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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AAV §8 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Stoll, Dr. Bernard, Dr. Riedinger und Dr. Holeschofsky als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Strohmaier, über die Beschwerde der M in V, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom 21. Dezember 1992, Zl. 61.026/45-3/92, betreffend Ausnahmegenehmigung nach der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung (AAV), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit ihrem Antrag vom 9. Juni 1992 begehrte die Beschwerdeführerin, ihr eine Ausnahmegenehmigung "im Sinne des § 8 AAV zu erteilen, da eine natürliche Belichtung in den Betriebsräumlichkeiten nicht geschaffen werden" könne "und andererseits aus betriebsnotwendigen Gründen teilweise Angestellte zur Führung des Betriebes herangezogen werden" müßten. Die Beschwerdeführerin betreibe mit dem Standort in V eine Imbißstube. Es sei ihr dort mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft vom 19. September 1989 die Beschäftigung von Arbeitnehmern unter Hinweis auf die AAV verboten worden. Zwischenzeitig habe sich der Geschäftsbetrieb in diesem Imbißstand so erweitert, daß die Beschäftigung von Arbeitskräften unerläßlich sei, um den Betrieb zu führen. Die Beschwerdeführerin betreibe in V noch einen weiteren Imbißstand, bei dem die genannte Beschäftigungsbeschränkung nicht gegeben sei; zur Bewältigung des Geschäftsanfalles müßten zeitweilig Dienstnehmer auch für den Geschäftsbetrieb in der verfahrensgegenständlichen Imbißstube herangezogen werden. Diese verfüge zwar über keine natürliche Beleuchtung, jedoch sei eine künstliche Beleuchtung der Innenräume hergestellt worden, welche der natürlichen Beleuchtung entspreche. Die Schaffung einer natürlichen Beleuchtung sei zufolge der Situierung des Betriebes aus bautechnischen Gründen nicht möglich, "sodaß auf die Ausnahmegenehmigung zurückgegriffen werden müsse".
Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurde die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid des Arbeitsinspektorates für den fünften Aufsichtsbezirk vom 24. August 1992 abgewiesen. In der Begründung führte die belangte Behörde im wesentlichen aus, daß die Zunahme des Geschäftsganges kein wichtiger Grund im Sinne des § 8 AAV sei. Die Beschwerdeführerin habe bereits bei der Einrichtung ihres Betriebes als Arbeitsgeberin dafür zu sorgen gehabt, daß in den Räumen, in denen sie Arbeitnehmer zu beschäftigen beabsichtige, den Vorschriften über die natürliche Belichtung von Arbeitsräumen entsprochen werde. Sei bei völlig unbelichteten Räumen eine Anpassung an den gesetzmäßigen Zustand durch bauliche Maßnahmen nicht möglich, müsse der Arbeitgeber bei der Errichtung seines Betriebes davon ausgehen, daß diese Räume nicht als Arbeitsräume im Sinne des Arbeitnehmerschutzgesetzes (ANSchG) verwendet werden könnten und für die Beschäftigung von Arbeitnehmern ungeeignet seien. Diese Rechtslage sei der Beschwerdeführerin hinreichend bekannt gewesen; sie habe dennoch ihren Betrieb in einem dem § 3 Abs. 2 ANSchG widersprechenden Raum eingerichtet. Eine Abwägung der geänderten wirtschaftlichen Interessen gegenüber zwingenden gesetzlichen Vorschriften, deren Zweck der Schutz des Lebens und der Gesundheit von Arbeitnehmern sei, sei aber unzulässig, sodaß die Voraussetzungen für eine Ausnahme nicht vorlägen.
Der Verfassungsgerichtshof lehnte mit Beschluß vom 15. Juni 1993, Zl. B 209/93, die Behandlung der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 2 B-VG ab und trat die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG ab.
Der Verwaltungsgerichtshof hat - nach Erstattung einer Beschwerdeergänzung und einer Gegenschrift durch die belangte Behörde - erwogen:
Gemäß § 3 Abs. 2 des ANSchG müssen Arbeitsräume, soweit es die Art der Arbeitsvorgänge zuläßt oder nach der Zweckbestimmung der Räume möglich ist, natürlich belichtet sein. Diese Belichtung muß nach Maßgabe der in den Arbeitsräumen ausgeführten Tätigkeiten ausreichend und möglichst gleichmäßig sein; kann dies aus zwingenden, vor allem in den örtlichen Verhältnissen gelegenen Gründen, wie infolge der Anordnung der Arbeitsräume, nicht erreicht werden, müssen diese Räume zusätzlich künstlich beleuchtet werden. Das Arbeitsinspektorat kann bei Vorliegen sonstiger wichtiger Gründe Ausnahmen von den Bestimmungen des ersten Satzes zulassen. Wichtige Gründe liegen insbesondere dann vor, wenn dringend benötigte zusätzliche Arbeitsräume nur durch eine Ausnahmeregelung gewonnen werden können.
§ 8 AAV lautet:
"(1) Arbeitsräume müssen, soweit die Art der Arbeitsvorgänge oder die Zweckbestimmung des Raumes dem nicht entgegenstehen, ins Freie führende Lichteintrittsflächen, wie Fenster, Oberlichten oder Lichtkuppeln, besitzen, deren Summe mindestens ein Zehntel der Fußbodenfläche des Raumes betragen muß; mindestens eine etwa in Augenhöhe gelegene Sichtverbindung mit dem Freien in einer Größe von mindestens einem Zwanzigstel der Fußbodenfläche des Raumes muß vorhanden sein. Arbeitsräume müssen möglichst gleichmäßig natürlich belichtet sein. Lichteintrittsflächen müssen so beschaffen oder mit Einrichtungen ausgestattet sein, daß nachteilige Einwirkungen durch direktes Sonnenlicht auf die Arbeitnehmer vermieden sind.
(2) Wenn aus zwingenden, vor allem in den örtlichen Verhältnissen gelegenen Gründen, wie bei Gebäuden in dicht verbauten Ortskernen, eine ausreichende und möglichst gleichmäßige natürliche Belichtung der Arbeitsräume nicht erreicht werden kann, müssen die Arbeitsräume zusätzlich durch eine künstliche Beleuchtung erhellt sein, die den Erfordernissen des § 9 entsprechen muß.
(3) Das Arbeitsinspektorat kann bei Vorliegen wichtiger Gründe, wie bei dringend benötigten zusätzlichen Arbeitsräumen, über Antrag zulassen, daß Räume als Arbeitsräume verwendet werden, die nicht natürlich belichtet sind. In diesen Fällen müssen die Arbeitsräume durch eine künstliche Beleuchtung erhellt sein, die den Erfordernissen des § 9 entsprechen muß; sofern dies technisch durchführbar ist, muß auch eine Sichtverbindung mit dem Freien vorhanden sein."
Unter dem Gesichtspunkt der inhaltlichen Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides bringt die Beschwerdeführerin vor, daß die belangte Behörde im Sinne des § 97 AAV die Möglichkeit von Auflagen, wie etwa die Beschränkung auf bestimmte Tageszeiten, nicht geprüft habe.
Der Beschwerdeführerin ist entgegenzuhalten, daß die allenfalls in Betracht kommende Bestimmung des § 97 Abs. 2 AAV nur dann Platz greift, wenn kein gänzliches Fehlen einer natürlichen Belichtung angestrebt wird. Wird dagegen - wie im vorliegenden Falle - ein "gänzliches" Fehlen einer natürlichen Belichtung angestrebt, kommt ausschließlich § 8 Abs. 3 AAV zur Anwendung (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. Jänner 1994, Zl. 93/02/0144).
Soweit die Beschwerdeführerin nunmehr bezweifelt, ob überhaupt ein Arbeitsraum vorliegt, ist sie zunächst auf ihren eigenen Antrag zu verweisen. Gemäß § 1 Z. 1 erster Halbsatz AAV sind "Arbeitsräume" Räume von Betrieben, in denen nach ihrer Zweckbestimmung Arbeiten ausgeführt werden und in denen mindestens ein ständiger Arbeitsplatz eingerichtet ist. Die belangte Behörde ging daher schon nach dem Begehren der Beschwerdeführerin davon aus, daß es sich um einen Bereich handelt, in dem Arbeitnehmer entweder an 30 Tagen oder mehr Tagen im Jahr oder - bei einer Beschäftigung von weniger als 30 Tagen im Jahr - in der Regel länger als vier Stunden täglich beschäftigt sein sollen (§ 1 Z. 2 AAV); eine Änderung der von der Beschwerdeführerin geplanten Widmung des bereits bestehenden Raumes in einem anderen Sinne ist im Verwaltungsverfahren weder behauptet worden noch hervorgekommen.
Die Beschwerdeführerin rügt als "Mangelhaftigkeit des Verfahrens", daß es die belangte Behörde unterlassen habe, sich mit den Voraussetzungen für die Annahme zwingender Gründe im Sinne des § 8 Abs. 2 AAV sowie des § 3 Abs. 2 zweiter Satz ANSchG auseinanderzusetzen.
Beide Bestimmungen regeln aber den Fall, daß eine AUSREICHENDE NATÜRLICHE Belichtung nicht gegeben ist und sehen für diesen Fall ZUSÄTZLICH eine künstliche Beleuchtung vor. Da die Imbißstube der Beschwerdeführerin über keine natürliche Belichtung verfügt, mußte die belangte Behörde das Vorliegen der Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 zweiter Satz ANSchG bzw. des § 8 Abs. 2 der AAV nicht weiter prüfen.
Bei der Erteilung einer Ausnahmebewilligung gemäß § 8 Abs. 3 AAV ist ein strenger Maßstab anzulegen, soll doch vom Erfordernis der natürlichen Belichtung für Arbeitsräume nur in besonderen Fällen abgewichen werden, um nicht zu rechtfertigende Härten zu vermeiden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 12. November 1992, Zl. 92/18/0364). Ein derartiger Härtefall wird mit dem wiedergegebenen Vorbringen der Beschwerdeführerin, die sich nur ganz allgemein auf den gestiegenen Geschäftsanfall beruft, jedoch nicht dargelegt. Der Verwaltungsgerichtshof vermag daher der belangten Behörde nicht entgegenzutreten, wenn sie auf dem Boden des von der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren erstatteten Vorbringens das Vorliegen eines wichtigen Grundes für die Erteilung der beantragten Ausnahmebewilligung verneint und demgemäß den entsprechenden Antrag der Beschwerdeführerin abgewiesen hat.
Da bei dieser Sach- und Rechtslage eine weitere Klärung der Rechtssache nicht zu erwarten war, konnte ungeachtet des Antrages der Beschwerdeführerin von einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden (§ 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG).
Die sohin unbegründete Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1993020218.X00Im RIS seit
11.07.2001Zuletzt aktualisiert am
07.11.2016