tätigkeit - im Vergleich zu der des Zeitungsverkaufes - zu größeren Verkehrsbehinderungen führen müßte und wendet sich dagegen, daß die belangte Behörde angenommen habe, daß die Käufer, nämlich die Lenker von Kraftfahrzeugen, die ihnen angebotenen Lebensmittel während der Weiterfahrt verzehren würden.
Zutreffend geht dabei die Beschwerdeführerin davon aus, daß die von ihr geplante Tätigkeit eine "gewerbliche Tätigkeit" ist, die der Bewilligungspflicht gemäß § 82 Abs. 1 StVO unterliegt. Wie der Verwaltungsgerichtshof mehrfach (vgl. das Erkenntnis vom 7. September 1988, Zl. 88/18/0097, sowie das Erkenntnis vom 8. Juli 1988, Zl. 88/18/0101) ausgesprochen hat, bedarf die geplante Tätigkeit der Beschwerdeführerin auch dann einer Bewilligung, wenn die Leichtigkeit, Sicherheit und Flüssigkeit des Verkehrs durch diese Tätigkeit NICHT WESENTLICH beeinträchtigt wird; eine der Ausnahmen der Abs. 3 und 4 des § 82 StVO kommt nicht in Betracht, sodaß das generelle Erfordernis einer Bewilligung für die Benützung von Straßen zu anderen als Verkehrszwecken gilt.
Dem Verwaltungsgerichtshof ist bekannt (vgl. auch die die Stellungnahme der Bundespolizeidirektion Wien im vorliegenden Verfahren vom 18. Dezember 1992), daß es sich bei den von der Beschwerdeführerin ins Auge gefaßten Orten um verkehrsreiche Kreuzungen und bei den beabsichtigten Verkaufszeiten um die Zeiten der Verkehrsspitzen handelt; dies hat auch die belangte Behörde ihrem nunmehr angefochtenen Bescheid zugrundegelegt (vgl. Seiten 3 und 4 der Bescheidausfertigung).
Unter diesen Umständen kann der Gerichtshof in der von der belangten Behörde vertretenen Ansicht keinen Rechtsirrtum erblicken. Sie konnte in schlüssiger Weise eine durch die von der Beschwerdeführerin beabsichtigte Tätigkeit zu erwartende wesentliche Beeinträchtigung der Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs annehmen; die Beschwerdeführerin konnte dagegen nichts Stichhältiges vorbringen. Daß diese Beeinträchtigung auch nicht durch die von der Beschwerdeführerin angeregte Vorschreibung von "runden Verkaufspreisen" (um die Zeit der Kaufentscheidung durch den Kunden und der Manipulation mit Wechselgeld zu verkürzen) zu einer unwesentlichen wird, liegt auf der Hand.
Auf die Frage, ob Zeitungskolporteure in einer dem geplanten Vertrieb der Beschwerdeführerin vergleichbaren Weise an eben diesen Orten den Voraussetzungen für eine Bewilligung nach § 82 Abs. 5 StVO nach zu Recht ihre Tätigkeit ausüben, war nicht weiter einzugehen, könnte doch die Beschwerdeführerin selbst bei Vorliegen von Bewilligungen daraus kein Recht für sich ableiten.
Zusammenfassend erweist sich daher die Beschwerde als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen, wobei von der beantragten Verhandlung gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden konnte.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1993020207.X00Im RIS seit
12.06.2001