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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §69 Abs1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell und Dr. Novak als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag.Knecht, über den Antrag der B in S, vertreten durch Dr. D, Rechtsanwalt in G, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Erhebung einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof gegen den Bescheid des Landearbeitsamtes Steiermark vom 17. November 1993, Zl. IVc7022 B-Dr.J/S, betreffend Arbeitslosengeld, den Beschluß gefaßt:
Spruch
Dem Antrag auf Wiedereinsetzung wird stattgegeben.
Begründung
Mit Schriftsatz vom 17. Jänner 1994 stellte die Beschwerdeführerin einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Erhebung einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Begründet wurde dieser Antrag im wesentlichen damit, daß der Kanzleileiterin des Beschwerdevertreters, M, bei der Übertragung der Frist für die Erhebung der Beschwerde vom Fristenbuch des Jahres 1993 in das Fristenbuch des Jahres 1994 insofern ein Fehler unterlaufen sei, als sie den falschen Wochentag, nämlich Montag, den 17. Jänner 1994, als letzten Tag zur Einbringung der Beschwerde eingetragen habe, anstatt richtigerweise Freitag, den 14. Jänner 1994. Dies sei einzig und allein auf den Umstand zurückzuführen, daß der Kanzleileiterin bei der Übertragung der unzähligen Fristen aus dem Fristenbuch des Jahres 1993 im Zuge der Jahresabschlußarbeiten ein Irrtum unterlaufen sei. Da bisher keine Fälle der Unzuverlässigkeit bei der Wahrnehmung von Fristen seitens der Kanzleileiterin aufgetreten seien, habe bis zum heutigen Tag für den Beschwerdevertreter kein Anlaß für besondere Kontrollmaßnahmen bei derartigen Tätigkeiten bestanden.
Als Beweis wurde eine "eidesstättige Erklärung" der Kanzleileiterin mit folgendem Inhalt vorgelegt:
"Ich, M, Angestellte in der Kanzlei Dr. D, erkläre an Eides Statt, daß ich anläßlich der Übertragung der Frist für die Erhebung der Beschwerde gegen den Bescheid des Landesarbeitsamtes Steiermark vom 17.11.1993,
GZ: IVc7022 B-Dr.J/S, an den Hohen Verwaltungsgerichtshof vom Fristenbuch des Jahres 1993 in das Fristenbuch des Jahres 1994 aus Versehen den letzten Tag der Frist zur Erhebung der Verwaltungsgerichtshofbeschwerde mit 17.1.1994 anstatt mit richtig 14.1.1994 eingetragen habe.
Ein derartiges Versehen ist mir, die ich seit dem Jahre 1959 in der Kanzlei Dr. D tätig bin, bis zum heutigen Tag noch kein einziges Mal geschehen."
Nach § 46 Abs. 1 VwGG in der Fassung BGBl. Nr. 564/1985, ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehens oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, daß sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
Nach der Rechtssprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist ein Verschulden des Vertreters einem Verschulden der Partei selbst gleichzusetzen. Wenn einem Angestellten des Vertreters im Zusammenhang mit der Einhaltung einer Frist ein Fehler unterläuft, hat das die Partei selbst nur dann nicht zu vertreten, wenn ihr bevollmächtigter Vertreter der ihm zumutbaren und nach der Sachlage gebotenen Überwachungsfrist gegenüber seinen Angestellten nachgekommen ist, den Vertreter selbst an der Versäumung keinerlei Verschulden, insbesondere auch nicht in Form der "culpa in custodiendo", trifft. Lediglich rein technische Vorgänge beim Abfertigen von Schriftstücken kann der Rechtsanwalt ohne nähere Beaufsichtigung einer verläßlichen Kanzleikraft überlassen. Im übrigen trifft ihn aber an Irrtümern seiner Angestellten bei Vernachlässigung der ihm zumutbaren Überwachungspflicht ein Verschulden (vgl. etwa das Erkenntnis vom 2. Oktober 1989, Zl. 89/04/0049).
Das im Beschwerdefall gegebene Versehen der ansonsten zuverlässigen Kanzleiangestellten bei der Übertragung von Fristen aus dem Fristenbuch des Jahres 1993 in das Fristenbuch des Jahres 1994 ist nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes ein solcher Vorgang, der ohne weitere Beaufsichtigung einer verläßlichen Kanzleikraft überlassen werden darf. Der Anwalt selbst hat zwar die entsprechende Frist festzusetzen, ihre Vormerkung anzuordnen, sowie die richtige Eintragung im Kalender im Rahmen der gebotenen Aufsichtspflicht zu überwachen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 6. Juni 1989, Zl. 89/11/0036), eine neuerliche Anordnung bzw. Überwachung im Zusammenhang mit der bloßen Übertragung dieser Fristen hieße jedoch die Überwachungspflicht des Rechtsvertreters zu überspannen.
Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war daher stattzugeben.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1994080012.X00Im RIS seit
20.11.2000